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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.05.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1934-05-24
- Erscheinungsdatum
- 24.05.1934
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- Deutsch
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118, 24. Mai 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. b.Dtschn. Buchhandel. seiner bescheidenen Zurückhaltung und in seiner einfach-natürlichen und anspruchslosen Lebensführung nicht, in den Vordergrund zu treten. Aber in seiner sprudelnden Urwüchsigkeit, dem starken Drang, zu wirken und anderen zu helfen, und bei seinen vielseitigen künst lerisch und menschlich großen Eigenschaften konnte er nicht verborgen bleiben, sondern mußte in bas hellste Licht treten. Diese Ausstellung ist vor allem auch geeignet, weiten Kreisen außerhalb des Buchhandels und des graphischen Gewerbes mit aller Eindringlichkeit vor Augen zu führen, welche wichtige, ja entscheidende Nolle der Schrift in Verbindung mit der Sprache im gesamten Kultur leben eines Volkes zukommt. Denn das Entscheidende bei Rudolf Koch ist gerade, daß er, ohne literarisch zu sein, sich bei seinen Schriftentwiirfen immer von der Sprache leiten ließ, daß er Meister in der Schrift wurde, weil er in das Wesen der Sprache mit ihrem ganzen Reichtum eingedrungen war. Er schrieb nicht, aber er konnte schreiben. Und was er schrieb, war nie Kalligraphie, nie ein aus seiner engen Verknüpfung mit der Sprache losgelöstes Kunstwerk, sondern Handwerk in des Wortes bester Bedeutung, beseeltes, seelen volles, echtes und natürliches Erzeugnis eines Menschen, der, aus dem Wollen schöpfend, bas Handwerk mit künstlerischem Leben er füllte und die Kunst durch handwerklichen Geist bereicherte und vertiefte. Alle seine Werke oder die unter seinem fördernden Zu spruch entstandenen Arbeiten seines engeren Mitarbeiterkreises, der Werkgemeinschaft, handle es sich um die Handschrift, um die Druck schrift, um gewebte oder gestickte Wandteppiche, um Bücher wie die »N u d o l f i n i s ch e n Drucke« oder um Metallarbeiten, um Altar kelche oder Kruzifixe, tragen den Stempel echten wahren Menschen tums an sich. Grund- und Eckpfeiler dieses bei aller natürlichen Schlichtheit unsäglich reichen Lebens war eine tiefe Religiosität, eine lebendige christliche Frömmigkeit, die uns aus seinem ganzen Lebenswerk und der straff zusammengefaßten Auswahl seiner Schöpfungen auf dieser Ausstellung entgegentritt. Wie er hier etwa auf einem Blatt einen Abschnitt aus Luthers Großem Katechismus mit unerhörter Kraft gestaltet, sodaß die Persönlichkeit des Reformators in voller Lebendig keit vor uns erscheint, so entstehen architektonische Zeichnungen wie das Straßburger Münster oder der Speyerer Dom gleichsam unter dem Zwange der Schrift, die auch in die Holzschnitte hineinstrahlt und das geschriebene Wort des Propheten zum gesprochenen Wort, zur Predigt werden läßt. Bild und Schrift wird zur vollkommenen Einheit wie in der prachtvollen Wandkarte von Deutschland von großem Format, einem seiner letzten Werke, die demnächst im Insel- Verlag erscheinen wird und in der seine große Heimat- und Vater landsliebe, die ihn durch sein ganzes Leben hindurch begleitet hat, zum Ausdruck kommt. Denn dieser liebenswerte grundgiitige Mensch, der mit einem Kinöergemllt und der feinen Gabe des Humors eine tiefernste Lebensauffassung vereinigte, war ein durch und durch kern deutscher Mann. Der große Wendepunkt im Leben Rudolf Kochs ist das Jahr 1606, als er nach längerer Tätigkeit in Leipzig von der Schrift gießerei Gebr. Klingspor in Offenbach (Main) als Mitarbeiter ge wonnen wurde. Von diesem Jahr bis zu seinem Tobe ist eine Zeit höchster Fruchtbarkeit, in der sich Koch zu immer größerer Meister schaft entfaltete. In engster Zusammenarbeit mit dem Leiter der Schriftgießerei entstanden hier im Laufe der Jahre etwa 25 Druck schriften, die unbestritten zu den schönsten überhaupt gehören, die Deutschland hervorgebracht hat. Die Ausstellung zeigt besonders deut lich, wie diese Druckschriften sich aus der Handschrift entwickelt haben, der Handschrift, die neben seiner Tätigkeit im Hause Klingspor den Meister unablässig beschäftigte und vor allem in der von ihm ge gründeten Schriftmerkstatt der Offenbacher Kunstgewerbeschule ihre Pflege gefunden hat. Besonders eindringlich und ausdrucksvoll ist bei den einzelnen Schriften in der Ausstellung geschildert, wie sich seine Druckschriften folgerichtig fast in logischem Zwang aus der Hand schrift entwickelt haben. Als echtes künstlerisches Produkt sind sie keiner Überlegung entsprungen, sondern aus der Übung mit dem Werkzeug, das im Anfang die Schreibfeder war, wie von selbst her vorgewachsen. Das Schreiben war für Rudolf Koch der Ausgangs punkt für sein Verhältnis zum Buch. Die Anregung dazu ging von England aus, wo sich unter Führung von Edward Johnston eine Schule von Schreibern gebildet hatte, die cs sich zur Aufgabe gemacht hatten, Bücher mit der Hand abzuschreiben, eine Tätigkeit, die natür lich nicht mehr dem Bedürfnis nach Vervielfältigung entsprang, son dern um ihrer selbst willen geiibt wurde, um die Kunst des schönen Schreibens in Anlehnung an alte Handschriften neu zu beleben. In einer Ansprache an die Mitglieder des vnibibks Oro-rvn Oliub in London, die Rudolf Koch 1632 hielt, nennt er drei große Engländer, die von entscheidender Bedeutung für ihn gewesen sind: Shakespeare, dessen Dramen viele Jahre hindurch fast seine einzige Lektüre ge 464 wesen seien, William Morris und Edward Johnston, dessen Buch über das Schreiben er und seine Schüler seit Jahren benutzten. Es würde zu weit führen, in diesem Zusammenhang seine zahlreichen Mitarbeiter zu nennen, zu denen auch Fritz Kredel ge hört, der u. a. die herrlichen Zeichnungen zu dem Blumenbuch und die erwähnte Landkarte von Deutschland in Holz geschnitten hat. Wir können auch hier nicht näher auf die Verlage eingehen, die wie der Gerstungsche Verlag in Offenfach a. M., der Insel-Verlag, der Bärenreiter-Verlag, der Verlag der Buchhandlung des Waisenhauses in Halle a. S. (Gesangbuch für die Provinz Sachsen und Anhalt) mit seinem Werk für immer verbunden sind. Die in weiser Beschränkung gehaltene Ausstellung läßt gerade das vielseitige und schöpferische Werk des Meisters in seltener Eindring lichkeit vor unseren Augen entstehen. Ihr besonderer Wert liegt auch darin, daß sie viele Dinge zeigt, die man sonst kaum beisammen sehen würde: Leihgaben der Familie, der engeren Freunde und der Kling- sporschen Schriftgießerei. Für Rudolf Kochs Leben und Streben ist besonders ein Spruch, der eine der Vitrinen ziert und in prachtvoller Wirkung durch Farben unterstützt, sich dem Beschauer geradezu aufdrängt, charak teristisch: Uns ward gegeben, auf keiner Stufe zu ruhen. Das unablässige Streben nach höchster Vollendung ist bezeichnend für diesen großen Meister, dem alles im ersten großen Wurf gelang, weil hinter allem Streben noch ein Mächtigeres und Größeres stand, der tiefe Glaube an die inneren Kräfte, die jedes Menschen Werk formen: seine Religiosität. Die Ausstellung ist werktäglich von 7 bis 23 Uhr jedermann frei zugänglich. Die deutsche Schrift. Von Rudolf Koch. Wie ein Vermächtnis mutet dieser Aufsatz des kürz lich verstorbenen feinsinnigen Künstlers und Herolds der deutschen Schrift an. Wir entnehmen ihn dem Kalender der deutschen Arbeit 1934 mit freundlicher Genehmigung des Verlages der Deutschen Arbeits front in Berlin. Es ist noch gar nicht gesagt, daß die lateinische Schrift auch weiter hin die Welt beherrschen wird, weil fast alle Kulturvölker sie zur Zeit angenommen haben. Diese Kulturwelt ist es ja gar nicht mehr ge wöhnt, daß ihr ein Volk mit eigener Art entgegentritt. Bis jetzt hat sich alles vor ihr gebemütigt, alles was in ihren Kreis trat, sollte und wollte auch ihr Sklave sein. Wir sind von dem Wahn geheilt, daß wir sein müßten wie die Anderen sind, um leben zu können und zur Geltung zu kommen. Wir wollen den Widerstand ruhig wagen und auch unsere deutsche Schrift wieder hervorholcn, die schon halb vergessen schien und deren man sich schämte. Wir wollen auch in diesem Stück wieder wir selbst sein und der matten Gleichmacherei der Anderen unser eigenes, besonderes, kräf tiges und ungeteiltes Wesen mit um so größerer Entschiedenheit ent gegensetzen. Die deutsche Schrift wäre wohl schon längst vergessen, wenn nicht der einfache Mann aus dem Volke daran festgehalten hätte. Ein größerer Teil der Gebildeten hat seit Jahrhunderten die Latein schrift als das Fremdländische vorgezogen, um sich abzutrennen und etwas besonderes zu sein. Ehrliche Volksfreunde, die sich dem wider setzten, wurden verlacht, und oft genug schien ihr Kampf ganz aus sichtslos zu sein. Das Deutsche galt von jeher als plump und ungefügig. Wohl gestand man dem Deutschen zu, daß er treu und bieder sei, aber man erklärte ihn auch unzugänglich für höhere und edlere Bildung. So etwa schätzte man auch die deutsche Schrift ein. Man wendete auch gegen sie ein, daß sie ja ursprünglich gar nicht ausschließlich deutsch sei. Das mag auch zutreffen. Aber sie ist es heute für uns, und auch in der ganzen Welt nennt man sie die deutsche Schrift — und das genügt. Die Frage nach der besseren Lesbarkeit hat die letzten Jahrzehnte hindurch viele Untersuchungen zur Folge gehabt. Nirgends konnte man beweisen, daß die Lateinschrift besser zu lesen sei, vielleicht wurde sogar das Gegenteil festgestellt. Aber wir fragen gar nicht nach der reinen Zweckmäßigkeit, für uns ist die deutsche Schrift viel mehr, als für die anderen die Latein schrift ist. Sie ist uns Ausdruck unseres eigentümlichen und besonderen, eben unseres deutschen Wesens, bas sich mit Worten gar nicht weiter umschreiben läßt.
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