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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 30.04.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-04-30
- Erscheinungsdatum
- 30.04.1915
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- Deutsch
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ok 98, 30. April 1915. Redaktioneller Teil. Völkerschlacht vom 18. Oktober 1813 im Rathause habe ich vst besucht, auch Auerbachs und Äckerleins Keller sind mir nicht fremde Orte, obgleich man sich in den letztgenannten nur dann wagen konnte, wenn die Geldkatze noch geschwollen war, denn im Hinter gründe lauerte die Sammslhose des Reichsalmoseniers Otto Petters. Und so könnte ich noch mancherlei auszählen, was mir in Leipzig gefallen hat, wie beispielsweise das neue Stadttheater mit seinem Künstlerpersvnal, der Palmcngarten, das neue Ope rettentheater und das gewaltige burgartige Rathaus, das Reichs gericht, das städtische Museum der bildenden Künste, der Zoolo gische Garten, am wenigsten — der Krystallpalast. Gern habe ich auch der Predigt des weit über Sachsens Grenzen hinaus be rühmten Redners Professor Jhmels gelauscht. — Wenn auch Leipzigs Straßen meist sehr eng sind und der wirklich großen Läden und Schaufenster sich nur eine verhältnismäßig kleine An zahl findet, auch der Verkehr auf den Plätzen und Straßen der Eleganz ermangelt, ja von einem kleinstädtisch soliden Geschmack Zeugnis ablegt, so ist doch in vieler Hinsicht Leipzig eine Groß stadt geworden. Seine ungewöhnliche Ausdehnung, seine vielen Bergnügungslokale, die elektrischen Straßenbahnen und die strahlende elektrische Helle in der Nacht erinnern an Berlin und Hamburg. So ist Leipzig gewisserniaßen eine kleinstädtische Groß stadt oder, wenn man das lieber hört, eine großstädtische Kleinstadt. Wenn ich in diesem Jahrs nicht zur Messe fahre, so habe ich viele Gründe. Zunächst und in erster Reihe: es fehlt mir an dem nötigen Kleingeld. Vieles, was ich sonst in Rechnung bekam, wird jetzt während des Krieges nur gegen bar geliesert, sogar manche sonst kulanten und sortimeuterfreundlichenFirmen sinüvon der Seuche »nur gegen bar mit 2Stzs,« angesteckt. Ich habe also beträchtlich mehr bares Kapital ins Geschäft stecken müssen seit den, 1. August 1914; das Publikum aber zahlt langsam wie immer, trotz aller roten Zettel, vieler Aufforderungen in den Zeitungen und trotz mancher gelegentlichen Hinweise auf die Not der Zeit und die Geldknappheit des Geschäftsmannes. Der Rabatt bei Konsumartikeln, zu denen ich in erster Reihe die Schulbücher zähle, ist von Jahr zu Jahr mehr gekürzt worden. Biele Verleger geben nur noch 20HH gegen bar, bringen alljährlich veränderte Auslagen, die den Sortimenter unabwendbar mit Ladenhütern der alten Auflagen belasten, ihm erhöhte Spesen durch Porto und Eil- frachten auferlegen und einen doch ganz notwendigen Überschuß illusorisch machen. Der nervenzerrüttende Trubel der Schul bücherwochen ist wirklich kein Vergnügen, das Bewußtsein aber: aller Lärm ist um des Kaisers Bart, ein Verdienst, von dem inan leben soll und muß, von dem die ungeheuren Unkosten be zahlt werden können, kommt nicht dabei heraus, — wirkt lähmend. In diesem Jabre kommt noch dazu das häufige Nichtliesernkönuen der Verleger. -Folgt nach Ablieferung vom Buchbinder«, »Folgt in einigen Tagen», »Kann ich z. Z. nicht liefern, da neue Auf lage noch nicht fertig« — und ähnliche Bescheide kommen zu Dutzenden. Aus den »einigen« Tagen wird eine Woche und mehr, Postkolli und Eilgüter braucheil die doppelte und dreifache Zeit bis zum Eintreffen, — die Lehrer drängen, die Schulkinder laufen das Haus ein! Die »einigen Tage« sind immer noch nicht um. Ich habe einige Bücher, die Mitte Mürz bestellt wurden, jetzt Ende April trotz Reklamation und Depeschen noch immer nicht erhalten! Abgesehen von allem Arger und Verdruß, der dadurch entsteht, zieht sich die Versorgung der Schulkinder mit den notwendigen Büchern dadurch in die Länge. Jeder Tag bringt neue der artige Anforderungen, - die Reise nach Leipzig zur Ostermesse Ivird dadurch unmöglich. Ich habe auch Schulbücher-Berlag neben meinem Sortiment, daß aber neue zu Ostern notwendige Aus lagen nicht rechtzeitig fertig geworden sind, ist mir noch nicht passiert. Auch in diesemJahre nicht, obgleich ich drei neue Auslagen ä 8000 Exemplare hergestellt habe. Ich fange aber im Oktober schon an zu drucken, Papier bereit zu halten, Einbände durch Fertigstellen der Decken vorzubereiten usw. — Wohl weiß ich, daß nicht in jedem Fall so disponiert werden kann, — in vielen Fällen aber, in denen jetzt Buchdrucker und Buchbinder versagen, wäre das Fertigstellen bei rechtzeitiger Anordnung sicher möglich gewesen. Ein zwingender Grund, diesmal zu Hause zu bleiben, liegt auch in den Zeitverhältnissen. Die Kriegsereignisse bringen Überraschungen, nicht nur auf den Kriegsschauplätzen, auch im Geschäft, im Hause und in der Familie. Mancherlei soziale und patriotische Pflichten, die Zeit und Arbeit in Anspruch nehmen, binden ebenfalls. Wer könnte und wollte sich in einem nicht zu großen Gemeinwesen dem jetzt entziehen?! Gilt es doch mit zu sorgen für die Lazarette daheim und in den notleidenden Grenz provinzen, zu helfen in den Vereinigungen zur Unterstützung der Frauen und Kinder zur Fahne einberusencr Reservisten, Land wehr- und Landsturmleute. Eine umfangreiche Tätigkeit und mehrfache Sammlungen veranstaltet das Rote Kreuz. Für die erblindeten Soldaten ist eine Fürsorge und Hilfe eingerichtet, für die Kriegsbeschädigten im allgemeinen und in besonderen Fällen ebenso, Liebesgabensammlungen erfordern täglich Arbeit, das Verpacken und Hinaussenden an die Adressen und Sammel stellen muß beaufsichtigt werden, selbst die Sammlung gegen die Läuseplage im Osten hat Zeit und Arbeit nötig. Kostkinderheime, Volksküchen und manches andere derart sind auch nicht ganz ohne Fürsorge möglich. Dazu kommt dauernde Einquartierung. Seit Mitte August vorigen Jahres habe ich abwechselnd 3, 2, auch 6 Wochen hindurch 4 Mann Einquartierung. So sind gar mancbe außergeschästliche, unaufschiebbare Pflichten vorhanden: die Reise nach Leipzig muß also unterbleiben. Es fehlt auch die Lust und der Mut, auf mehrere Tage zu verreisen, zumal da auch der einzige Sohn im Felde steht, schon zweimal verwundet war und als Maschinengewehr-Kompagnie führer im Bordertressen steht, also keine Stunde außer Gefahr ist. Eine Tochter ist als Ärztin in einem Berliner Lazarette tätig und muß außerdem in einer Quarantänestation aus Rußland kom mende Verwundete und sonstige Reisende auf Flecktyphus und Cholera untersuchen. Zwar hat sie von diesen beiden schrecklichen Seuchen bisher nichts konstatiert, Läuse aber von einer Größe, daß sie nicht mehr als Bienen bezeichnet werden können, nein, schon mehr Hummeln heißen müssen, — findet sie täglich. Run hat in diesem Jahre zwar die Vorstandswahl für den Verband der Orts- und Kreisvercine die Gemüter im Buchhandel erregt, doch ist das jetzt vor der Messe durch die Bereitwilligkeit unseres guten alten Prager und seines Beamtenstabes, »noch ein Jahr länger zu amtieren«, Wohl schon so gut wie geregelt an zusehen. Sonst aber bietet die Tagesordnung des Verbandes wie des Börsenvereins in diesem Jahre nur Vorlagen zweiter Ordnung. Sie reizen jedenfalls zur Reise nicht an, wenn man allein 9 Stunden Hin- und 9 Stunden Rückbahnfahrt daran wenden muß.*) Gewiß würde die Aussprache mit den an wesenden Kollegen in diesem Jahr eine besonders interessante sein; jeder von uns hat in diesen neun Kriegsmonaten etwas erlebt, hat tiefe seelische Eindrücke empfangen, trauert um manchen guten Freund, der auf dem Felde der Ehre sein Leben hat lassen müssen, um nähere oder fernere Angehörige. Es ist doch wohl keine Familie ganz verschont geblieben, in jede hat der unerbitt liche Sensenmann Einkehr gehalten, jede hat dem Vaterlande Opfer bringen müssen! Sind wir auch der Hoffnung des Sieges voll, und haben wir auch das Vertrauen zu unseremHeer und unserer Flotte, daß sie uns einen ehrenvollen Frieden erkämpfen werden, daß es ihnen und uns mit Gottes Hilfe gelingen werde, alle Feinde niederzuringen und sie Schulter an Schulter mit unserem treuen Verbündeten Österreich-Ungarn dem Ansturm der barbarischen Horden siegreich widerstehen werden, — Opfer wird es noch viele kosten! Noch manches junge Leben wird verbluten, noch manche Hoffnung ins Grab sinken! So wollen wir den» nicht müde werden in der Pflichterfüllung der Daheimgebliebenen! Wir werden daher gern und freudig Sorge tragen, daß unseren tapferen Feldgrauen die Last des Kampfes durch unsere liebende Fürsorge erleichtert wird, daß sie frohen Herzens ihre Gedarrten heimwärts richten in der Gewißheit: dort wohnen treue Seelen, die mit ihrem Segen, ihrer Liebe uns begleiterr, die in Treuerr uns Helsen und stärken — ein jeder nach seiner Einsicht und seinem Können. Es muß halt auch mal so gehen, ohne eine Reise zur Oster messe nach Leipzig. E. O. *) Geschrieben zu einer Zeit, als die vollständige Tagesordnung der Hauptversammlung mit dem Anträge des Vorstandes auf Übernahme der Hinrichsschen bibliographischen Unternehmungen noch nicht vorlag. Red. 687
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