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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 24.05.1934
- Strukturtyp
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- 1934-05-24
- Erscheinungsdatum
- 24.05.1934
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- Deutsch
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RedMiouMerTÄ Zur Krise des rechtswiffenschaftlichen Buches. Schon im Börsenblatt vom 11. September 1933 hat Herr vr. Siebeck ausgeführt, daß der Wille zum Kauf wissenschaftlicher Werke und Zeitschriften bis vor kurzem in weiten Schichten unseres Volkes vor allen Dingen bei unseren Studenten alle Hemmungen der ständig schwindenden Leistungsfähigkeit bisher überwunden habe, daß aber jetzt eine Gefahr drohe für den wissenschaftlichen Verlag, die nach ihren Ausmaßen und ihren Auswirkungen viel ernster zu nehmen sei als frühere Erschütterungen. Er schildert die katastrophale Not lage des wissenschaftlichen Verlages und stellt fest, daß die vorhandene Buchproduktion bis zur Unverkäuflichkeit entwertet sei. Auf dem gleichen Standpunkt steht auch der Geschäftsbericht des Börsenvereins zu Kantate 1934. In der Deutschen Juristenzeitung vom 1. Mai 1934, Seite 871 zitiert Senatspräsident Deinhardt, Jena, ein Wort Kirchmanns: »Ein Federstrich des Gesetzgebers, und ganze Bibliotheken werden Makulatur«. Nach jeder Revolution muß der Neuaufbau versucht werden. Er ist ungeheuer erschwert, weil der wissenschaftliche Verlag nach Vernichtung der alten Produktion nicht mehr die flüssigen Mittel haben wird, mit der er die Neuproduktion bezahlen kann. Aber er schwert wirb die Neuproduktion, die ja schließlich auch in ihrem Teil zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gehört, burch dix völlige Un sicherheit der Auffassung über den inneren Wert eines wissenschaft lichen Buches. So ist in der Rechtswissenschaft geradezu ein Kampf ausgebrochen, der dem wissenschaftlichen Kommentar seine Berechti gung absprechen will. Aus der richtigen Erkenntnis, die der Neichs- justizkommissar vr. Frank beim Presseempfang der Akademie für Deutsches Recht am 5. Mai 1934 dahin formulierte: »er wolle das Recht nicht als eine fachliche Angelegenheit eines vom Volke abge schlossenen Standes betrachten, sondern er wolle den Geist der nationalsozialistischen Revolution dadurch ins Volk bringen, daß alle an der Rcchtsgestaltung teilnehmen«, wird als notwendige Forderung jedem wissenschaftlichen Kommentar Fehde angesagt. So fordert in der Zeitschrift »Jugend und Recht« vom 15. März 1934 der stellvertretende Neichsgruppenleiter Ludwig: «es müßte die Benutzung der Kommentare verboten werden, weil sie den Besitzer am selbständigen Nachdenken hindern«. Auch Senatspräsident Dein hardt ist den »Kommentarwälzern« nicht freundlich gesonnen. (Deutsche Juristen-Zeitung 1934, S. 571 in seiner Besprechung des Katechismus des thüringischen Justizministers vr. Weber für die Gerichtsbeamten.) »Nicht das Recht (an sich), das immer von abgezogenen Begriffen ausgehc, sei entscheidend, sondern der rechtsprechende Mensch.« Lediglich Gerichtsassessor Sauer warnt davor (Deutsche Juristen- Zeitung vom 1. Mai 1934, Seite 591), daß »man das Kind mit dem Bade ausschütte«. Er lehnt die von Ludwig geforderte amtliche Aus legung ab und verficht den Vorteil des freien Kommentars. Ein gutes Buch wird sich auch nicht in reiner Theorie verlieren, sondern gibt aus der Fülle der im praktischen Leben verkommenden Fälle die Richtlinien, nach denen eine möglichst einheitliche Rechtsprechung erfolgen kann. Denn wenn Ludwig am liebsten die Kommentare ganz verbieten möchte, so muß er doch feststellen, daß das Prozessieren früher ein Lotteriespiel gewesen sei, und daß man eine Rechtssicher heit fordern müsse, die dahin führen solle, daß alle Gerichte in einer bestimmten Rechtsfrage zur gleichen Rechtsprechung kommen müßten. Sehr richtig; aber doch wohl ein Widerspruch zum geforderten Verbot. Vorläufig ist das praktische Leben so vielgestaltig, daß unmöglich der Gesetzgeber jeden Fall vorausfchauend regeln kann, wie es etwa im alten preußischen Landrecht versucht wurde, oder daß jeder Richter wissen kann, wie über jede Frage andere Volksgenossen urteilen würden. Der Richter braucht sich nicht hinter Autoritäten zu ver kriechen, aber er wird seine Meinung läutern müssen burch Benutzung von Literatur und Judikatur, die ein guter Autor in seinem Buche ihm zur Verfügung stellt. Wenn Deinhardt sagt: »Vom Verstiegenen müsse der Rechtsmann wieder heruntergeholt werden in die. Alltagsarbeit des Alltags«, so ist seine Forderung eine gute Richtlinie nicht nur für die Gesetz geber, sondern auch für einen guten Kommentator. Noch scheinen die Fragen über den Wert des wissenschaftlichen Buches nicht alle geklärt. Als Aufgabe der Akademie für Deutsches Recht stellt Reichs justizkommissar vr. Frank die Forderung auf: es müßten die großen Begriffe wie »Rasse«, »Recht«, »Boden«, »Wehrsicherung« einheitlich mit Autorität gegenüber jedermann festgelegt werden. Vorläufig ver langt die Neugestaltung aller Dinge durch den Nationalsozialismus nach einer schnellen, sich oft ändernden Gesetzgebung. Gerade in dieser Zeit aber scheint das wissenschaftliche Buch am wenigsten entbehrlich. Technisch dagegen ist für das wissenschaftliche Buch eine große Schwie rigkeit entstanden. Der raschen Änderung aller Verhältnisse kann es sich nicht schnell genug anpasfen, und so mußte der Verlag zu einem auf die Dauer untragbaren Aushilfsmittel greifen: dem Dauerbuch mit Patentverschluß. Dieses Buch auf der Höhe zu halten, erfordert nicht nur große Material- und Arbeitskosten durch die vielen Deckblätter, sondern ist auch dem Verschleiß viel zu schnell ausgesetzt. Verheftungen oder Lücken machen burch Unaufmerksam keit beim Ergänzen der vielen Ersatzblätter das Werk allzu schnell wertlos. Für die öffentlichen Bibliotheken aber sind solche Werke fast unmöglich, da sie neben den hohen Kosten auch eine große Arbeit erfordern, die zudem oft nicht geleistet werden kann, wenn das be treffende Werk gerade zu der Zeit verliehen ist, in der es durch neue Deckblätter ergänzt werden müßte. An dem Schicksal des rechtswissenschaftlichen Buches, sei es Kommentar oder Handbuch, hängen unzählige Existenzen mit ihren Familien. Papierfabrik, Druckerei, Autor, Verlag, Buchbinder, Sortiment mit all ihren großen Gefolgschaften sind nur ein Teil der am Buch mitwirkenöen Kräfte. Dabei ist zu berücksichtigen, daß bei der Herstellung von Massenauflagen, wie sie etwa im System des russischen Staatsverlages oder unserer Buchgemeinschaften er folgen, viel weniger Arbeitskräfte im Produktionsprozeß tätig sind als in der freien Wirtschaft konkurrierender Bücher. Denn hier wird der Autor bzw. Kommentator im freien Wettkampf wie bisher sich überragend durchsetzen, der'mit knappen Worten so klar und deutlich den Willen des Gesetzgebers und die Erfordernisse des nationalsozialistischen Staates sowie die aus dem Leben tausendfach sich in der Praxis ergebenden Streitfragen erklärt, daß sie nicht nur dem Juristen, sondern auch dem Laien verständlich bleiben. Mit dem wissenschaftlichen Buch würde ja auch das Studium und die ganze rechtswissenschaftliche Lehre der Hochschulen in Mit leidenschaft gezogen oder als entbehrlich angesehen werden müssen; »Das Matterhorn aber«, sagt Sauer in dem oben erwähnten Aufsatz, »wird kein richtiger Bergsteiger ohne Führer besteigen«. So wird auch der Kommentar und das wissenschaftliche Buch überhaupt stets seinen Wert behalten, vor allem, wenn es klärt und nicht durch über flüssige Konstruktionen das Verständnis erschwert. Zur Erziehung und Ausbildung des Juristen aber wird auch die Erörterung schwieriger Streitfragen stets von Wert bleiben, weil die Übung des klaren, juristischen Denkens später in der Praxis die rasche Auffassungsgabe erleichtert, welche den Nechtsfall vereinfacht durch Trennung des Wesentlichen von dem Überflüssigen, nur das Verständnis der Parteien erschwerenden Ballast. Alles in allem: Das rechtswissenschaftliche Buch ist in seinem bisherigen Bestände fast vernichtet, in seinem Aufbau teils bekämpft, teils buchtechnisch erschwert, sodaß die Krise eine besonders scharfe geworden ist. Mögen wir uns trösten mit den Worten aus der Rede des Rektors der Universität Leipzig, Professor vr. Golf, die er an läßlich der Kantate 1934 im Buchhändlerbörsenvercin hielt: »Das gesprochene Wort allein macht es nicht, bas geschriebene muß ihm hilfreich zur Seite stehen. In. Zukunft möge dieser Gedanke im deutschen Volke immer mehr Wurzel fassen«. Die ausgeklügelte, be griffliche Konstruktion hat den Juristen und sein Buch dem Volk entfremdet. Auch bisher schon wurde versucht, diese Entwicklung ein zudämmen durch rege Beteiligung der Laien am Rechtswesen, durch Schöffen, Geschworene und Handelsrichter. Sie mögen wohl aus gleichend gewirkt haben. Die Forderung, das Recht sott schlicht und einfach jedem Volksgenossen verständlich sein, wird aber schon bes-
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