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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.01.1915
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1915-01-29
- Erscheinungsdatum
- 29.01.1915
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- Deutsch
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Nr. 23. ^^»«.^«usläüd ^^lgt^Ä-r^-gE ^umis^ps^^s. rr^NI^^ 2S4M^S^ö,M.° strWch^t" :» AMMMiLMrsMerUMÄAWWK Leipzig, Freitag den 29. Januar 1915. 82. Jahrgang. Redaktioneller Teil Nochmals: Dis Abtrünnigen? Ein Wort zur Verständigung von Eugen Dtederichs. (Vgl. Nr. 8, 12, 14, IS u. 17.» Ich habe mich in meinem früheren Aufsatz »Die Ab trünnigen?« (vgl. Nr. 9) freimütig geäußert, um im Geiste eines größeren, freiheitlich denkenden Deutschland der Zukunft zu einer Frage Stellung zu nehmen, die heute noch mit zu großer persönlicher Empfindlichkeit angesehen wird. Vielleicht ist es zu früh dazu. Aber da Selbstbesinnung im vaterländischen Interesse nötig ist, denn der Krieg soll doch nicht das Ergebnis haben, daß wir uns in unserer geistigen Struktur verengen, sondern noch mehr unser Eigenstes vertiefen, muß ich heute noch einiges Grundsätzliche zur Frage geistiger Volksernährung nachtragen. Ich glaube, mein Lebenswerk, nämlich die Arbeit an einer Vertiefung der deutschen Kultur, liegt so sichtbar vor jeder manns Augen, daß ich es für überflüssig halte, mich gegen den Kosmopolitismus-Vorwurf des Herrn Bernhard Staar zu wehren. Für ebensowenig fruchtbar halte ich die staats anwaltsmäßige Erörterung, wie weit Carl Spitteler oder sonst ein Ausländer entgleist ist. Jeder Deutsche hat Recht und Pflicht, abzulehnen, was Ausländer gegen sein eigenes natio nales Gefühl gesagt haben, und sie meinetwegen zu hassen, wenn es ihn dazu treibt, genau wie man im Privatleben den schneidet, den man nicht mag. Ganz neu im deutschen Geistes leben ist aber die systematische Herabsetzung literarisch be deutender Persönlichkeiten des Auslandes und die Ächtungs- aufsorderung wegen einzelner Sätze ihres Denkens, weil sie »Verräter« seien. Bisher haben wir nur von den Franzosen gehört, daß sie oft von »Verrätern« sprechen. Wir haben früher mit Er staunen und Widerwillen gelesen, daß die Engländer aus »moralischen« Rücksichten »ächten« sich erinnere an den Fall Wilde: es ist heute noch »sdoüinx« in England, seinen Namen zu erwähnen; ich erinnere an Gorkis Ächtung, als er den Boden von Amerika betrat). Mein Gott, wollen wir Deutschen, die wir Schiller, Goethe, Fichte und Kant als unser Panier haben, denn in englische Manieren oder in Dreyfusiaden Ver salien? Ist das nicht eine Zersetzung unseres literarischen Anstandes, wenn Mauthner im Berliner Tageblatt es un widersprochen wagen kann, Bergson einen seichten Schwätzer zu nennen, weil, wie Sophie Hoechstetter berichtet, keine Zeitung eine Entgegnung ausnehmen will? Können wir denn, wenn sich solche Handlungsweise mehrt, noch das Lob Maeter lincks »Deutschland ist das Gewissen der Welt« in Anspruch nehmen? Erinnern wir uns der Gerichtsverhandlung Hans Lodys in England. Alle Zeitungen haben mit Stolz davon be richtet, mit wieviel Würde und Männlichkeit jener für seine vaterländische Handlungsweise eintrat. Er war ein Spion, und doch trat ein Engländer auf ihn zu und schüttelte ihm, dem Todgeweihten, voll Anerkennung seines männlichen Ver haltens die Hand. Welche deutsche Zeitung hat es gewagt, zu sagen: Seht, das ist einmal ein Engländer, der fein ist und an dessen germanischem Charakter wir uns ein Muster nehmen könnten? Welche deutsche Zeitung wagt es, zuzu gestehen, daß die Serben wirklich ein tapferes Volk sind, trotz dem sie es jeden Tag beweisen? »Meuchelmörder« ist das sie erledigende Schlagwort der Leute, die nie einen der kraft vollen, serbischen Bauern gesehen haben und infolgedessen nicht wissen, daß jene mit der durch russische Korruption ver dorbenen herrschenden Stadtschicht in Belgrad nichts gemein sam haben. In der Renaissancezeit war Meuchelmord noch politisch erlaubt, freuen wir uns, daß wir einen Schritt in der Kultur weiter gemacht haben, auch der Balkan wird einst Nachkommen. Wer tapfer ist und seinen Mann steht, wer aus innerer Notwendigkeit heraus lebt, den wollen wir auch bei unseren Feinden anerkennen. Das ist deutsch. Nur der Starke kann und darf großmütig sein. Wo bleibt aber heute die innere Freiheit der Deutschen, die Fichte als erste Forderung deutscher Kultur aufstellt? Meine Herren Berufsgenossen, ich möchte mit Ihnen im Geiste Fichtes disputieren, der nichts Schwächliches im deutschen Wesen wissen will. Deutsch sein heißt Charakter haben. Und gegenüber allen Verengungsbestrebungen möchte ich hierhersetzen, was er am Schluß feines politischen Testa ments sagt. Fichte sprach also: »Dieses Postulat von einer Reichs einheit, eines innerlich und organisch durchaus verschmolzenen Staates, darzustellen, sind die Deutschen berufen und dazu da im ewigen Weltplane. In ihnen soll das Reich aus- gehen von der ausgebildeten persönlichen Freiheit, nicht umgekehrt; — von der Persönlichkeit, gebildet fürs erste vor allem Staate vorher, gebildet sodann in den einzelnen Staaten, in die sie dermalen zerfallen sind, und welche, als bloßes Mittel zum höheren Zweck, sodann wegfallen müssen. Und so wird von ihnen aus erst dargestellt werden ein wahr haftes Reich des Rechts, wie es noch nie in der Welt er schienen ist, in aller der Begeisterung für Freiheit des Bürgers, die wir in der alten Welt erblicken, ohne Aufopferung der Mehrzahl der Menschen als Sklaven, ohne welche die alten Staaten nicht bestehen konnten: für Freiheit, gegründet auf Gleichheit alles dessen, was Menschengesicht trägt. Nur von den Deutschen, die seit Jahrtausenden für diesen großen Zweck da sind und ihm langsam entgegen reifen; — ein anderes Element für diese Entwicklung ist in der Menschheit nicht da.« Der Buchhändler ist ein Faktor in der geistigen Entwick lung unseres Volkes, und er hat zu unterscheiden, was seine Privatmeinung ist und was er als Vermittler geistigen Lebens zu tun hat. Genau wie ein Oberlehrer nicht einen Jungen im Examen rasseln lassen darf, weil dessen Vater ihm auf die Hühneraugen getreten hat, hat er in seinem Berufe »ob jektiv« zu sein, hat er bei den Geisteskindern großer Männer richtig zu funktionieren. Wenn also Herr Bernhard Staar auf der nächsten Kantateversammlung den Antrag stellen würde, die »Verräter deutscher Kultur« zu ächten, würde ich folgendes mit Berufung auf Fichte antworten: Einsichtsuchende Berufsgenossen und Deutsche! Jede fremde Volkseigenschast muß aus sich heraus ver standen werden. Es geht nicht an, daß wir die Forde- 113
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