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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 09.05.1933
- Strukturtyp
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- 1933-05-09
- Erscheinungsdatum
- 09.05.1933
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- Deutsch
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X- 106. 9. Mai 1933. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhanbel. In der Mitte das Wappenschild mit einer im Herzen wurzelnden Rosenblüte, darum herum windet sich das Band mit dem Wahl spruch: »Erst wieg's, dann wag's«; unten aber, aus der Schleife steht »Ostern 1796«. Wer möchte da nicht von Beziehungen reden?! Ich will aber nicht jenen Beziehungen im einzelnen nach gehen, sondern nur darauf Hinweisen, wie jenes Titelblatt allein schon dem Nachdenklichen Anregung über Anregung gibt. Den K I jener deutschesten Schrift eines Buchhändlers sollte jeder aus wendig können, wenn er sich berufen fühlt, dem deutschen Buch handel in diesen Zeiten Wege zu weisen.^ »Jedes, aus Roheit und Barbarey herausgetretcne Volk liebt und ehrt seine Muttersprache.» So beginnt der erste Absatz — »Nur mit dem Verfall des Ansehens der Religion, der Sitten, der Verfassung, nur mit dem Aufhören der National-Selbständig- keit vergehet auch die Achtung für eigne Sprache und Literatur» — so lautet der zweite Absatz. Später heißt es: »Es kann als ein Zeichen nicht zu zerstörender Nationalität der Deutschen gelten, daß das wachsende Interesse an vaterländischer Sprache und Lite ratur zur nämlichen Zeit sichtbar wurde, als der Verfall bis heriger Verfassung sich offenbarte. Mit dem Unglück des Vater landes wurde die Liebe für deutsche Art und Kunst immer reger, ja, man darf sagen, sie stieg zur Begeisterung, als das Deutsche Reich durch französische Übermacht aushören mußte.« Wer aber wird nicht nachdenklich, wenn er den Schluß dieses K I liest, wo Perthes meinte, daß in Wien — man schrieb das Jahre 1816 — ein äußerer Bund beschlossen worden sei, der sür die deutsche Sprache und Literatur forthin Schirm und Schutz sichere. Kam nicht böse Enttäuschung? Und andrerseits, stellt nicht heute der grohdeutsch zusammcngefaßtc Buchhandel allein solch einen Bund dar? Genug! Wer einen klaren Buchhändlerverstand mit einem heißen Buchhändlerherzen verbindet, wer wahrhaft deutsch ist und wer in feine deutsche Liebe jene Millionen miteinschließt, die außerhalb des Reiches nicht nur leben, sondern nur zu oft um dieses Leben kämpfen, der benötigt keinen weiteren »vaterländi schen Unterricht«. Hier aber soll das Eine herausgehoben sein: Am Anfang des literarischen Ausdrucks steht die Sprache. Hamann fragt einmal in Babel und Golgatha: »Wo liegt aber das Rätsel des Buches? In seiner Sprache oder in seinem Inhalt? Im Plan des Urhebers oder im Geist des Auslegens?« Mit solcher Fragestellung ist alles Umrissen, was für diese Betrachtung in Frage kommt. Und man könnte ohne weiteres sich an solche Gliederung der Fragestellung halten, wenn nicht die Gefahr bestünde, daß man damit manche Schwierigkeit nicht recht packen würde. Man würde nur »Beson derheiten« des literarischen Ausdrucks darstellen, nicht aber das Wesen, man würde Teile statt des Ganzen bringen. Das Wesen eines Vorgangs ist aber nur in dessen Ganzheit zu fassen. Es ist heute beliebt, solche Erfassung unmittelbar er-. folgen zu lassen und zu Gunsten der »Intuition« das Recht zu zusprechen, auf Klarlegung der Besonderheiten zu verzichten. Ge wiß steht am Anfang jeden geistigen Fortschritts der »Einfall«, jener Vorgang, daß aus Tiefen des Unbewußten eine neue Wahr heit aufsteigt. Ihre Erprobung mit dem Rüstzeug der Wissen schaft aber muß sich diese Wahrheit gefallen lassen, soll nicht ein Bolschewismus des Geistigen entstehen, gegen den der politische sich wie ein Wolkenbruch zur Sintflut verhält. Gewiß ist es richtig, daß der primitive Mensch in seiner unmittelbaren Erfassung der Umwelt sehr häufig das Wesentliche viel eher mitbegreist als der ausgesprochenermaßen mit dem Miß trauen gegen sein eigenes Bewußtsein geladen« Wissenschaftler einer Zivilisation. In einem Aufsatz in der Deutschen Allgemeinen Zeitung »Der Genius der Gattung« zeigte Adolf Kölsch überzeugend auf, wie eben die Naturvölker den Begriff der Gattung und ähnliche Ordnungs- und Unterscheidungsmittel nicht kennen. »Aber sie wissen darum, daß alle Büffel oder alle Reispflanzen unterein ander in Beziehung stehen, nicht durch .Abstammung', wie wir es nennen, sondern durch ein von verschiedenen Völkern mit wech selnden Namen belegtes Etwas, das überall ist, wo sich Büffel, Hirsche, Reis und Kokospalmen befinden.» 338 Ebenso hat Dacguö in seinem Buch »Leben und Symbol«, auch vom naturwissenschaftlichen Denken herkommend, deutlich gemacht, daß wir sehlgehen, wenn wir am Besonderen hängen- blciben; denn so gerade entgleitet uns die Wirklichkeit. Er schreibt: »Schopenhauer sagt einmal, daß dem Kind die Dinge so glänzend, die Natur so paradiesisch Vorkommen, weil es in jedem Einzelding die Idee der Gattung naiv erlebe. Dieser Glanz der inneren Wirk lichkeit geht dem zum rationalen Denken gereiften Menschen völlig verloren, wenn er aus dem Kindheitszustand' mit seiner lebendig feelenvollen Anschauung heraustritt und sich nun der reinen Abstraktion ergibt. Wo ivir also in der Form die Idee er leben können, find wir, wie das Kind, im Innern der Natur.« Was hier im Gebiet der Natur festgestellt wird, berührt aber unsere Denkart überhaupt: Wir legen mehr Wert auf den Unter schied als auf die Wesenheit, die notwendigerweise nur in der Ganzheit ersaßt werden kann. Warum dennoch eine Herausschälung des Besonderen im lite rarischen Ausdruck? Einmal deshalb, weil ich die Ausfassung vertrete, daß unsere Zeit noch nicht reif ist, die bisherige Denk weise einfach abzuschütteln, denn sie würde sonst dem Nichts gegenüberstehen, weil eben jene ander« Denkweise, die zusammen sieht und nicht unterscheidet, nicht willensmäßig eingeführt wer den kann, sie kann nur langsam heranwachsen. Wenn man einen alten Baum, der einen anderen am Wachstum hindert, fällt, so ist deshalb der Kleine noch nicht groß. Will man nun dauernd Schal ten genießen, fo muß man zunächst dem Großen die Äste nehmen, die am meisten >dem Kleinen Licht und Luft nehmen, und erst wenn der erstarkt und herangewachsen ist, kann man daran den ken, den anderen ganz zu beseitigen. Dieses Bild bedeutet für unsere Denklage, daß wir des Unter scheidenden noch nicht entraten können, daß wir aber mit der Schere der Skepsis ihm schon jene Zweige nehmen müssen, die jenem anderen Denken zusammenschauender Art bisher das Leben verweigerte. Dann aber kommt noch ein anderer Grund in Betracht, >der es uns nahelegt, uns einmal Klarheit zu verschaffen über das Besonder« im literarischen Ausdruck: Es ist die Lage unserer Literatur! Allenthalben fühlt man, daß auch hier, wie auf anderen Ge bieten Bedenklichkeit am Platze scheint. Man erkennt, daß der Brunnen nicht mehr fo rein, klar, erfrischend läuft, daß dagegen die Wassermenge bedenklich zugenommen hat. Die Gründe sür solche Entwicklung liegen aber mehr oder minder im Dunkeln. Die einen sprechen einfach von Schicksal und selbstverständlichem Rückschlag, die anderen dagegen suchen nach Sündenböcken. Mit beiden Einstellungen ist aber nur der Geist der Verneinung in Geltung und damit ist nichts gedient: Mit der Erkenntnis, daß die Armut von der Poverte kommt, ist ebensowenig geholfen, wie der Ermordete nicht wieder Leben gewinnt durch die Ent deckung des Mörders. Will man nun aber die Lage unserer Literatur wirklich er kennen, so muß man erst im klaren darüber sein, auf welchen geistigen Grundlagen Literatur überhaupt entsteht. Damit aber ist die Notwendigkeit erwiesen, die Frage zu beantworten, wie literarischer Ausdruck entsteht. Und will man ihn so erfassen, daß er auch dem allgemeinen Weltbild eingegliedert ist, wird man ihn mit anderen Ausdrucksmöglichkeiten vergleichen müssen. Ver gleiche bringen aber nicht nur das »Gleiche«, sondern auch das Besondere ins Bewußtsein. Worauf es ankommt ist das: Wir dürfen nicht bei gewonne nen Einzelerkenntnissen stehenbleiben, ja wir dürfen nicht einmal uns damit begnügen, sie in Beziehung zu setzen. Wir müssen uns vielmehr von ihnen aufwühleu lassen und mit ganzer Seele nach einem »D u« suchen, das uns in Zustimmung u n d Ablehnung, in Liebe und Haß erleben läßt, wo wir den Kern berührt haben, den Kern, der eben nicht nur toter Stoff ist, sondern der Träger der Keimkraft für neues Leben. Ich empfinde cs als ein Glück, daß die nachfolgenden Ausführungen in eine Zeit fallen, die gerade mit aller Kraft den Boden lockert, der Keime aufnehmen kann. Freilich, was ich zu bieten habe, ist ein bescheidener Versuch, der noch dazu mit »Bildern« arbeitet. Aber ich tröste mich mit
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