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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.06.1931
- Strukturtyp
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- 1931-06-20
- Erscheinungsdatum
- 20.06.1931
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- Deutsch
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X- 140, 20. Juni 1031. Redaktioneller Teil. Bürlenblatl s. d. Dtschn Buchhandel. das Ziel gesetzt hat, die kulturellen Beziehungen zwischen Amerika und Deutschland zu pflegen, und aus diesem Grunde mit allen maß gebenden Stellen drüben und bei uns in Verbindung steht, kann sie jedem nützlich sein, der sich bei einem Besuch Amerikas an sic wendet. Nur auf einen Sprung war ich in den Hellen Büroränmen, von denen man, da sie im 19. Stock liegen und noch nicht zugebaut sind, einen herrlichen Blick auf Philadelphia genießt, und schon wurde mir vom liebenswürdigen Geschäftsführer Willbnr K. Thomas und seiner Assistentin Helene Wittmann weitgehende Hilfe für die Zeit meiner Alleinreise angebotcn. Ahnen danke ich es, daß ich in Chicago von der berühmtesten Frau Amerikas, von Jane Addams, der großen Sozialpolitikerin der Staaten, zum Abendessen einge laden wurde. — Die Bestrebungen der Schurzgescllschaft gehen nach verschiedenen Richtungen. Sic stellt Geld zur Verfügung, um deut schen Universitätsbibliotheken die Anschaffung amerikanischer Litera tur zu ermöglichen. Sie fördert den Austausch von amerikanischen und deutschen Studenten, bei dem den Amerikanern das deutsche Stu dienjahr voll angerechnet wird. Sie unterstützt die Gründung eines intcrnaticnalen Studentenhauses und eine Art Collegcbetrieb in München, welche Stadt man ihrer benachbarten Lage zu anderen Ländern, ihrer intimen Reize, ihres siir Deutschland besonders typi schen Lebens wegen für diese Zwecke bevorzugt. Sie plant eine amerikanische Sommerschule für deutsche Lehrer. Sie vermittelt und veranstaltet deutsche Vortragsabende, bei denen der Redner nicht, wie es bisher meist der Fall war, nur vor seinen Landsleuten spricht. Es erscheint ihr von großer Wichtigkeit, daß gerade Amerikaner Ideen, Anschauungen und Wertungen deutscher Politiker und Ge lehrter hören und sich mit ihnen auseinandersetzen. Man bejaht die Arbeit der Schurzgesellschaft um so mehr, wenn man gesehen hat, wie sehr deutsche Kulturpropaganda im Vergleich zu der anderer Nationen in Amerika im Rückstand ist. Von Sortimentern und Buchhändlern. Der Name Brentano hat in jeder größeren Stadt einen gleich volkstümlichen Klang wie der eines Warenhauses: er ist die Verkörperung des Begriffes Sortiment. Ist man aber in Chicago, dann weiß man, daß hier der größte und schönste Bnchladen Krochs Bookstore ist. In der Tat, in die Reihe der eleganten Geschäfte der nördlichen Michigan Avenue fügen sich seine Auslagen hinter breiten, bei Tag und Nacht gleich Hellen Fenstern, vor denen man trotz des rasenden Verkehrs ungestört stehen bleiben kann, äußerst harmonisch ein, durch geschickte Anordnung und wirkungsvollen Auf bau der Bücher zum Eintritt und damit zum Kauf verführend. In den zwei Stockwerken, die die Buchhandlung einnimmt, findet man sich schnell zurecht, denn alles ist äußerst praktisch und übersichtlich gegliedert. Auf diesen Tischen liegen die Jugendbücher, nach be stimmten Jahrgängen abgestuft, auf jenen Romane, dort Novellen, hier die Neuerscheinungen des letzten Monats. Man darf überall herumgehen und suchen, man kann in Ruhe ein Werk durchblättern, ohne von den Angestellten mißtrauisch beobachtet zu werden (was nämlich auch Vorkommen soll). Es herrscht eine Atmosphäre des Behagens und Verstandenseins, die den Buchladen erst zu dem macht, was er sein soll: eine Stätte, von der geistige Klärung und Er frischung ausgcht. So braucht man sich hier über die vielen Besucher und Käufer nicht zu wundern, man fühlt sich ja selber von der ersten Minute an wohl und geborgen! Das hat bei mir freilich noch einen anderen Grund: Herr Kroch zeigt und erklärt mir per sönlich, was er geschaffen hat und anstrebt. Die Art des Chefs wird stets von entscheidendem Einfluß auf Verhalten und Benehmen seiner Angestellten sein. Das liebenswürdige und verständnisvolle Ein gehen auf alle Fragen, das Herrn Kroch angeboren ist, ist auch seinen Leuten in Fleisch und Blut übcrgegaugen. — In der wunder vollen großen Abteilung von Kunstbüchern aller Länder haben auch Typographie und Buchkunde ihren Platz. Wie stolz war ich, daß ich, als man mir das neueste Schrifteubuch einer bekannten Chicagoer Werbedruckerei, das mit besonderer Sorgfalt hergestcllt ist, zeigte, sagen konnte: Das kenne ich bereits — man hatte es mir am Tage vorher nach der Besichtigung der Firma geschenkt! In der deutschen Abteilung, die es bei Kroch neben einer englischen und französischen gibt, spielten damals Eippers Bilderbücher, Feuchtwangers »Erfolg«, der in der englischen Übersetzung mehr gelesen wird als das Original, Frank Thieß, Bonsels und Remarque eine größere Nolle. — Be kanntlich hat jeder echte Sortimenter, wie Herr Kroch sich selbst ironi sierend lachend gestand, den Ehrgeiz, auch Verleger zu sein. Ein schön ausgestattetes und gedrucktes Buch über Neue Architektur, das seiner unglücklichen (?) Liebe zum Verlag sein Entstehen verdankt, schenkte er mir zum Andenken. Neben den Großen des Buchhandels sollte man die mittleren und kleineren Betriebe im Ausland besonders beachten, da sich aus ihrer täglichen mühevollen Kleinarbeit die augenblickliche Lage des Buches unverfälschter ablesen läßt, besonders wenn sie schwierig ist. über die Stärke des deutschen Elements in Chicago wurde ich mir erst im Steuben B o o k st o r e klar, einer kleinen Buch- und Schreibwarenhandlung im hohen Steubengebäude/ in einer der be lebtesten Straßen des Loop, gegenüber dem großen, vornehmen, von einer süddeutschen Familie geführten Bismarckhotel. Sicher bilden die vielen durchreisenden Deutschen, die fast alle im »Neuen Bismarck« abstcigeu, einen großen Prozentsatz der Käufer bei Steu- bcn — das war auch bei mir der Grund der Bekanntschaft mit dem Geschäft —, aber den größeren bilden die in Chicago lebenden. Ein familiärer Ton herrscht zwischen Herrn H. Goldscheider und seinen Kunden, die sich mit ihren Wünschen vertrauensvoll an ihn wenden, und mit denen man gern einige deutsche Worte wechselt. Wenn sie alle das gleiche Entgegenkommen finden wie ich als Fremde — man verpackte und verschickte bereitwillig die Unmenge der mir geschenkten Bücher und Drucksachen (60 Pfund!) —, dann brauchen sie nicht zu klagen! Ich traute kaum meinen Augen, als ich hier neben Berliner und Münchner Illustrierter auch die Süddeutsche Sountagspost, das in Bayern beliebte Blatt der kleinen Leute, das jedem etwas bringen möchte, entdeckte. Die Heimat erschien plötzlich ganz nah, als ich hörte, daß »unsere SS« auch in Chicago eine kleine, treue Leser schar hat. Der Heimat begegnete mau ebenso in New Jork, in dem modern eingerichteten Sortiment von W e st e r m a n n , wo Herr Eisele sie verkörpert, bei G. E. Stechert L Co., wo Herr Alsr. Hafner trotz 40jähriger Einbürgerung in Dialekt und ruhiger Bestimmtheit seine Schweizer Abstammung verrät, bei Herrn Weyhe, der durch die Verbindung einer kleinen Privatgalerie, die moderne Bilder, Plastik und Graphik aller Nationen in wechselnden Ausstellungen zeigt, mit einer Buchhandlung, die neue und antiquarische Kunst bücher und Bücher über die Kunst führt, eine für New Aork neu artige Einrichtung geschaffen hat, die auch heule noch einen wichtigen Faktor im künstlerischen Leben der Stadt darstellt. Uber schlechte Geschäfte und Rückgang der Buchkäufe wurde nicht so geklagt wie bei uns, obwohl die damals bereits sichtbar werdende Wirtschaftskrise — Arbeitslose standen an den Ecken des Broadway und verkauften die von irgend einer wohltätigen Gesellschaft ge stifteten Äpfel! — auch den Buchhandel in Mitleidenschaft zu ziehen begann. Das Ein-Dollar-Buch, das im Frühjahr letzten Jahres soviel Aufruhr verursachte, hat trotz seines niedrigen Preises und seiner tadellosen Herstellung — es kann neben den deutschen 2.85-Mark-Bäuden sehr wohl bestehen — nicht den Absatz gefunden, den man dafür erhoffte, und man ist vielfach, wie z. B. Farrar L Ninehart, für Romane zum 2-Dollar-Buch zurückgekehrt, das nach Verlauf von 6 Monaten für die Hälfte verkauft wird. Dast mau auch in Amerika alle möglichen Mittel, wie Vorzugs-, nume rierte und mit einem Autogramm des Verfassers versehene Aus gaben auwendet, um die Zahl der Buchkäufer zu vergrößern, ist bekannt, auch auf die verschiedenen Buchklubs ist im Börsenblatt hingewicseu worden. Unterschätzt wird bei uns nach meinem Gefühl Lese- und Lernlust der Amerikaner. Wenn sie diese auch zum großen Teil in den öffentlichen Bibliotheken befriedigen, die ihnen nach ihrer Alltagsarbeit-und selbst au Sonntagen offensteheu, der Trieb ist da. Er wird bei einem Volk, das nach Jahrzehnten harten Kamp fes um die nackte Existenz zu Wohlstand gelangt, in dem Maße wachsen, in dem seine Kräfte für geistig-kulturelle Betätigung frei werden. Die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse Amerikas haben bereits ihren Niederschlag in der Zurückhaltung der amerikanischen Antiquare bei Ankäufen von internationalen Werten gefunden. Das gesamte deutsche Antiquariat spürt diese wenig erfreuliche Wir kung schon empfindlich. Dem deutschen Buchhandel droht die gleiche Gefahr, wie es scheint, insonderheit dem medizinischen Verlag. In jeder medizinischen Bibliothek, die besucht wurde, wiederholten sich die gleichen Fragen und wurden die gleichen Schlüsse aus den ehrlich gegebenen Antworten gezogen. Die Meinung war die, daß die deut schen medizinischen Bücher zu teuer wären, daß mau lieber auf die luxuriöse Ausstattung, auf mehrfarbige Tafeln und sorgfältige Zeich nungen verzichten würde, wenn dadurch ein niedrigerer Preis zu stande käme. Die amerikanische medizinische Wissenschaft mache solche Fortschritte, daß man mehr und mehr von deutschen Forschun gen unabhängig werden würde. Die Vorwürfe der Leiter der mit reichen Mitteln ausgestatteten großen medizinischen Bibliotheken, die trotz hoher Etats sehr wohl zu rechnen wissen, sollte man in Deutschland nicht zu leicht nehmen. Was nützen uns mit allein Raffinement ausgestattete wissenschaftliche Werke, deren gerechte Preis bildung wir bis zum äußersten verteidigen, wenn das Ausland Not wendigkeit und Berechtigung weder des einen noch des anderen Ge sichtspunktes anerkennt und aus diesem Grunde seine Käufe allmäh lich einstellt? 591
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