^ 183, 10. August 1015. Künftig erscheinende Bücher. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 4605 Soeben erscheint: Ein Jahrtausend deutscher ^ Dichtung vom Bodcnscc Ausgewählt von Wilhelm von Scholz. Das Buch erscheint in antiquierter Ausstattung auf Büttenpapier, in Großoktavformat, 24 Bogen stark, mit gezeichnetem, gotischem Einbandentwurf in drei Farben, in Halbpergament gebunden. ^ Verkaufspreis Ä?. ^. M. ^25 bar'".md?/<-. 20 Erempl. in Ganzpergament, handschriftlich gezeichnet, je M. 30. Dies ist ein Buch, das in der Literatur bis heute eine einzigartige, einzelstehende Erscheinung bedeutet, die dem Buchhandel gerade jetzt, wo draußen die Kanonen und die Politik die Stille töten und die Sinne gefangen nehmen, doppelt willkommen sein wird. Wie ein Stück W wahrhaftigen Friedens wirkt dieses Buch, das uns zeigt, wie schön und gut wir es einmal hatten. Abnehmer und Freunde wird man für dieses Buch nicht nur in den Schul- und öffentlichen Bibliotheken und in dem kleinen literaturkundigen Leserkreis finden; dieses Buch ist geeignet, in die weitesten Kreise zu dringen, weil den Herausgeber, dessen Name an sich schon für eine vorzügliche Arbeit bürgt, weder rein wissenschaftliche noch rein ästhetische Grundsätze bei der Zusammenstellung leiteten. Mit gesundem Sinn für das Bleibende und Wesentliche sind hier Stücke einer Geistesarbeit in gebundener und ungebundener Form zusammengetragen, die aus einem Zeitraum von 1000 Jahren ausgewählt wurden. Und vielleicht hat die Dichtung einer Landschaft nirgends so gewaltige und reiche Blüte getrieben wie am Bodensee, der ja auch heute noch eine große Zahl von Dichtern und Schriftstellern an seine Ufer fesselt. Den Anfang des überaus reichen und vielseitigen Buches machen Proben aus der St. Galler und Reiche- nauer Klosterdichtung (Ekkehard, Notker usw.). Dann folgen die Minnesinger, die in den zahlreichen Burgen am Bodensee einsam ihr Lied dichteten. Unter ihnen begegnen wir manchem bedeutenden Namen, soBurkard von Hohenfels, Konradin von Schwaben. Aber auch mancher weniger Bekannte (z. B. Hugo von Montfort) überrascht mit entzückenden und in ihrer Einfachheit geradezu erschütternden Versen. Dann folgt mit einigen Prosastücken einer der tiefsten und lieblichsten religiösen Dichter, die wir als die deutschen Mystiker des Mittelalters bezeichnen: Heinrich Suso, der einsame Mönch, der in dem ehe maligen Dominikanerkloster zu Konstanz, das jetzt als „Jnselhotel" zu den berühmtesten internationalen Gaststätten zählt, seine seltsamen Visionen erlebte. Aus der darauffolgenden Zeit des Konstanzer Konzils finden wir sehr interessante und merkwürdige Dokumente, Tagebuchblätter und Gedichte, währenddem die dem 18. Jahrhundert voraufgehende Dichtung nur sehr flüchtig am Bodensee verweilte. Dann aber setzt die Zeit der Klassiker ein, die zum großen Teil die Seelande nur mittelbar berührt, aber doch Werke schuf, in denen Seegcgenden und -Gestalten eine wesentliche Rolle spielten. Wir finden Lavater, Herder, Bürger, Wilhelm Heinse, Goethe, Schiller usw. Ebenso fesselt ein interessantes Bruchstück des seltsamen Buches „Der arme Mann aus dem Toggenburg", das ein einfacher Mann aus dem Volke schrieb. Die Zeit der Romantiker steht mit dem Bodensee in engster und reichster Beziehung. Eine stattliche Zahl unserer größten Namen durfte in engem Zusammenhänge mit dem See ausgenommen werden: Hölderlin, Wessenberg, Kerner, Uhland, Gustav Schwab, Platen, Annette Drofte-Hülshoff, Kopisch, Mörike, Gutzkow, Schücking, Geibel, Gottfried Keller, Hermann Lingg, Conrad Ferdinand Meyer, Scheffel, Leuthold u. v. a. Auch auf eine Anzahl weniger bekannter Namen stoßen wir in dieser Periode, die deswegen vertreten find, weil nach den Worten des Herausgebers „Dichter für uns recht bedeutsam sein können, die in der Weltliteratur keine Stelle haben, daß so in einem örtlich gebundenen Schrifttum auch Dichter und Werke nicht übersehen werden dürfen, die, ohne zum eisernen Bestand zu gehören, selbst bei geringerem Können für die Dichtung einer Landschaft wichtig und charakteristisch sind." Den Schlußteil dieses überaus reichen Buches bildet eine Auswahl aus den Lebenden mit Stücken, die zum Bodensee Beziehung haben: Fritz Mauthner, Hermann Bahr, R. Dehmel, W. von Scholz, Hermann Hesse, E.vonBodman, L.Finckh, E.Lissauer. Weißer Zettel anbei! Reuß «kItta, Konstanz a.B.