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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 27.10.1931
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- 1931-10-27
- Erscheinungsdatum
- 27.10.1931
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6016 X- 250, 27. Oktober 1931. Fertige Bücher. BSr,-nbI->« I. d.D,schn.»E»i,r-I. Das erste Urteil der Presse! Deutsche Allgemeine Zeitung vom 44. Oktober 4934: Die „Vanadis" der Isolde Kmrz Von Lürries, v. Altii»vlil»«n8ei» Isolde Kurz: Vanadis. Der Schicksalsweg einer Frau. (Tübingen, Rainer Wunderlich.) J-st das nicht fabelhaft: da setzt sich diese 78jährige Isolde Kurz hin und schreibt einen biographischen Roman, der nicht nur in seiner Art das beste aller ihrer Bücher ist (und wahrhaftig, cs waren köstliche darunter!), sondern der gleichzeitig auch fast alle anderen biographischen und anderen Romane der letzten Jahre einfach über den Haufen rennt! Ich bin gern zaghaft im Tadel, wenn ich nur auch herzhaft im Lob sein darf, und so will ich es hier tollkühn yinschreiben: Diese Lebcnsschildcrung der Vanadis steht tatsächlich neben Goethes Wilhelm Meister. Ich Hab das Buch voll tiefer Entzückungen gelesen und bin sicher, daß alle mir Danken werden, die auf mein Urteil hin es in die Hand nehmen. Im Gegensatz zum Roman, dessen Handlung immer etwas ringförmig Geschmiedetes hat, wächst eine Lebens- schilderung (die in wesentlichen Teilen eine Schilderung des eigenen Lebens ist) bandförmig wie ein Schilfblatt: Der Blattiknotcn des Entsprungs ist -da, und die fein aus- gezogene Spitze auch, und diese wächst folgesicher und edel- gewollt aus jenem. Aber cs ist nicht nötig, daß Ver sprechungen des Eingangs am Schlüsse erfüllt. Bindungen gelöst. Unverbundenes, das rusammengehört, auch zu sammengebunden. Schuld gesühnt, Edeltat belohnt wird. So haben wir auch in diesem, darf ich sagen: geformten Leben der greisen Dichterin durchaus ein Gewachsenes vor uns. Vanadis („Wg/neugöttin") ist dre Tochter des Pro fessors für nordisches Schrifttum Folkwang und wächst mit einer großen Schar von Geschwistern und Freunden in seliger Kindheit auf. Aehnlich wie das „Wunschkind" Ina Seidels hat sic die magische Eigenschaft, fast alle Menschen aufs höchste zu eutzückeu und dabei nnschuldig- schuldig am Untergänge so vieler zu sein. So ist sie wie jene Schicksal in doppelter Gestalt. Sie führt als Kind ihren alten Freund Baron Solmar auf den Boden, zeigt ihm seines Adoptivsohnes Roderich heimlich geschaffene Gemälde, und ermöglicht diesem so das Kunststudium — aber sie ist es auch, die später den Jüngling in wüste Irr jahre hineintreibt. Ihr schwachsinniger Großvater ver unglückt, als er die Zehnjährige im kindischen Brautstaat sehen will. Ihren Freund und Lehrer trifft der Tod auf dem Wege zu ihr. Ihr Nein an einen rohen Bewerber führt ihre ganze Familie zum Verlust der geliebten alten Heimat. Sie liebt abgöttisch ein Pferdchen, aber sie selber schießt es toi, so wie sie als Kind — ein wundervoll wunderlicher Vorgang! -- ihre Lieblrngspuppe in die Flammen wirft. Sie rettet ihren geistesgestörten Pater im Hochwasser, aber später in der Anstalt fällt er in eine seltsame widernatürliche Liebe zu ihr. — vielleicht ist schon sein vorheriger Selbstmordversuch eine Folge dieser Liebe. Ihr Bruder stirbt den Freitod, ihre Schwester^ an einem Lungenleidcn. — beider Tod ist mystisch in ihr eigenes Leben verwoben. Sic rettet die Ehre ihres Jugendfreundes Oskar und verliert damit selber den einzigen Mann, an dessen Seite ihr ein echtes Frauenglück beschieden wäre. Sie. die Kinderlose, liebr zärtlich den Sohn ihrer Freundin, und er verunglückt, als sie ihn von sich und ihrem Ge liebten fortschickt. Und endlich wird eine aufgcfangene und falsch verstandene Drahtung die Ursache vom völligen Zusammenbruch ihres Mannes. Diese Aufzählung schon zeigl die durchaus tragische Grundstimmung des Werkes, zeigt wie die Heldin bald als Kassandra nicht geglaubte Weissagungen in sich trägt, bald als Elisabeth nicht erlaubte Empfindungen in ihrem Stiefsohne aufflammen läßt. Dies Don-Carlos-Motiv ist in prachtvoller Kraft geschildert. Der wilde Roderich. der als Junge die fast engelhafte Gespielin peinigt, der dann zum genialen Maler erwächst, der um ihretwillen in wüsten Jahren die Welt durchstürmt, der schließlich als kranker Schiffbrüchiger des Lebens in den Palast des reichen Vaters nach Florenz und in die Pflege der jugendlichen Stiefmutter kommt, ist eine glänzend. — nicht erdachte, nein: gedichtet, d. h. in echtester Lebenswahrheit geschaffene Erscheinung. Vanadis wird schuldig mit ihm, aber in einer Weise, die tatsächlich eine tragische, unschuldige Schuld bedeutet. Sie büßt mit Entsagung und Tod. Neben und gegen ihn steht die merkwürdige Gestalt des reichen Barons Solmar. eines buddhistisch-reinen edclcn Freundes des Professors Folkwang. Vor langen Zeiten ist er vorübergehend in die Arme einer Zirkus- Schönen gefallen und yat deren Sohn aus Feigheit vor öffentlichem Aussehen als eigen anerkannt, obgleich er wie alle weiß, daß dies eine rechtlich unberechtigte, menschlich widernatürliche Kmdesannahme war. Nun wächst das wilde geniale Reis geil und stürmisch neben dem edelen Stamme auf, Verwirrung und Leid, unsagbare Schmerzen, unsägliche Seligkeiten verstreuend. Roderich ist nicht SolmarS Sohn, so wie Vanadis nicht die „Frau" des wohl 30 Jahre älteren Freundes ihres Vaters und ihrer Kindheit ist, Solmars Kunstkennerschaft ist trotz alles Mäzenatenturys nich^ echt, da er einen oberflächlichen italienischen Andenkenbildhauer dem „Sohne" vorzieht, sowie sein Buddhismus in der Sterbestunde nicht vor hält. Der Baron hat aber trotz des vierfachen Sprunges im Edelstein seines kostbaren Lebens doch diesem Stein einen wundervollen Schliff und viele glänzende Flächen gegeben. Er ist wie der gütige Gott aus der Maschine, der (vor allem!) für das Kind, dann die Jungfrau, dann die Frau Vanadis Vater und Liebhaber und brüderlicher Ehemann, Beschützer und Ratgeber und Grundleger ihres Lebens wird. Man kann gewisse Vorgänge des Buches nicht ver gessen, sie wirken stark wie eigene Erlebnisse. Vanadis steht mit Roderich vor einem Gemälde, und im Anschaucn dieses wird 'hnen ihre Liebe so grauenvoll-herrlich klar, wie Paolo und Francesca im Lesen eines Buches plötzlich stocken und sich in die Arme sinken. Auch Vanadis kann dantesch klagen: Ein Kuppler war das Buch und der es schuf! — An jenem Tage lasen wir nicht weiter . . . Oder wie Vanadis als zehnjähriges Kind einen Scherz so kindisch-tragisch mißversteht, saß sie feierlich in langem Brautschleier ns Zimmer kommt, um sich mit dem vierzig jährigen Barvn Solmar zu verloben. Oder wie die uralte Großmutter an ihrem Sterbetage sich noch einmal groß anzieht und in feierlicher Hof-Verbeugung von ihrem Spiegelbild Abschied nimmt. Bunt ist dies Buch, sehr bunt, fast so bunt wie das Leben! Das muß denen gesagt werden, die aus lauter Kunstschmeckerei nur noch Silberstiftzeichnungen oder blasse Sepiabilder dieses Lebens ertragen. Isolde Kur; durste so bunt schaffen, weil sie den Goldgrund echter Menschenkenntnis und tiefer Lebensweisheit hinter Ge stalten und Geschehnisse malte.
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