> »ier wird Geschichte in einzigartiger Weise lebendig. Das Adelheid-Epos, das den > I Leser mit Staunen und Ehrfurcht erfüllt, ist gewissenhafte Forscherarbeit und gewaltige dich terische Konzeption zugleich. Geschichte ist Ge schehnis im Namen Gottes, und dies Hintergrün dige kann erst in einer Rückschau nach Jahrhun derten begriffen werden, wenn aus zeitlichem und seelischem Abstand das Unvergängliche vom Ver gänglichen klar gesondert leuchtet. Die Heldin des Buches ist eine Frau, über deren weittragende politische Wirkung bei Zeitgenossen und späteren Historikern eine Meinung herrscht, ohne daß bis her ihr Bild jemals wirklich gezeichnet worden wäre. Und so wird dasKaiserinnenschicksal der Mittelpunkt der großen Fragen, die vom 10. Jahrhundert ab das Abendland beherrscht haben und im Grunde heute noch beherrschen. Das ewige deutsche Pro blem: das Reich — und das ewige Problem der christlichen Menschheit: civilas äei—ist mit Wucht gestaltet. Adelheid und Otto der Große sind Bau meister an dem deutschen Dom, dessen Spitze in den Himmel greift. In dieses frühe Christentum ragt noch die antike Welt herein: wir stehen an einer Zeitenwende. König Rudolf U. versinnbild licht noch einmal im Tod die beiden bildenden Ge walten des Mittelalters: „Sein Gesicht glich nun ganz dem Kopf eines römischen Imperators. Aber an feiner Seite lag das Schwert des heiligen Mauritius, in das eingegraben waren die Worte: ekristu8 vincit." — Die Sprache verzichtet auf altertümelnde Patina. Gertrud Bäumer prägt unvergeßliche Bilder, wie dieses: „Der Kreis der Mönche teilte sich. Unter den wehenden Lichtern schritt der Bischof mit den Ministranten zum Altar. Wie ein leise rauschendes Schiff mit Hellen Segeln durchschnitt das Weiß und Gold der Meßgewänder die Dämmerung. Knaben entzündeten am heiligen Tisch die Kerzen. Die goldene Platte Karls des Großen schimmerte auf. Über dem finsteren Tal des Todes stand das schimmernde Heiligtum wie der offene Eingang zum Paradiese." — Mit archi tektonischer Klarheit ist dieses Werk in sechs Ab schnitten aufgebaut: Königin Bertha/Die Königin der Lombardei/consors rexni/Otto der Große/ Die Kaiserin/Mutter der Königreiche. Die Leiden schaft und Spannung des Geschehens ist nur dra matischer Gestaltung vergleichbar. Atemlos ver folgen wir Adelheids Flucht aus Berengars Gewalt. Die Schlacht auf dem Lechfelde erleben wir mit, als entscheide sie unser Los: „Über das Sachsen land — das Frankenland — bis an den Rhein — wilde Scharen. Immer neue. Wirft der Antichrist seinen Samen in den Schoß der schwarzhaarigen Mütter? Die Erde biegt sich unter dem Hufschlag der Rosse — die Männer stürzen — die Kreuze brennen — die goldenen Kelche des Herrn baumeln von den Sätteln der Heiden." — Die Wiedergeburt Adelheids in einer kongenialen Frau mag dieser großen Gestalt eine Unsterblichkeit sichern, wie sie ihr die Geschichte in solcher Lebendig keit versagt. In Gertrud Bäumers Historie ist all den vielen Menschen, die Verlebendigung geschicht lichen Geschehens suchen, ein Werk geschenkt, das getreu ist den Chroniken, unmittelbar und packend wie unsere mittelalterlichen Baudenkmäler und Plastiken und mitreißend wie nur ein Drama der Weltliteratur.