Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 02.09.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-09-02
- Erscheinungsdatum
- 02.09.1915
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19150902
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-191509020
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19150902
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1915
- Monat1915-09
- Tag1915-09-02
- Monat1915-09
- Jahr1915
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Kaiser Wilhelm im- an-erswo iX pIou§km3n on Ki8 Ie§8 i8 Kicker 1K3N 3 §entlem3n on bis lcnees. Lenjamin fs3nl<Iin. ^^er Deutsche Kaiser ist zweifellos ein genialer Mensch. Wie alle genialen Menschen, hat er viele und schwere Fehler ge- macht; geniale Menschen haben lange Flegeljahre, und besonders lange, wenn sie über andere herrschen sollen. Es wurde viel ge lacht, und es gab viel Kopfschütteln und Bedenken. Allerdings sieht man dem Genie scharf auf die Finger, und besonders dann, wenn sich's um die von Gott gesetzte Obrigkeit handelt und wenn der, der zusieht, ein schlichter, rechtschaffener, ordnungsliebender Philister ist. Prinz Heinz und Falstaff, das geht noch an. Aber König Heinrich und Falstaff, der Herrscher von Gottes Gnaden mit dem Ritter von Dortchen Lackenreißers Gnaden, das verträgt der Philister nicht. Anderswo ist der Philister bester dran. Die Fehler des Genies werden glücklich vermieden. Prinz Leinz tummelt sich nicht mit Falstaff und dessen Kumpanen in Kneipen herum mit niedrigem Volk, aber doch mit dem Volk. Der Philister hat keinen Anlaß, Skandal zu schreien. Der Eskorial ist verschwiegen, und die Sünden des Infanten machen keinen Lärm. Dafür sorgt schon der Beichtvater. Der Deutsche Kaiser hat sich allmählich von den Iugendtor- heiten und den Falstaffs befreit; geblieben ist ihm der Gewinn, den große Herren davon haben, wenn sie nicht bloß von ihren Haushofmeistern, Kammerdienern und Gewiffensräten erfahren, was das Leben ist und was es verlangt. — Wenn der Deutsche Kaiser reist — und er reift viel — erfährt er manches Wort auch von den Touristen, mit denen er sich gern unterhält. Es mag sein, wie die Spötter sagen, mehr um gehört zu werden, als um zu hören. Aber er hört doch. Der Deutsche Kaiser hat einen starken Drang, das bürgerliche Leben im bürgerlichen Lichte kennen zu lernen. Hundert und aber- hundert Beispiele sind bekannt. Er ist wirklich eine ganz neue Art Herrscher, Gottesgnadentum und demokratische Gesinnung in einer merkwürdigen Mischung, bei der beide nicht zu kurz kommen. Der Philister ärgert sich darüber; ist er sozialdemokratischer Philister, so spottet er darüber. Wer kein Philister deS Respekts oder der Respektlosigkeit ist, sagt sich klüglicherweise: Wenn schon, denn schon; immer noch bester, Demokrat von Gottes Gnaden, als nur von Gottes Gnaden und sonst nichts. Bester wäre natürlich bloß Demokrat, ohne Gottesgnadentum. Aber man muß auch die Herrscher nehmen, wie sie sind, und allmählich wird man denen, die dazu die Anlage haben, das eine schon mehr an- und das andere mehr abgewöhnen. Anderswo hat der Philister weder zum Arger noch zum Spott Anlaß; das Gottesgnadentum ist von demokratischer Ge sinnung chemisch rein. Wenn sich der Deutsche Kaiser mit Gelehrten und Schrift stellern, ja sogar mit Unternehmern und Kaufleuten beim Glas Bier unterhält, so mag es ihm wohl geschehen, daß er manches Wort sagt, das besser ungesagt geblieben wäre. Dafür hört er aber auch manches, um das schade wäre, wenn es nicht gesagt würde. Anderswo wird nie ein Wort gesagt werden, das bester un- gesagt bliebe. Das ist wahr. Der Nichtssagende kann nichts Bedenkliches sagen. Allerdings hörte er auch nichts, was zu hören nützlich wäre. Der Deutsche Kaiser findet Worte, die zu den Herzen des Volkes dringen. Ganz natürlich, werden die Spötter sagen; wie sollte nicht hier und da ein glückliches Wort sprechen, wer so viel spricht! Aber hat man nicht anderswo stark das Gefühl, daß oft sprechen immer noch bester ist als gar nie sprechen? Und wäre es nicht nützlich, hier und da so ein warmes, herzliches Wort, sei's auch unter hundert nichtssagenden, statt der Eiseskälte des ewigen Schweigens? Der Deutsche Kaiser verdankt seinem Umgänge mit lebenden Menschen allerlei nützliche Belehrung. Allerdings. Belehrung ist kein Höfling, der im Vorzimmer hoher Herren wartet, daß er seine Aufwartung machen darf. Sie will gesucht sein Der Kaiser sucht sie. Er ist nicht umsonst mit Handelsherren und Reedern, mit den Vorstehern von großen Banken und anderen Unterneh- mungen beim Bier gesessen. Ja, sogar die vielbelachten Cadiner Kacheln dürften ihm außer dem Gewinn auch Gelegenheit zum Lernen gebracht haben, mehr jedenfalls als anderswo, wo man zwar auch ganz gern mit Nutzen verkauft, was man erzeugt, aber den nicht schätzt, der es kauft, und kaum weiß, daß der auf der Welt ist, der es verkauft. Der Deutsche Kaiser schätzt den Gewinn sehr hoch. Gewiß! Anderswo ist man auch gerade kein Ver- ächter. Aber er verachtet nicht den, der ihm den Gewinn schafft. In der Geschichte Englands zur Zeit der Angelsachsen erzählt Lappenberg, daß der Kaufmann, der dreimal mit eigenen Mitteln über Meer gefahren war, als zur Thanschaft berechtigt gehalten wurde. Die Thans waren das persönliche Gefolge des Königs und bildeten die Landesversammlung, den Witenagenot, der über die wichtigsten Angelegenheiten Englands entschied, wie z. B. über Steuern und Abgaben, und so konnte ein ganz gewöhnlicher Kauf mann unter den Räten der Krone sitzen. Anderswo sitzt er im besten Falle unter den Kommerzienräten. Diese Schätzung des Kaufmanns blieb, wie man weiß, auf England beschränkt. Die ritterlichen Staaten Europas haben ihm eine ganz andere Stellung zugewiesen. Er war im Feudalftaate, und ist ja, wenn wir nicht nach Tischreden und Kongreßeröffnungen, sondern nach den Taten urteilen, noch immer das lästige not- wendige Übel, dem man den bedenklichen Gewinn nachsteht, weil man ihn leider nicht entbehren kann. Kaiser Maximilian, den man sehr ungcschichtlich den letzten Ritter nennt, dachte so. Kaufmann: Allerdurchlauchtigfter! Großmächtigster! Kaiser: Wer seid Ihr? Was gibt's? Kaufmann: Treue Kaufleute von Nürnberg, Eurer Majestät Knechte, und flehen um Hilfe Götz von Berlichingen und Herr von Selbitz haben unser dreißig, die von der Frankfurter Messe kamen, im Bambergischen Gebiete niedergeworfen und beraubt; wir bitten Eure kaiserliche Majestät um Hilfe, um Beistand, sonst sind wir alle verdorbene Leute, genötigt, unser Brot zu betteln. Kaiser: Heiliger Gott! Heiliger Gott! Was ist das? Der eine hat nur eine Land, der andere nur ein Bein; wenn sie dann erst zwei Lände hätten und zwei Beine, was wolltet ihr dann tun? Kaufmann: Wir bitten Eure Majestät untertänigst, auf unsere bedrängten Umstände ein mitleidiges Auge zu werfen. Kaiser: Wie geht's zu! Wenn ein Kaufmann einen Pfeffer sack verliert, soll man das ganze Reich aufrühren; und wenn Händel vorhanden sind, daran kaiserlicher Majestät und dem Reich viel gelegen ist, daß es Königreich, Fürstentum, Herzogtum und anderes betrifft, so kann euch kein Mensch zusammenbrinqen. Weislingen: Ihr kommt zur ungelegenen Zeit. Geht und verweilt einige Tage hier. Kaufleute: Wir empfehlen uns zu Gnaden. (Ab.) Das ist die andere Auffassung Sie hat sich seither nicht sehr geändert. Der Götz von Berlichingen mit der eisernen Land heißt jetzt Militarismus, der Selbiy Budget, und sie haben jeder zwei Lände und zwei Beine. Wir empfehlen uns zu Gnaden. Aus dem kürzlich erschienenen Buch- „Morgendämmerung" von Alpheus. ZOO Seiten M 1.80, geb. M. 2.—. mit 50°/«. Anzengruber-Verlag, Wien. Leipzig: L. Staackmann Zur „Haus" un- „Schützengraben"! Zur „Auslage" un- „Sahnhöfe"!
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder