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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.02.1931
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- 1931-02-28
- Erscheinungsdatum
- 28.02.1931
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50, 28, Februar 1931, Zum Tag des Buches, Frau und Buch, Börsenblatt s. d. Dtschn Buchhandel. Das kommt aus einem sehr tiefen Grund: die Welt ist für die Frau — auch jetzt noch — niemals ganz so, wie sie sie haben möchte. Das kleine Ladenmädchen, die Austrägerin der Hüte aus dem feinen Salon, die Sekretärin, die ihre ganze Kraft dem Chef zur Verfügung stellen muß, der sie nicht immer so reizend findet, wie sie sich selbst, brauchen als Korrelat zur Ergänzung des All tags das Unterhaltungsbuch, Das Himmelblau und Rosa der Seele, das diese notwendig hat, um den Alltag ertragen zu kön nen, Denn die Frau, mag sie Sport treiben, ganz allein nach Afrika fliegen, den Ozean überschwimmen, Rekorde brechen, Ma schinen konstruieren, bleibt eine Romantikerin, Dabei aber wird man finden, daß sie, von dieser reinen »Wunscherfllllungsliteratur» abgesehen, wenn man sie so nennen kann, ein sehr feines Gefühl für das Echte und vor allem für das »Wahre» in der Kunst hat. Sie wird sich von einem außerordent lichen Techniker und Romancier, der durch die Wucht seiner Stoffe, durch den Schwung seines Vortrags Männer mitreißt, oft weniger fesseln lassen als der Mann, weil sie fühlt, daß dieser große und geschickte Autor irgendwo verlogen ist. Sie wird ein spannendes Buch heute genau so lesen, genau so brauchen, wie es der arbeitende Mann zur Entspannung tut — aber es gibt eine ganze Reihe von Autoren, deren Ausstieg nicht möglich gewesen wäre ohne die Frau, die sie übers Wasser gehalten hat, bis auch das weniger intuitive Geschlecht begriff. Die Frau hat sich jahrhundertelang immer vom Mann lite rarisch gespiegelt gesehen. Sie hat sich aber trotzdem immer als Frau gelesen, und wenn man die Jahrhunderte der Literatur geschichte verfolgt, merkt man ganz genau, was die Frau gerne liest und was für die Frau geschrieben ist. Nicht, daß es in Kriegs zeiten darauf ankam, was die Frau bevorzugte, gewiß nicht. Ein Grimmelshausen schrieb seinen Simplicius Simplicissimus eben !o wenig für Frauen wie Remarque und Renn ihre Männer bücher für Frauen geschrieben haben, die sie trotzdem mit zittern dem Herzen lesen und lesen müssen. Aber wer, glaubt ihr, hat zuerst den Weither geliebt, als ihn Männer noch schwülstig, ab seitig und allzu sentimental fanden? — ich gehe jede Wette ein, daß es Frauen waren. Was will also die Frau als Leserin vom Buch? Sie will Gefühl, und zwar echtes, vielleicht weniger stark aufbrausendes, aber langsam und stetig brennendes, wie sie es auch vom Manne verlangt und so selten bekommt. Sie will überhaupt viel vom Buch, was sie vom Mann nicht erhält; dauernde Bereitschaft, Jmmerdasein, stets auf sie Warten, Es interessieren sie die klei nen Schicksale, die, wenn sie echt sind, alles Große enthalten, wie der Teich den Himmel spiegelt, Bekenntnisbücher, die überhaupt leicht von Frauen geschrieben werden, werden auch gerne von Frauen gelesen, Memoiren interessieren heute den Mann wie die Frau, weil wir wissen wollen, »wie es gewesen ist», für die ge wesen, die dabei waren, Liebesgeschichten, ja natürlich Liebes geschichten, welche Frau will nicht Liebesgeschichten hören, im Leben, in der Kunst? Aber es ist — unnötig das zu sagen — eine neue Entwicklung darin. Man kann sagen, daß die Dinge nicht männlicher und nicht weiblicher, sondern menschlicher geworden sind. Zum Teil schreibt sie ja heute selbst, was sie braucht und haben will, und Bücher von Frauen geschrieben, von Frauen ge liebt und gelesen, sind natürlich die aufschlußreichsten. Aus allen Teilen der Welt sprechen jetzt Frauen zu uns, werden von Frauen und Männern gelesen, gehört und verstanden. Sie belichten Frauenprobleme — und das ist ihr Recht — von einer andern Seite wie der Mann, Ob es die Stimme der Kollontai ist, die aus Rußland tönt, die wunderbare der Colette aus Frankreich, ob Ina Seidel spricht, um nur ein paar Namen zu nennen — sie reden für die heutige zu der heutigen Frau, selbst wenn sie scheinbar historische Themen haben. Kann das der Männerliteratur Eintrag tun? Ich glaube nicht. Es wird eher eine Bereicherung sein, weil das wirklich Gute — und auf die Dauer bleibt nur das bestehen — einander stützt und fördert. Es ist eine Erziehung der Frau, die sich in der Literatur vollzieht, 182 Im übrigen hat man wohl von jeher bei der Frau erfahren können, nicht nur, was sich ziemt, sondern auch, was man liest. Wenn auch nicht viel Sympathie für das »gelahrte Frauen zimmer» bestanden hat, und sich die Satire ebenso gegen die ?röeisuses riäiculss gewandt hat wie später in den »Fliegenden« gegen den Blaustrumpf, der ein so billiges Witzblatthema war wie die Schwiegermutter, die jetzt auch langsam ein Mensch wird. Die Männer wollten zwar zu Zeiten sehr gerne, daß die Frauen was wußten: Nur merken lassen durften sie sich's nicht. Aber vielleicht ist dies der eigentliche Aufschwung unserer Zeit, daß wir es jetzt merken lassen dürfen? Dabei hat die Frau, gerade weil man sie frei gelassen hat, ihre natürliche Note gefunden, und diese natürliche Note kommt ihr auch in der Literatur zugute. Wie zuerst die Frauen, als im zweiten Teil des 19, Jahrhunderts die neue große Welle der schreibenden Frauen begann, unter männlichen Pseudonymen auftraten, getarnt, wie man das heute nennen würde — das war ein Akt der Notwehr, der Mimikry, Heute braucht kein Herr von Ebner mehr anzufangen, kann die Ebner-Eschcnbach gleich die Ebner-Eschenbach sein. Dabei gibt es natürlich männliche Frauen mit männlicher Haltung und Geste — das ist aber Sache ihrer Natur und nicht mehr Wille zur Verkleidung, Kurzum, die Frau braucht das Buch und das Buch braucht die Frau, In einer Gesellschaft wurde kürzlich darüber dispu tiert, wie lange man sich verlieben könne, — -»Meine Mutter», erzählte eine Dichterin, »ist achtzig Jahre alt. Aber sie verliebt sich noch in jeden Helden jedes Buches, das sie liest,» Was würde diese Achtzigjährige machen, wenn es keine Bücher und keine Helden mehr gäbe? Or, Annie Iacker, Wünsche und Ratschläge der Frauen an den Buchhandel. Erna Corte: Die Wünsche der Frauen an den Buchhandel dürften in der Hauptsache dahingehen, daß sie sehr energisch bitten, das Thema des diesjährigen Tages des Buches »Frau und Buch» möge — wie es im Aufruf zum Ausdruck gebracht wurde — verstanden werden, nämlich in dem Sinne: die Frau als Mittlerin zum guten Buch, Es besteht sicherlich die Gefahr, daß man ihm einen anderen Sinn unterschiebt, als ob es nämlich aus die Herausstellung des Frauenbuches ankäme, und zwar desjenigen, das auf die weibliche Psyche und die weibliche Interessensphäre Rücksicht nimmt. Wir sehen es als eine der größten Errungen schaften unserer Zeit an, daß die Grundfragen der Wissenschaft und der Kultur heute nicht mehr nur in solchen Bearbeitungen an die weibliche Leserschast herangebracht werden dürfen, die mit dem Untertitel »Eine Darstellung für unsere Frauen und unsere Töchter» versehen sind. Wir wissen aber, daß es noch genug Literaturprodukte gibt — vermutlich auch immer geben wird —, die mit oder ohne diesen Untertitel sich auf der glei chen geistigen Höhenlage bewegen, — Und wir wissen auch, daß noch in weiten Kreisen eine etwas romantische Ansicht über die literarischen Neigungen der Frauen besteht, die zuweilen wohl auch vom Buchhandel teils aus Galanterie, teils aus Unkennt nis etwas gepflegt wird. Das gilt selbstverständlich nicht für die prominenten Vertretungen des Buchhandels, Aber man komme nur als Frau in einen kleineren Buchladen und wende sich zudem noch an einen jungen Herrn, und man wird mit Sicherheit feststellen können, daß er ausgewählte Frauenbücher für nahezu alle Gebiete der Literatur ohne besondere Einstel lung auf die Kundin, die er vor sich hat, angibt. Es soll selbstverständlich nicht bestritten werden, daß es bestimmte Gebiete in der Literatur gibt, die für die Frauen von besonderem bzw, von nahezu alleinigem Interesse sind, wie z, B, Familienpädagogik oder Technik im Haushalt, Gerade die frühere Einstellung auf das Frauenbuch hat aber auch auf die sen Gebieten eine Qualitätsliteratur nicht gefördert. Es soll des weiteren nicht bestritten werden, daß die Aus wahl nach der oben beanstandeten Weise sehr häufig aus Gegen-
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