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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.12.1928
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- 1928-12-06
- Erscheinungsdatum
- 06.12.1928
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X- 283, k. Dezember 1928, Redaktioneller Teil, vvrsenblatt f.b.Dtschn.8uchhaat>»t. „Neue Sachlichkeit" u. „Neue Typographie". Von Rudolf Engel-Hardt, Leipzig. Technik und Maschine beherrschen den Ausdruck unsrer Zeit. Das Ingenieur Prinzip der sachlichen Zweckforin triumphiert. Dabei ist »Sachlichkeit« nicht allein die Forderung ver zückter Anbeter des Maschinenidols, sondern das große Modeschlag wort unsrer Zeit geworden. Aus dem fernen Wolkenreich verklärter Expressionisten ist man in jenes nüchterner Sachlichkeit herabgestie gen. Die subjektive Richtung der expressionistischen Kunst lieh ihre Werke bis zur Wirklichkeitsfremdheit entarten und steigerte sie zu gespenstisch-unnatürlichen und abstrakt-unverständlichen Visionen. Die »Neue Sachlichkeit« wendet sich gegen diese extrem persönliche Auffassung und predigt die Sachlichkeit der Technik und der Maschine. Dies erscheint vernünftig und verheißt Rückkehr zum Können nach den Effekthaschereien zahlreicher expressionistischer Nicht könner. Leider ist man aber bereits über das Ziel hinausgeschossen, ist doch die »Neue Sachlichkeit« im Begriff, uns zu erschreckender Nüchternheit und Kunstlosigkeit zurückzuführen. Viele Dinge, die uns bisher in höchster Vollendung dargeboten wurden, stoßen, »sach lich« gestaltet, ab, denn sie geben sich in einer beinahe primitiven Form. Bedürfnislosigkeit kann und wird aber nicht das letzte Ziel sein. Schaut man sich um, so bemerkt man kubische Würfelhäuser, »ingenieurhaft-kahle Wohnmaschinen«, mit eingeschnittenen, viel zu kleinen, quadratischen Lichtöfsnungen bzw. Fenstern, schmucklose Möbel, drohend, schwer, unharmonisch, ferner Vasen, Leuchter, Kera miken, primitiv, wie von den Händen ferner Insulaner geformt. In der Malerei sind die Formdelirien und Farbgewitter wie ein phan tastischer Traum verweht: M a s ch i n e n r o m a n t i k und tech nische Glätte sind ihnen gefolgt. Aus den Gemälden starren uns Maschinenteile, mechanische Menschen, seltsam kubisch aufge türmte Landschaften u. a. entgegen. Teppiche zeigen rhythmisch aneinandergereihte oder seltsam gekreuzte Liuien, Rechtecke, Quadrate. Drucksachen sind in Steinschrift (Grotesk) gesetzt, die senkrechten und wagerechten Zeilen merkwürdig verknüpft: seltsame Formlosigkeit und doch wieder ein gänzlich neuer Zug. Ist das alles Ausdruck der »Neuen Sachlichkeit« und des »Konstruktivismus«? Schlag- wortc wie »Zurück zur Einfachheit« und »Form ohne O r n a m e n t« sind durch den Werkbund vor Jahren schon zu Leit zielen gestempelt worden. So bemerkenswert aber das Ethos der »Neuen Sachlichkeit« und so folgerichtig diese neue Einstellung des Zeitgeistes zu sein scheint: muß ihr letztes Ziel nicht sein »Mensch ohne K u n st«? Ist aber ohne Kunst überhaupt ein Lebensoptimum möglich? Wer genauer zusieht, bemerkt indessen, daß auch hier extreme Neuerer über das richtig erkannte Ziel hinausschossen und daß man cher die neue Kunstströmung durchaus mißverstand. Deshalb wäre es falsch, sich den Blick und sein llrteil durch diese beinahe unver meidlichen Auswüchse trüben zu lassen. Allenthalben zeigt sich viel mehr das ernste Streben nach einem Stilausdruck, der unsrer Zeit der Technik und Wissenschaft, der Wunderbauten und Niesenmaschinen, der Unterseeboote und Luftschiffe, des Fernsehens und Fernhörens, kurz der dem ganzen technischen Zuschnitt der Gegenwart entspricht. Es war aber falsch, wieder ganz von vorn zu beginnen. Aber so richtig es ist, einem technischen Zeitalter den künstlerischen Aus druck anzupassen, also einen technisch-konstruktiven Stil zu schaffen, richtiger sich entwickeln zu lassen, so aussichtslos ist es, etwa von der Möglichkeit eines »Weltstils« zu träumen. Nie wird ein Volk seine Eigenart in der Kunst einem Weltstil zuliebe opfern. Ein Stil ist nicht nur das Produkt einer Zeit, sondern zugleich der reinste Niederschlag vom Wesen eines Volkes und seiner Kultur. Im Buchdruckgewerbe hat die nämliche Absicht: das Gesicht der Drucksache den übrigen Dingen anzugleichen, zur sogenannten »Neuen Typographie« geführt. Der Buchdruck suchte sich von jeher der in stetem Wandel begriffenen Mode anzupassen. Anklängc und Zusammenhänge zwischen der modernen Baukunst und der »Neuen Typographie« sind ganz unverkennbar. Die radikalste Rich tung, die sogenannte »Elementare Typographie« hat sich dabei freilich recht extrem gebärdet, indem sie jedes Ornament ab lehnt, nur die Grotesk gelten läßt, ein Durcheinander senkrechter und wagerechter Zeilen fordert usw. Sie ist auch mehr als umstrit ten, wird vielfach gänzlich abgelehnt, ja zuweilen sogar ins Lächer liche gezogen. Naturgemäß hat aber auch diese Richtung neben Aus wüchsen einen brauchbaren Kern. Es ist ihren Anhängern ernst mit ihrer Ausübung und Propagierung; auch hat sie eine starke Ver breitung gefunden, so daß sich eine Auseinandersetzung mit den geistigen Grundlagen der »Neuen Typographie« wohl lohnt, eiues- 1330 teils um die Sonderheit ihres Ausdrucks zu verstehen, andernteilS um das Messer dort ansetzen zu können, wo ein Auswuchs beseitigt werden muß. Man wird bald sehen, daß die starke Anfeindung der »Elementaren Typographie« durchaus begründet ist und daß es doch ein wenig optimistisch wirkt, wenn einer ihrer stärksten Verfechter sagt: »Der Sieg der neuen Typographie ist gesichert!« Zugleich wird behauptet, man habe sich allgemein zu einer nachträglichen An erkennung dieser Richtung bequemen müssen oder habe durch Still schweigen seine Anerkennung bekundet (!). Betrachtet man »elementar« gesetzte Drucksachen, so fällt auf, daß sie einheitlich aus Groteskschriften verschiedener Grade gesetzt sind. Diese Schrift ist als die einzige anerkannt, die sachlich wirke; die zahlreichen edlen Künstlerschriften, die in den letzten Jahr zehnten entstanden, werden als unbrauchbar abgelehnt. Dabei liegt es auf der Hand, daß eine Schrift nicht alle die Eigenschaften in sich schließen kann, die der Gotisch, der Fraktur, der Antiqua, der Kursiv usw. eigen sind. Jegliches Ornament ist verpönt; nur die Linie hat Geltung. Daher findet man vielfach die Einheit der Drucksache emp findlich störende fette Linienbalken angebracht, ferner fette Punkte als Blickfänger usw. Tatsächlich steht heute im gesamten Kunst gewerbe die glatte Linie im Vordergrund. Man bemerkt ein so aus gesprochenes Vorherrschen gerader, gebrochener, sich überkrcuzender Linien, Überschneidungen in Art von Gittermerk usw., daß man geradezu vou einem »Kult der Linie« sprechen kann. Sehr schön lassen sich aber gerade solche geometrische Linienanordnungen mit sparsamen Ornamentchcn, Blättchen, Sternen usw. beleben. Man beschränkt sich aber leider auf das bis zum Überdruß gesehene ewige Einerlei eines Winkels aus fetten Balken in Inseraten, auf Karlen usw., und nur wenige sehen im Hinblick auf Umrandung, Schmückung und Nhythmisierung der Papierfläche ihre Aufgabe in der rhyth mischen Verbindung fetter und magerer Linien, im sinngemäßen, ge fälligen, ornamentalen Verknüpfen von Liniensystemen usw. Der »schöne Zeilensall« wird abgelchnt, weil aus Schönheit, Schmuck usw. grundsätzlich kein Wert mehr gelegt wird. »D a s Wesen der Neuen Typographie ist Klarheit«, so heißt es; leider vermißt man diese aber oft auf den z. T. recht unübersichtlichen Drucksachen, von denen man allerdings nie weiß, ob sie »echte« Erzeugnisse der »Neuen Typographie« sind oder ob sie zu dem Schlechten gehören, das unter der gleichen Flagge segelt. Die bisherige Typographie ist den Neuerern zu »ornamental«; sie wün schen befreit zu sein von der »traditionellen Satzweise« und verzichten auf eine »schwächliche Anklammerung an den Popanz der Mittelachsen- gruppierung«. Dabei haben sich die Buchdrucker aber nie allein darauf beschränkt, auf Buchtiteln, Karten, Inseraten usw. die Zeilen stets nur um eine Mittelachse zu gruppieren, sondern haben bei vielen Gelegen heiten die Zeilen und Schriftgruppen verschränkt, so bei Briefköpfen, Geschäftskarten usw. Ohne Zweifel herrscht aber heute das Kunst- prinzip des Rhythmus und der Asymmetrie, ferner das harmonische Wechselspiel von Linie und Schrift, von fett und mager, von groß und klein usw. Die neue Dynamik des Schrift- selbes äußert sich in einer Vorliebe für verschobene Zeilen, für seit liche, d. h. asymmetrische Anordnungen vou Schlagworten, ferner in der Verschränkung von Bildern, im rhythmischen Farbwechsel, im Kontrast, d. h. im gegenseitigen Ausspielen der Gegensätze. So arbeitet man gern bewußt mit dem weißen Untergrund, indem man die Wirkungsmöglichkeitcn des weißen Papiers auszunutzeu sucht. Weiß gilt dabei als der Ausdruck des Lichts. Man bemerkt aber oft Drucksachen, bei denen die wagerechten und senkrechten Zeilen bis fast an den Rand geschoben sind. Ab und zu begegnet man recht interessanten Lösungen dieser Art, vermißt indessen aber auch zu weilen die mathematische Folgerichtigkeit des Aufbaus. Der gefor derte »logische Ablauf des Inhalts« ist nicht immer ge glückt. Die »Neue Typographie« will ein »U b e r f l i e g e n der Drucksache« ermöglichen; gewiß ein vernünftiger Standpunkt in einer Zeit, in der niemand Zeit hat. Dies erreichte man bislang dadurch, daß man die Hauptsachen, die Schlagwortzeilen usw. her vorhob, unterstrich oder farbig druckte. Viele der modernsten Druck sachen erschweren aber dieses Uberfliegen, weil zuviel her vor gehoben ist und weil das Lesen der senkrechten Zeilen durch das Drehen der Drucksache unzweckmäßig ist. Das Herausheben und In- das-rechte-Verhältnis-bringen der Schriftzeilen gemäß ihrer Be deutung ist eine der ältesten Buchdruckerregeln und nicht erst eine Errungenschaft der Neuerer. Wie bereits gesagt, herrschen das Ver schränken und der Rhythmus der Asymmetrie vor. Aus Asymmetrie wird aber leicht ein Chaos. Eine Betonung der Asym metrie darf nicht (wie bei so vielen elementaren Drucksachen) zu einseitigem Übergewicht, zu Zerrissenheit und Unübersichtlichkeit führen. Ein harmonisches Gesamtbild ist stets anzustreben durch
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