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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.10.1930
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- 1930-10-21
- Erscheinungsdatum
- 21.10.1930
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in der uns erhaltenen deutschen Handschrift sagt, zur Belustigung und zur Warnung für die Studenten bestimmt. Während dieses erste Fanstbuch früher allgemein als eine Kodifikation der über Faust umlaufenden Sagen galt, wissen wir nun, daß wir in ihm einen bewußt gestalteten Roman, die erste Faustdichtung im eigentlichen Sinne zu erblicken haben. Uns möge, so führte der Vortragende weiter aus, das Spiessche Faustbuch heute zum größten Teil herzlich langweilig erscheinen, wie sehr es aber dem Bedürfnis der Zeitgenossen entgegenkam, Zeige der ungeheure Erfolg, den es hatte. Ein Buchhändler in Braun- schwcig schrieb 1587, die von ihm bestellten 50 Stück seien ihm aus den Händen gerissen worden und er habe der Nachfrage damit noch längst nicht genügen können. Noch im Erscheinungsjahre wurde das Buch mehrfach nachgedruckt, und in einem Zeitraum von 10 Jahren sind der ersten Ausgabe mindestens 14 gefolgt. Daneben erschienen Bearbeitungen in Versen und in plattdeutscher Mundart, in einem oft nachgedrucktcn »Andern Teil v. Johann Fausti Historien« wurde Teusclspakt, Leben und »schreckliches Ende« von Fausts Famulus Christopherus Wagner erzählt. Den Anteil des Auslandes beweisen Übersetzungen des Spiesschen Buches ins Dänische, Französische, Englische und Niederländische. Ziehe man in Betracht, wie klein damals die Volkszahl und wie beschränkt noch die Kunst des Lesens gewesen sei, so werde man sagen müssen, daß nur wenige Bücher der Weltliteratur sich eines so starken Erfolges haben rühmen dürfen, wie er dem Spiesschen Fanstbuch beschicken gewesen sei. Die ganze Lebensgeschichte Fausts ist in dem Spiesschen Buche, bis auf Abenteuer und Schwänke nach gedruckten Quellen und umlaufenden Sagen, erdichtet. Zwar ist unverkennbar das Bestreben des Ver fassers, Faust auf eine höhere Stufe zu stellen, im ganzen aber ist sein Faust doch ein jämmerlicher Gesell, der als elender Feigling stirbt. Vertieft, idealisiert wurde die Gestalt durch fünf in einem Nachdruck von 1589 eingcschobcne Kapitel, die Faust als Humanisten vorführen. Der Hohenloheschc Rat Widmann verballhornt das Spiessche Buch in seiner Ausgabe von 1599 und läßt Faust zum einfachen Wüstling herabsinken. 75 Jahre später wurde es von dem Nürnberger Arzt Nikolaus Pfitzer neubcarbeitct, ohne daß aber das geistige Niveau Fausts erhöht wurde. Das zuerst 1674 erschienene Buch wurde wie einst das Spiessche mit lebhaftem Anteil ausge nommen, wie es denn charakteristisch ist, daß der Fanststoff, so oft er nach längerer Panse neu dargeboten wurde, seine alte Anziehungs kraft bewies. Bis 1726 wurde Pfitzers Werk siebenmal neu gedruckt. Faust wäre wohl als volkstümliche Gestalt langsam verschwunden, wäre er dem Volke nicht durch das Schauspiel vertraut geblieben. Bald nach 1588 schreibt Christopher Marlowe, der geniale Vor läufer Shakespeares, sein Faustdrama, in dem er den Helden zu menschlicher Größe erhebt. In ihm ist auch der Ursprung des deutschen Volksschauspicls zu sehen, das die Brücke von Marlowe zu Goethe schlug, über die Faustbücher des »Christlich Meynenden« und des Wittenberger Magisters Reumann sinkt das Faustbuch zum Jahr marktsbuch herab. Das Volksschauspiel wird durch das Puppcnspiel verdrängt. Der Vortragende schilderte dann die Entwicklung der Faustgestalt über Gottsched bis zu Lcssing. Ist das Spiessche Faust buch als der kleine Prophet, Marlowe als der große zu bezeichnen, so war Lessing der Johannes, der Wegbereiter Goethes. — Der Vortrag fand lebhaften Beifall. -!- Die Danziger Goethe-Ausstellung ist ebenso eine Ausstellung von Dokumenten aller Art über die wechselseitigen Be ziehungen zwischen Goethe und dem Osten, wie ein Stück Buch handels-Geschichte. Da finden wir Danziger Werke in der Urausgabe, die Goethe rezensiert hat. Da ist ein Plan und die Ge schichte Danzigs von Curicke in den Exemplaren, in denen sich Goethe über Danzig unterrichtet hat. War ihm doch Danzig wäh rend der Belagerung durch die Franzosen gleichsam als politischer Wetterwinkel ein weltpolitisches Barometer! Da sind Werke über die Marienburg, die Goethe in Händen hatte, Erstausgaben be rühmter Zeitgenossen wie Kant und Schopenhauer mit Strichen und Randbemerkungen Goethes, Illustrationen seiner Werke von Chodo- wiecki, Handzeichnungen, Originalbriese usw. Aber wir begegnen auch buchhändlcrischen Persönlichkeiten selbst in der Ausstellung. Gleich unter der ersten Nummer finden wir ein Chodowiecki-Bildnis aus der Sammlung des Verlegers Friedrich Nicolai in Berlin, der bei seinen häufigen Reisen eine ansehnliche Sammlung von Sil houetten zusammengcbracht, darunter auch solche von Goethe und Chodowiecki (Sammlung .Kippenberg). Erwähnt sei, daß auch La- vaters Physiognomischc Fragmente in mehreren Exemplaren ge zeigt werden, die der Katalog mit Recht als den monumentalsten 1012 deutschen Buchdruck des 18. Jahrhunderts bezeichnet. Da finden wir Chodowieckis Tagebuch, eigenhändig für einen Teil des Jahres 1786 geschrieben und in diesen unveröffentlichten Blättern auch eine Notiz vom 4. 7. 1786, in der Chodowiecki den Besuch eines Vertreters von Göschen vermerkt, der mit ihm über sechs Radierungen für eine Goetheausgabe verhandelt hat. Weiter sehen wir ein Bildnis des oben schon erwähnten Friedrich Nicolai aus der Sammlung Kippen- bcrg — ein Schabkunstblatt eines Leipziger Künstlers nach der Por- trätzcichnung von Chodowiecki. Sehr interessant ist ein eigenhändi ger Brief Johanna Schopenhauers an John Simpson in Danzig vom 14. März 1832, in dem sic den Danziger bittet, die Subskription aus ihre sämtlichen Schriften anfzulegen und siir sie zu werben und in dem sich folgende interessante Stelle befindet: »Wie Goethe einst ge- than, öffentlich in den Zeitungen die Welt zu Unterschriften aus fordern, weil jedes Exemplar ihm persönlich Nutzen brächte, das kann ich nun einmal nicht, es ist ein Schritt, der mir unwürdig gutmeinenden Freunden sich in einer schwachen Stunde verleiten ließ.« Aus Goethes Privatbibliothek zeigt die Ausstellung die erste Ausgabe der ersten Schrift Arthur Schopenhauers »Über die vier fache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde«, die größtenteils zu Makulatur wurde, ohne daß Schopenhauer Geld dafür erhielt, weil sie versehentlich zur Konkursmasse der Nudolstädtcr Commis sions-Buchhandlung gezogen wurde. Mit der Königsberger Beamtenfamilie Nicolovins trat Goethe durch verwandtschaftliche Beziehungen in engere Berührung. Fritz Nicolovins war Buchhändler und Kants Verleger. Ihn traf Goethe schon 1800 in Leipzig. In seinem Verlag erschien auch 1795 ein Taschenbuch von I. G. Jacobi und andern Jugendfreunden Goethes, das in der Ausstellung zu sehen ist. Noch viel ließe sich plaudern von interessanten Büchern, von genug von Büchern und Buchhändlern ans der Danziger Veran staltung mitgeteilt, denn ein paar Worte der Würdigung verdient auch die Danziger Gocthewochc selbst noch in diesen Blättern. Auf wie hohem Niveau sic stand, beweist der Ausspruch des Präsidenten der Goethcgesellschast, Universitätsprosessors Petcrscn- Bcrlin, daß Danzig mit seiner Aufhellung der Beziehungen Goethes zum Osten sich den Anspruch erworben habe, in die Reihe der Goethestädte ausgenommen zu werden und daß er die Verleihung der Facius-Medaille, die erst einmal verliehen ist, an den Jnaugurator und Organisator der Danziger Goethcwoche, Senator vr. Strunk und den Leiter der Ausstellung Gcheimrat Volkmann bekanntgcben konnte. Goethe in uns lebendig werden zu lassen, bezeichncte Senator Strunk als den Sinn der Goethcwoche. In diesem Geiste sprach dann auch der 1. Vorsitzende der Schopenhanergesellschaft, Vr. Zint, über Schopenhauers Gocthebild. Für Schopenhauer wurde das Goetheerlcbnis zur Rettung gegen die sclbstzerstörende Konsequenz seines Pessimismus. Der elementare Drang sei in uns allen, an der Anschauung großer menschlicher Gestalten uns selbst zu ent zünden. Wir wollen nicht nur das Historische sehen, soll Goethe ein fortdauernd Lebendiger sein für uns selbst und unsere Zeit. Aber habt Ihr Goethe nicht oft zur Zierpuppe gemacht, zum Schau- und Paradestück, zum Zitatenschatz statt zu dem großen Befruchter und Befreier, der er für Schopenhauer gewesen ist? Gcheimrat Professor Dr. Kühnemann beklagte es in seinem Vortrag über den 2. Teil des Faust als nationales Unglück, daß das alte Vorurteil immer noch nicht weichen wolle, als sei dieser zweite Teil eine unverständliche Dichtung. Das Fanstgedicht deute dem Deutschen auch heute sein höchstes Lebensziel in der Arbeit für ein freies Volk auf freiem Grunde. Universitätsprofessor vr. Petersen würdigte Goethe als Sprachschöpfcr und Hochschulprofessor I)r. Kindermann erklärte in seinem Vortrag über Goethes Menschengestaltung, die Literatur wissenschaft stehe im Begriff, ihre bisher allzu konstruktive Basis durch Einbeziehung der blutvollen Lebensproblematik zu erweitern und proklamierte daher eine literarhistorische Anthropologie als die Forderung von morgen. Der Munifizcnz des Professors Kippenbcrg verdanken die Teil nehmer der Gocthewochc ein Büchlein mit Blättern aus Chodo wieckis Reise nach Danzig. Unter den übrigen Festgaben ist noch ein Faksimile des Berichts des Ratsherrn Schröder vom Jahre 1669 über die Aufführung des Faust auf dem Danziger Dominik besonders hervorzuheben. Friedrich Albert Meyer.
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