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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.05.1928
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- 1928-05-29
- Erscheinungsdatum
- 29.05.1928
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X-122, 29. Mai 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Zweifellos hat die Oberprüfstelle auch recht, wenn sie er klärt, es könne eine Schrift auch dann auf die Liste der Schund- und Schmutzschriften gesetzt werden, wenn sie nur Schundschrift oder nur Schmutzschrift sei; es sei also nicht erforder lich, daß die betreffende Schrift zugleich Schundschrift und Schmutzschrift sei (ebenso Hellwig Anm. 17). Die Oberprüfstelle untersucht dann eingehend den Begriff der Schundschriften im Sinne des Schundliteraturgesetzes. Sie geht dabei von der historischen Wortbedeutung aus. Das ist vom methodologischen Standpunkt aus zu beanstanden. Da aber das Ergebnis, zu dem die Oberprüfstelle auf diesem Wege ge langt, richtig ist, mag besonderes Gewicht darauf nicht gelegt werden. Eine Schrift, die als Schundschrift bezeichnet werden kann, muß hiernach nicht nur »minderwertig«, sondern vollkommen wertlos sein, und zwar wertlos in jeder Hinsicht, nicht etwa nur in litera rischer Hinsicht. Durch diesen Satz, der durchaus zu billigen ist, wird es verhindert, daß eine Schrift, die nach irgend einer Richtung hin von Wert ist, insbesondere eine künstlerische oder wissenschaftliche Schrift, als Schundschrift gebrandmarkt wird (so auch Hellwig Anm. 36). Desgleichen wird die von vielen Seiten verlangte ästhetische »Zensur« abgelehnt. Eine Schrift, die nur vom Standpunkte des guten Geschmacks, vom künstlerischen Standpunkt aus, zu Bemängelungen Anlaß gibt, ist um deswillen noch nicht als wertlos zu bezeichnen. Das Ge setz kennt also keine ästhetischen Schundschriften (so auch Hellwig Anm. 22, 24, 28, sowie Einleitung S. 34 ff.). Die Schrift muß aber nicht nur vollkommen wertlos sein, sondern überdies noch geeignet sein, die Jugend zu schädigen. Auch diesen allge meinen Satz kann man durchaus unterschreiben. Allerdings erhält er seinen Inhalt erst aus den weiteren Ausführungen darüber, worin die zu befürchtende Schädigung der Jugend be stehen muß. Daß jedenfalls die Gefahr einer Verbildung des Geschmacks noch nicht genügt, das ergibt sich aus dem aus drücklichen Ausspruch der Entscheidung, daß die »literarische Wertlosigkeit« für sich allein noch nicht genügt, um die Schrift zu einer Schundschrist zu stempeln. Die positive Ausfüllung des Begriffs ist der Oberprüfstelle aber nicht gelungen. In der Entscheidung wird gesagt, Schädigendes für die Jugend biete die Schrift dann, wenn sie »ent weder auf die niederen Instinkte der Leser oder auf ihre ahnungslose W e l t f r e m d h e i t spekuliert. Durch eine solche Schrift werden Sprache und Gedanken zum Schaden des Lesepublikums zu selbstsüchtigen Zwecken mißbraucht«. Dazu ist zu sagen, daß es nicht auf die Absicht ankommt, die Verfasser, Verleger, Verbreiter mit der Schrift verfolgen, sondern lediglich auf die mutmaßliche Wirkung der Schrift auf die Jugend. Eine Schrift kann auch dann Schundschrift sein, wenn Verfasser, Verleger und Verbreiter dies nicht erkannt haben, wenn sie in keiner Weise die Absicht gehabt haben, auf die niederen Instinkte oder die Weltfremdheit der Leser zu speku lieren; sie braucht aber andererseits auch noch keineswegs eine Schundschrift zu sein, wenn Verfasser ufw. nicht reinen Herzens gewesen sind, vielmehr in der Tat lediglich beabsichtigt haben, ein nicht ganz reinliches Geschäft zu machen. Nicht die sub- j e k t i v e A b s i ch t des Verfassers usw., sondern dieobjektiv zu prüfende mutmaßliche Wirkung der Lektüre der Schrift durch Jugendliche ist der Maßstab, den die Oberprüfstelle hätte anlegen müssen. Es handelt sich nicht um ein Strafverfahren gegen den Verfasser usw., bei dem die psychische Einstellung des Verfassers usw. natürlich von entscheidender Bedeutung sein würde, sondern um ein dem sogenannten objektiven Strafver fahren zwar in manchen Beziehungen ähnliches, aber keines wegs gleichartiges, objektives Verwaltungsverfahren gegenüber schädlichen Büchern (vgl. auch Hellwig Anm. 34). Und wenn man auch zugeben mag, daß die Spekulation des Verfassers usw. auf die »niederen Instinkte« der Leser 682 unter Umständen ein gewichtiges Indiz für den Schundcharakter des Buches abzugeben vermag — wenngleich auch hier natürlich noch eingehendere Ausführungen vonnöten wären —, so muß doch mit aller Entschiedenheit bestritten wer» den, daß die Spekulation eines Buches auf die W el t f r e m d h e i t der Leser unter irgend welchen Umständen zur Entscheidung der Frage beitragen kann, ob eine bestimmte Schrift eine Schundschrift ist oder nicht. Eine Schrift, die geeignet ist, die Weltfremdheit der Jugend zu för dern, wird vielleicht eine Schulbehörde einer Schulbücherei nicht eingliedern. Auch wird ein Volksbildungsverein eine solche Schrift vielleicht nicht gerade empfehlen. Aber etwas ganz anderes ist es, ob diese Wirkung einer Schrift hinreichenden Grund gibt für den Staat, mit so scharfen Repressivmaßnahmen gegen die Schrift vorzugehen, wie sie das Schundliteraturgesetz enthält. Obgleich es vereinzelt natürlich Pädagogen gegeben hat, die eine so weitgehende Forderung aufgestellt haben und obgleich auch bei den pädagogischen Vorkämpfern für eine Film zensur vereinzelt gleichartige Ansichten geäußert worden sind und sogar einige Entscheidungen der Oberprüfstelle für die Prü fung von Bildstreifen diesen auch für das Lichtspielgesetz falschen Grundsatz in die Praxis umgesetzt haben, kann doch kein Zweifel darüber bestehen, daß eine solche Auslegung dem Sinn des Ge setzes nicht entspricht. Gegen Schriften, die lediglich dadurch der Jugend schädlich sind, daß sie die Weltfremdheit bestärken, genügt allerdings die Aufklärung in der Schule, im Elternhaus und im Leben durchaus. Gäbe es nur derartige »Schundlitera tur«, dann würde niemals das Schundliteraturgesetz zustande gekommen sein. Nein, diejenige Schundliteratur, die durch Setzen auf die Liste der Schund- und Schmutzschriften von unserer Jugend nach Möglichkeit ferngehalten werden soll, ist weit gröberen Kalibers! Man weiß nicht recht, was man dazu sagen soll, wenn zur Begründung des Verbots, das allein aus die Spekulation auf die Weltfremdheit der Leser gestützt wird, auf die 48 Ohnmächten und die 6 Halbohnmachten hingewiesen wird, die in dem Buch Vorkommen oder wenn auf den Lapsus der Verfasserin aufmerk sam gemacht wird, nach der es in Süd-Kanada Negerplantagen und Negeraufstände gibt oder wenn gar mit Ernst moniert wird, daß durch den russischen Konsul auf einem deutschen Schiff in Hamburg ein Russe verhaftet wird, obgleich dies nach inter nationalem und deutschem Recht nicht zulässig wäre! Wenn man alle geographischen, kulturgeschichtlichen, Naturwissenschaft^ lichen, geschichtlichen oder gar juristischen Schnitzer aufstöbern und aus ihnen schließen wollte, daß dadurch die Weltfremdheit der Leser gefördert werde, so wird man wohl nicht allzuviele Bücher finden, die zu Beanstandungen keinen Anlaß geben. Nun setzt die Entscheidung allerdings hinzu, es solle auf Einzel heiten nicht Gewicht gelegt werden: »Der ganze Roman ist fast durchgehend in der Spekulation auf die Weltfremdheit des Lesers geschrieben«. Aber dadurch wird die Sachlage in keiner Weise anders. Denn schließlich setzt sich das Ganze aus Einzelheiten zusammen. Und die Beispiele, die hervorgehoben sind, dürften als besonders drastisch gewählt worden sein. Und vor allem muß scharf betont werden, daß die Bestärkung der Weltfremdheit unter keinen Umständen, auch wenn der Vorwurf noch so sehr begründet sein sollte, geeignet ist, zur Kennzeichnung einer Schrift als einer Schundschrift im Sinne des Gesetzes zu führen. Die Entscheidung schließt mit den Worten: »Der Leser solcher Bücher verliert den Wirklichkeitssinn, wenn er das Welt bild als zutreffend annimmt, und er wird abgestumpft, wenn er es nicht tut, und will schließlich andere als überpfefserte litera rische Kost nicht mehr genießen. Gleichsam die Probe aufs Exem pel ist, daß ein verständiger Vater seinem Kinde das Buch nicht in die Hand geben wird«. Gerade dieser letzte Satz der Entscheidung ist die Probe auf das Exempel dafür, daß die Begründung der Entscheidung nicht richtig ist; denn auch viele wissenschaftliche und viele künst lerische Schriften wird ein verständiger Vater seinem Kinde nicht in die Hand geben, und doch kann nicht die Rede davon sein, daß es sich bei ihnen um Schundliteratur handle! Der ganze
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