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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.03.1915
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- 1915-03-06
- Erscheinungsdatum
- 06.03.1915
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Redaktioneller Teil. ^ 53, 6, März 1915. Nicht davon spreche ich, daß Spitteier als Dichter ein Geist vom Range Goethes genannt ist. Auch dieses Diederichssche Wort sei unangetastet, — wie alles, was in irgendeinem Sinne monumental ist. Aber daß Goethes Abseitsstehen in den Befreiungsjahren sich heute in Spitteler irgendwie wiederhole: das ist das Wort, dem abermals mit Nachdruck widersprochen werden muß. Denn der einsamste Herr Spitteler ist doch Wohl nicht »abseits« geblieben! Er hat seine Stimme erhoben Wider deutsche Art! Und das hat die Männer verletzt, die Eugen Die- derichs belehren will und gegen die er schweizerische Brief- und Pressestimmeu anführt, um in der hier aufgerollten deutsch-natio nalen Frage seinen Meinungen und Belehrungsversuchen eine stärkere Klangfülle zu geben! »Deutsch sein heißt...« Wir kennen diese Definitionen nun allmählich. Deutsch sein heißt auch bieder sein in seinem Empfin den: schlicht-vornehm; selbstverständlich vornehm. Nicht im Sinne irgendwelcher Verse des »Olympischen Frühlings«, son dern einfach im Sinne des »anständigen Menschen«. — Wir sol len billigerweise nicht Anstoß nehmen an dem Loslassen der Fremdvölker auf die Deutschen, am Hetzen der gelben Kultur gegen die Weiße — und der Unkultur Wider die Kultur, sagt Spit teler, der Mensch von der höchst vornehmen Gesinnung. Was dem älteren Pitt das Blut in flammender Empörung heiß ge macht, was ihn gestachelt hat, dem eigenen Volke seine Schande entgegenzuschleudern, das ist für den ebenso neutral wie vor nehm empfindenden Herrn Carl Spitteler nichts als ein Akt barer Selbstverständlichkeit des Krieges. Wenn es sich um Krieg han delt, so darf, ja mutz man ethisches Fühlen ignorieren; was heißt da Ethik, wo es Krieg gilt? So denkt und spricht und schreibt Carl Spitteler, der große Dichtermensch von Rang und Adel. Er mag es. Wir aber — und hier fühle ich nicht als deutscher Dich ter und als deutscher Verleger, hier fühle ich einfach als Mensch von deutschem Wesen — wollen nirgends mehr als gerade in einem Kriege ein ethisches Begebnis erleben; wir wollen auch wo wir gar nicht selbst beteiligt sind, wollen wir das — ein zig den Sieg des moralisch Starken über das moralisch Schwä chere sehen. Wir wollen den Krieg als ehrliches Duell. Denkbar ist es wohl, daß die schlechte Masse die bessere Minorität zu Tode knüppelt, gerade in kriegerischen Fällen denkbar. Ein solches Erleb nis aber würde auch als Schauspiel dem unbeteiligten Deut schen Wider das Empfinden gehen. Es lebt ein Weltgewissen in uns Deutschen; das weist uns in allen Kampfeshändeln unsere Stellung zu. Wenn aber in diesem Kampf — in diesem unerhörten weltgeschichtlichen Ereignis der Jahre 1914/1915, in diesem Ringen um Sein oder Nichtsein des deutschen Geistes! — ein Mann sich hundeschnäuzig kalt von unserer Seite drückt, so mag er in deutscher Sprache gereimelt und geredet haben, was es sei: germanisch ist er in Fühlen und Streben nie gewesen — und wer ihn je dafür gehalten hat, der kann nicht anders als enttäuscht sein oder empört oder erbittert, er kann bei Strafe des Verlustes seiner inneren Ganzheit und Ungebrochenheit es nicht versuchen, dem Spittelerschen Tun irgendwelche kosmopolitische Rechtfertigung zu ersinnen. Deutsch sein heißt Weite haben, ja: nicht und niemals aber Weitherzigkeit in Fragen der natio nalen Würde. III. Der Fall Spitteler liegt völlig eigenartig. Man kann die Er klärungen der Maeterlinck, d'Annunzio, Wells in keiner Weise ihm zur Seite stellen. Wer könnte den Haß der Romanen auf deutsche Art in diesen Zeiten nicht verstehen? Wem könnte des Engländers nervöse Wut erstaunlich sein? Wir haben uns um diese Expektorationen nicht zu scheren. Auf künstlerischem Gebiet bleibt jeder der Genannten ein Talent, stark genug in seiner Art, um Beachtung zu verdienen. Wenn deutsche Männer zurzeit sich nicht gestimmt fühlen, an dÄnnunzios unbestreitbarer Stilkunst sich zu erfreuen, — dieser, weil allzu viel des Störenden jetzt mitschwingt; jener, weil ihn nach reinerem künstlerischen Genuß verlangt, als der seelisch unreine Italiener zu bieten vermag; der dritte, Werl er in dieser Zeit nur da sich gepackt und geläutert fühlen kann, wo Deutsch-Verwandtes ihm entgegenschlägt —, so braucht kein deutscher Mann sich darum von der kühlen Frau Ricarda Huch beschämt zu fühlen. Nicht jedem ist es gegeben, in 3V4 Tagen stärkster vaterländischer Bewegtheit jene ästhetische Kühle zu bewahren, die der blutarmen Dichterin Ricarda Huch neben ihrem vielgeschätzten stilistischen Gleichmaß auch ihre unzerstör bare Langweiligkeit bis an das Ende dieses Krieges, ja bis ans Ende ihres Schaffens sichern wird. IV. Der Fall Spitteler liegt auch ganz anders als die Sache Hoblers. Der Maler Ferdinand Hobler hat sich in dieser Kriegs zeit schlecht und recht als Einfaltspinsel benommen, der nicht erwägt und bedenkt, bevor er seinen Namen unter ein Schriftstück, eine öffentliche Erklärung, eine Kultururkunde setzt. Er hat sich übereilt — und hat hernach gemeint, mit dem Eingeständnis der Übereilung die Sache auch wieder gut machen zu können. Ganz anders Spitteler. Schon als Dichter ein Mann des Bedenkens und Erwägens, hat er auch dieses Mal, bevor er sich zu offenen politischen Erklärungen und Darlegungen hinstellte, sein Wort bedacht und seine Meinungen logisch zu klären getrach tet. Er hat sich vor jedem Gefühlsüberschwangs sorgsam hüten wollen. So hat er das Drum und Dran des gegenwärtigen Krie ges angesehen und erwogen und besprochen, — aber von dem Wesentlichen dieses deutschen Krieges hat er keine Ahnung be kommen. Und eben dieses zeigt uns, daß der Mann, der in deut- scher Sprache dichtet, in Deutschland feine Bücher verlegen läßt und in Deutschland Sympathie und Zustimmung gefunden hat, völlig undeutschen Geistes ist und daß wenn nicht sein ganzes Ver hältnis zu Deutschland eine Lüge, so doch gewiß seiner deutschen Bewunderer Verhältnis zu ihm ein Irrtum war. Wir erleben jetzt in Amerika eine Zerklüftung des Volksgan zen nach seiner Stammesherkunft, nach den alten Sympathien des Blutes. Auch die schweizerische Bevölkerung ist von zwei facher Stammesmischung, ist teils germanisch und teils roma nisch; und wir verstehen durchaus, daß ein Auseinandersallen der Volksstimmung den Verantwortlichen leitenden Politikern der Schweiz nicht lieb sein kann (auch das italienische Beispiel schreckt). Weniger verstehen manche, daß der deutsch-schweizerische Dichter — der große Einsame! — nun zum politischen Redner wird (obwohl es psychologisch vielleicht nicht unverständlich ist, daß der Mann, der als Dichter sich ausgegeben, nun eine andere Art des Verkehrs mit der Menge sucht: Denn wäre Spitteler ein vornehm-einsamer Dichtergeist jemals gewesen, so hätte er bei Erscheinen seines »Olympischen Frühlings« nicht einen Werbe vortrag über sein Werk mit angefügter Vorlesung einzelner Ab schnitte der Dichtung veranstalten mögen. Er hat von je nach Fühlung mit dem zeitgenössischen Publikum gestrebt — der goethegleiche Kunstwart-Mitarbeiter). Nicht nur befremdet, sondern geradezu verletzt und empört hat aber der undeutsche Geist des angeblich neutralen Vortrags. Kann man in diesem Kriege Neutralität in deutschem Geiste üben? Ich behaupte: ja! Man kann einfach abseits bleiben von politi schen Dingen, in die man politisch nicht hineinzugeraten wünscht. Man kann vielleicht — vielleicht! auch seine Syinpathien und Anti pathien zwischen hüben und drüben wägen — obgleich es ein gefährliches Spiel mit dem Begriff der Neutralität bedeutet. Das Abseitsbleiben hat Spitteler predigen wollen — in jenes gefähr liche Spiel des Wägens seiner Sympathien ist er unfehlbar hinein geraten, da er ans Diskutieren ging ( Salandra läßt sich auf öf fentliche Diskussionen nicht ein, doch Spitteler hat ja auch nur politisch dilettiert), und offenbar gemacht hat er dabei seine anti deutschen Sympathien und hat damit zugleich den völlig ungcr- manischen Grund seines Wesens aufgedeckt. Das Peinliche, Unreine liegt nun in der Erkenntnis, daß ein Mann, der in deutscher Zunge ein »Weltanschauungsepos« ge dichtet und durch einen deutschen Verleger es deutschen Lesern hat übermitteln lassen, als undeutsch in seinem Fühlen sich ent hüllt hat. Ich habe hier die Frage nicht zu prüfen, wie weit in seinem Lebenswerk ein Spielen waltet; — aber mit der Wirkung sei nes Schaffens h a t Spitteler offensichtlich bewußt gespielt, wenn er sich zu einer politischen Rede mit antideutschem Einschlag aus freiem Antrieb dahinstellte, offen erklärend, es sei ihm Wohl be wußt, daß er mit einer einzigen Zeile, mit einem mannhaften, wahrhaften Ausspruch seinen guten Ruf in Deutschland verwir-
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