Deutschen Buchhandel und für die mit ihm verwandten Geschäftszweige. HerauSgegeben von den Deputirten des Vereins der Buchhändler zu Leipzig. Amtliches Blatt des Börsenvereins. 19. Freitags, den 6. März 1840. Einige allgemeine und besondere Betrachtungen über den Buchbandel, bei Gelegenheit eines Rückblickes auf die Jahre 1838 und 1839. (Fortsetzung.) IN. Der Buchhandel der Staats rcgierung gegenüber.— Es öffnet sich mir hier ein außerordentlich weites Feld, und Freiheit der Gedankcnmittheilung, Publici- tat u. s. w. drangen sich mit Allem, was sonst noch zu den Lcbensclementcn des Buchhandels zu zahlen ist, mir entgegen. Ich werde, wie cs sich hier für mich schickt, die weitesten Schritte thun und alles Allbekannte, vielfachst Besprochene, vielleicht bis zumUeberdrufse bereits Abgehandeltc überschrei ten. Damit man aber sogleich wisse, Beides, wohin ich ziele und wie ich cs liebe, dem positiven Gesetze zu huldigen und nach demselben meine Betrachtungen einzurichten, so will ich vorerst Folgendes aus den allgemeinen Eensurvcrfügungcn, über welche sich die Deutschen Bundesregierungen im Octbr. 1834 vereinigt haben, mitlhcilcn. Es heißt (§. 11.): „Schriften, in denen die Staatsverwaltung im Ganzen „oder in einzelnen Zweigen gewürdigt, erlassene oder zu erlas sende Gesetze nach ihrem inncrn Wccthc geprüft, Fehler und „Mißgriffe aufgedcckt, Verbesserungen angedcutcl oder in Vor schlag gebracht werden, soll um deswillen, weil sie in einem „andern Sinne als in dem der Negierung geschrieben sind, „falls nur ihre Fassuitg anständig und ihre Tendenz wohl meinend ist (§. 6.), die Zulassung zum Drucke nicht ver- „weigert werden." Hieraus ergiebt sich auf das Deutlichste, daß man aller höchsten Ortes so weit gekommen ist, zu erkennen, , daß es nach dem Stande unserer Eivilisation höchst bedenklich zu erachten ist, die Kritik der Staatsanstaltcn zu verbieten. Ja, ausgezeichnete Rechtslchrcr (s. u. A. Bauer, in seinen Slrasrechtsfällcn, Göttingcn 1835. Bd. 1. S. 80 ff.) haben es, der obigen Verordnung gemäß, dargethan, „daß selbst 7r Jahrgang. eine indirekte (also unverschuldete!) Aufreizung zur Unzufrie denheit und Widersetzlichkeit durch (kritisch-politische) Schrif ten nicht unter die Verbrechen und Vergehen zu zahlen ist." Ganz naiürlich! Es giebt ein solches Verbrechen oder Vergehen gar nicht! DicAnschuldigung desselben beruhte aufder Annahme, daß, w-il der Tadel der Regierung oder einer öffentlichen Einrich tung Unzufriedenheit der Staatsbcwohner und allenfalls auch Widersetzlichkeit derselben hervorbringcn kann, derjenige, welcher die Regierungsanstaltcn tadele, dadurch indirekter Weise zur Unzufriedenheit und Widersetzlichkeit auffordere. Oder gilt etwa — wie doch nur bei Einfältigen oder Thoren — ein Schluß von der Möglichkeit sogleich auf die Wirklich keit? Uebt der Staatsbürger, wenn das Gesetz — was es vernünftiger Weise nicht thun kann — nicht schon den Tadel an sich verbietet, nicht nur sein gutes Recht aus, indem er tadelt? Ja, liegt nicht sein Tadel im Interesse der Staats verwaltung in so fern, als sie sonst viele Mittel entbehrt, stattgcfundcnc Mißgriffe, Täuschungen u. dgl. wahrzuneh men? Mit Grund hat man daher, um den verrufenen und gefährlichen Tcndcnzpcocesscn, den Plackereien mit der künstli chen Nachmessung des aniinu» inalus, snienus injurisnäi, und wer weiß, wcß noch, nicht Thür und Thor zu öffnen, in dem Strafgesetzbuch für Bayern (Art. 324) zur Straffällig keit eine Deutliche und bestimmte (dirccte) Aufforde rung zum Aufstande gefordert, -und eben so bei dem Entwürfe eines Strafgesetzbuchs für Hannover (Art. 192) dasselbe verlangt. — Ein die Menschheit ehrender Sieg der Vernunft und des Rechts in einer Zeit, die sonst nicht ohne traurige rcactionelle Erfahrungen ist! — So viel als Motto oder Vorrede, ganz besonders aber zum Beweise, daß ich tüchtige (wissenschaftlich gründliche und wissenschaftlich ruhige) kritische Polemik gegen Politik und Legislation schon um deswillen nicht dem Buchhandel entzogen wissen will, weil ich mich dadurch offenbar an aus drücklichen Bundcsbeschlüsscn und an Bayerns und Hannovers 36