Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 07.06.1921
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1921-06-07
- Erscheinungsdatum
- 07.06.1921
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19210607
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192106072
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19210607
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1921
- Monat1921-06
- Tag1921-06-07
- Monat1921-06
- Jahr1921
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Redaktioneller Teil. 130, 7. Juni 1921. Jahrzehntelang hatten das -Cafö Kaiserhof« und das »Cafe Schiller« am Gensdarmenmarkt die Künstlerschaft Berlins be herbergt, da siel endlich — man schrieb das Jahr 1893 — »draußen« an der Ecke des Kurfürstendamms und der Joachims- talerstratze »der alte Bauzaun«, und dahinter tauchte in einem Neubau »mit allem Komfort« das »kleine Cafö« aus, das erste im Stadtteil Reu-Berlin. Es erregte Aufsehen und fand wegen seines Mutes, sich zwischen Sand, Steppe und Rohbauten niederzulassen, die Beachtung von ein paar Künstlern, die da irgendwo herum ihre Ateliers hatien. Sie kehrten ein, fanden alles gut und nett, nahmen sich den ersten Tisch links vom Ein gang und wurden »Stamm«. Fritz Stahl, die Gebrüder Haus mann und Maximilian Bern waren die Führer, Oskar Kruse schloß sich bald an, ihm folgten John Henry Makay, Lothar Schmidt mit ihrem Anhang. Schnell sprach sich die neue Ent deckung in immer weitere Kreise herum, und es dauerte keine drei Jahre, da war der Ruf des »Cafe des Westens« gesichert, der literarische Verkehr in den Stadtcafös bröckelte zu ihm ab. Frank Wedekind und Felix Holländer kamen, Roda Roda und Karl Rößler, Erich Mühsam, die Brüder Hart, Ernst von Wolzogen und mit ihm die vom »Überbrettl«, dessen Geburt in die Nacht stunden dieses Cafes fiel: Bradskh, Oskar Straus, d'Estree, Olga Wohlbrllck, Hanns Heinz Ewers. Auch Marcel Salzer, der damals noch nicht den Professorlitel hatte, erschien hier zu einer Schale Haut. Bald schlossen sich die »richtigen« Schau spieler an; Reinhardt Kayßler, Zickel, Rickelt, Robert, Schmieden, Brahm, Meinhardt und Vallentin sind unter ihnen besonders zu nennen. Hier wurde die Schall und Rauch-Bühne erdacht, durch die Max Reinhardts Regietalent entdeckt wurde. Alle waren sie noch Kämpfer, die sich damals in dem kleinen Casö zusammen fanden. Es war nur selbstverständlich, daß das frische Drauf gängertum dieser Kreise auch bald die Bohöme anlockte. Ein Stammtisch nach dem andern wurde gegründet, und an jedem herrschten andere Weltidcen, andere Anschauungen und andere Kampfmethoden. Die Boheme saß und räkelte sich an den Mar mortischen vom Frühnachmittag bis zur Spätnacht, machte eine schwindelnd hohe Zeche von 55 Pfennigen insgesamt, schimpfte über Welt und Sein und bemalte die Tischplatten. »Die Gehirn- blitze aber zerflogen in das Nichts und zuckten krampfhaft im Weltall auf, die Karikaturen jedoch verbot der Wirt den Kellnern wegzuradieren, und er ließ schnell Glasplatten darüber schrauben. Zum ewigen Andenken, damit er für seine vielen nicht bezahlten Schokoladenkeks doch wenigstens etwas hätte-, sagt Edmund Edel. Die Zeit der Bohöme brachte dem Cafe den Beinamen »Größenwahn«. Alles, was in der Literatur neu- »tönte» und neuschaffte, fand hier seinen Kreis und Niederschlag, der freilich meist so schnell vorüberrauschte wie ein plötzlicher Ge witterregen. Nur die Kreise um den »Sturm« und um die »Aktion« haben wirkliche Werte zu schaffen vermocht. Als 1913/14 der Prunkbau eines neuen »Cafö des Westens« eröffnet wurde, weil das alte Kaffeehaus zu klein geworden sei, zog die Boheme nicht mit; zwischen Marmor und Reichtum fühlte sie sich nicht wohl. Sie erreichte, daß das alte Cafö bis 1915 noch bestehen bleiben sollte; der Krieg verlängerte die Karenzzeit, nun ist sie abgelaufen ... die Boheme wird aus ihrem Tempel getrieben. Vor der Strafkammer des Landgerichts II fand vor einiger Zeit der erste Dadaistenprozetz statt. Der »Oberdada» Baader, der Kunsthändler vr. pbll. Burchard und die Kunstmaler Groß und Schlichter hatten sich wegen Beleidigung der Reichs wehr zu verantworten, die in bestimmten Ausstellungsgegen ständen der »Ersten Internationalen Dadamesse« gefunden war. Der »Oberdada« hielt eine dadaistisch-jurtstische Rede, in der er u. a. erklärte, daß der Dadaismus außerordentlich schwer zu er fassen sei. Der Titel »Oberdada« habe lediglich Reklamewert, und der Zweck des Dadaismus sei, mit höchster Elastizität kulturell schädlichen »Sedimentsbildungen« entgegenzuwirken; die auf der Ausstellung gezeigten Darstellungen seien lediglich humoristisch gemeint gewesen. Der als Zeuge vernommene Schriftsteller Stefan Grotzmann brachte diesen Gedanken noch schärfer zum Ausdruck, 778 indem er sagte, daß er beim Besuch der Messe von vornherein Gelegenheit zum Gelächter erwartet habe. Als Sachverständiger äußerte sich der Direttor der städtischen Sammlungen vr. Paul Schmidt über dasWesendesDadaismus. Er führte aus, daß es unmöglich sei, den Dadaismus zu definieren, er sei die Re aktion gegen alle unerfreulichen Zeiterscheinungen, als deren Be- kämpfungsmittel der Dadaismus Humor und Satire verwende. Der Dadaismus mache sich auch über sich selbst lustig, er bekämpfe nicht den einzelnen Menschen, sondern stets irgendeinen » ismus«. Die Verhandlung endete mit der Verurteilung des Kunstmalers Groß und des Inhabers des Malik-Verlags, Herz- seld, zu geringen Geldstrafen. Die Buchhandlung Struppe L Winckler hat im Winterhalb jahr eine geschlossene Reihe von Autorenabenden veran staltet und damit einen großen Erfolg gehabt. Bemerkenswert ist, daß zur Durchführung dieser Autorenabende ein besonderer Ehrenausschutz eingesetzt wurde, dem Ludwig Fulda, Hanns .Heinz Ewers, Thomas Mann, Rudolf Presber, Felix Philipp!, Rudolf Herzog und Edgar Hildesheimer angehören. Zweck der Autorenabende, die auch im nächsten Winterhalbjahr fortgesetzt werden sollen, ist die »Pflege der vornehmen Kammerkunst auf literarischem Gebiete«; ohne von der Mode beeinflußt zu sein oder irgendeine Richtung zu unterstützen, soll das Gesamtbild des Pro gramms so gestaltet weiden, daß sich in den markantesten Linien der geistige Gehalt der Gegenwart präsentiert. Vor einer kleinen Zuhörerschar, soweit sie gerade der obere Raum der Buchhandlung fassen konnte, lasRudolfPresber hier am 29. April Ernstes und Heiteres aus eigenen Werken. Man tut Presber unrecht, wenn man in ihm einen bedingungs losen Federführer der leichten Muse steht; Wohl hat er beruflich manches bedeutungslose Gelegenheitsgedicht geschrieben, wo aber der Dichter Presber einsetzte, gelangen ihm Werke von Tiefe und Bedeutung. So trug er im ersten Teile dieses Abends sein er greifendes Gedicht »Deutschland« vor, das einen sehr tiefen Ein druck hinterließ; auch das symbolische Gedicht »Mein Schädel ist eine beachtenswerte Leistung. Zum heiteren Teil leitete Presber durch Spruchdtchtungen über, die durch geschickte Jdeen- verbindungen scharf und treffend ernste und heitere Weisheits lehren boten. Im heiteren Teile zeigte sich Presber als ein Dichter voll seiner Ironie »nd Satire, manch Hieb und Stich fiel für die neue Zeit ab. Das Publikum zollte reichen Beifall. Am 6. und damit letzten Autorenabend dieses Winters las Alexander Mosz- kowski. Auch die Buchhandlung Al brecht Blau hatte mir eine Einladung zu einem Autorenabend geschickt; leider konnte ich dieser nicht Folge leisten. Hier las Max Kahlenberg am Vorabend von William Shakespeares Geburtstag des Dichters Erstlingswerk »Venus und Adonis« in seiner Verdeutschung aus dem Manuskript. In einem Privathause las kürzlich vor einem kleinen ge ladenen Zuhörerkretse ein bisher unbekannter junger Dichter I. H. Roßdachec aus seinem Zyklus »Die Erlösung von Gott - nach dem Manuskript. Der Einundzwangjährige überraschte durch die Formenfchönheit und den tiefen philosophischen In halt seiner Prosavcrse. Man wird sich diesen Dichter, der viel verspricht, merken müssen. In einer öffentlichen Versammlung des Schutz verbandes deutscher Schrift st eller, die am 7. Mai im Herrenhause veranstaltet wurde, griff der Geschäftsführer des Verbandes, Hans Kyser, den Buchhandel, insbesondere den Bör senverein der Deutschen Buchhändler in heftiger Weise an, weil dieser seiner Meinung nach den deutschen Schriftsteller heute um seinen Verdienst bringe und die geringen Erwerbsquellen des gei stigen Arbeiters jetzt magerer fließen ließe als je zuvor. Der Vorschlag einer Interessengemeinschaft, die den Schriftstellern Anteil an den Beratungen der Verleger verschaffe, sei nicht einmal in Leipzig zur Sprache gekommen. Zu derselben Zeit, in der man den Gewinnanteil des Sortiments erhöhte, habe man den
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder