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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.03.1929
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- 1929-03-28
- Erscheinungsdatum
- 28.03.1929
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74, 28. März 192». Redaktioneller Teil. Börsenblatt f.d.Dtschn.Buchhaubel. gibt uns erst die nötige Distanz zu den Gegenwartsfragen. Wächst unsere Literatur aus Natur, Volkstum und Arbeit heraus, so wird sic auch knapp und ungekünstelt in ihrer Sprache sein. Denn sic schildert dann die aufbaucnden lebendigen Kräfte des Lebens, sic liebt die Menschen, die den Willen zur Form in sich steigern, weil Gesundheit eine Kraft ist, die den Menschen mit seinem Schicksal fertig werden läßt. Die augenblickliche Krisis in unserer Literatur hängt auch zusammen mit-ciner allzu starken Überfremdung mit ausländi scher Literatur. Aber auch sic ist nur eine Zciterschcinung, die abgclöst wird von der nächsten Literaturphasc, die Bindungen zu den Wurzeln unseres Wesens knüpft. Die Krisis des Buches beruht in der Hauptsache auf einer inneren Unsicherheit des deutschen Menschen. Ihre Ursache ist nicht allein die Hast unseres Lebens, die uns die durch die Technik entwickelte wirtschaftliche Betriebsamkeit auserlcgt, sondern ein wesentlicher Grund ist die Entfremdung des Städters von der Natur, die ihm ein Gegenstand der Ausbeute geworden ist. Die Mehrzahl der Städter lebt nicht mehr organisch. So herrscht die Freude am Schein und die Folge ist ein Sichvcrliercn in Genuß sucht. Alles Streben nach Genuß verengt, alles Streben nach Wachsen erweitert. Ich wiederhole nochmals, wir haben den Weg von Besinnung zu Gesinnung zu gehen. Dann kommen wir zuguterletzt zu einer sozialen Volksgemeinschaft, die weniger auf einem äußeren, gut konstruierten Mechanismus fußen wird als auf der Gesinnung des Menschen. Sie kann sich nur verwirk lichen durch eine vorhergehende Vergeistigung im religiösen Glauben. Vielleicht ist uns Goethe, dessen Todestag wir morgen mit dem Tag des Buches feiern, der Führer zu dieser Vergeistigung, denn seine zukünftige Wirkung liegt in seiner kosmisch religiösen Lebensauffassung. Er lehrt uns durch das Auge denken, alles Geschehen, alles Erleben des Weltgcinzcn symbolisch zu erfassen und cs als Gestaltung des Ewigen zu betätigen. Um den Weg von Besinnung zu Gesinnung zu gehen, werden vielleicht Jahrzehnte nötig sein. Darum ist es nötig, daß sich eine neue geistige Schicht im deutschen Volke bildet. Die bis herige geistige Schicht des Bürgertums kam aus dem Boden der Universität und dein Bürgertum des Besitzes. Dieser standen die materiellen Mittel zu ihrer Bildung zur Verfügung, aber die wirtschaftliche Sicherung ist durch die Inflation ins Wanken ge raten, und damit ist die Kaufkraft dieser Kreise verringert. Sie ermöglichten dem Verleger, manches Buch, das für innere Kon zentration bestimmt war, auf den Buchmarkt zu bringen. Es muß sich jetzt einfach eine neue geistige Schicht bilden, die durch Verantwortungsgefühl gegenüber unserem geistigen Erbgut alle Gruppen und alle Stände im Willen ergreift und diesen Willen zu einer Gemeinschaft des Denkens ausbildct. Ich möchte wünschen, der Tag des Buches würde ein Symbol dieses Willens der freien Selbstbildung. Dann hebt sich die Aufgabe des sogenannten »Lcbensbuches» von dem »Lesebuchc«, d. h. dem reinen llnlcrhaltungsbuch, klar unterschieden ab. Alles menschliche Leben, das innerlich wächst und dem die äußeren Ein drücke des Lebens — auch das unausbleibliche Leid — in sich za geistigem Erlebnis werden, bedeutet »Wandlung». Jede innere fortschreitende Wandlung führt immer näher an das Geistige heran, führt immer näher an das Verständnis für die organischen Gesetze des Lebens, führt immer näher an die Verwandtschaft zu Pflanze und Tier, führt immer näher Mensch an Mensch. Alles was gesät wird, muß erst in der Stille wachsen, bis cs Frucht trägt. Die menschliche Seele hat sich das Wort und die Vorstellung von Gott geschaffen. Die menschliche Seele wird sich nie von Sachlichkeit beengen lassen, sic strebt zur letzten Weite, zur letzten Entfaltung. Darum möchte ich mit dem Wort von Lagarde schließen: »Möge Deutschland nie glauben, daß man in eine neue Periode des Lebens treten könne ohne ein neues Ideal. Möge es bedenken, daß das wirkliche Leben eines Volkes nicht ge schenkt wird, sondern erworben werden muß». Walter von Molo / Der Weg des Schriftstellers in unserer Zeit. Ich spreche vom Verfasser guter Bücher, vornehmlich vom Dichter. Nicht jeder, der sich Schriftsteller nennt, ist auch einer. Der Schriftsteller, den ich meine, ist ein geistiger Mensch, der sein Erleben, in ihm innewohnender Form, seinen Mitmenschen mitteilt. Man sagt, es würde heute weniger in Deutschland gelesen, und daher käme die Not des Schriftstellers von Wert, des Dich» ters. Es wird zu wenig Wertvolles gelesen, es wird in großer Zahl fast nur gelesen, was Tendenz hat. Viel im üblen Sinne, aber auch mit Recht! Davon kommt die gegenwärtige Not des deutschen Dichters. Das Publikum will und muß sich über die Fragen der Zeit Klarheit erwerben und grcist daher vor allem nach solchen Büchern, die sich mit aktuellen Themen be schäftigen. Der Dichter, der nicht weiß oder vergaß, daß Dicht kunst immer aktuelle Themen zum Gegenstände hatte, ist in seeli scher Not. Es gibt Tages-Mtualität und, ich will sagen: Aktua lität des Unveränderlichen. Wertvolle Dichter sind in dieser Art immer aktuell, auch wenn der Anlaß ihres Werkes uns fremd wurde; derDichterist unveränderlich aktuell, der Zeit-Schrift steller ist nur zcitaktucll, er sucht heute den Dichter zu ver drängen. Der wertvolle Dichter ist durch die jahrelange Verantwor tungslosigkeit vieler minderwertiger Schriftsteller in Not, die sind stark schuldig, mitschuldig, daß unser Volk den Überblick ver lor und sich in der Literatur nicht mehr zurechtfindct. Der Dichter läßt durch die Macht seines Gestaltungsver mögens das andauernde Geheimnis des Lebens, das auch ihm zu schaffen befiehlt, dessen Gesetzlichkeit, den nötigen Widerstreit zwischen Wollen und Können, zwischen Wollen und Müssen, zwischen Freiheit und Beschränkung erleben. Ich spreche in be wußtem Gegensätze zu vielen aus, daß ein Werk, das die Gegen wart haßt oder von Anfang an nur das sogenannte »Ewige», das so leicht zur Phrase wird, zu gestalten versucht, nicht wert voll sein kann. Die Zeit der anmaßlichcn Samtjoppcn über selbst- geschaffenen Dunstwolkcn ist hoffentlich vorbei! Wir brauchen Menschen, dichtende Männer! Dem Schriftsteller be gegnet auf seinem Wege anderes Publikum als vor dem Kriege, cs ist zcitintcressierter, cs gewinnt in der Gestalt des Heutigen zufolge seiner Ermüdung, Verärgerung und erst wieder wer denden Herausbildung aus sich leichter als aus Verhüllungen. Das wertvolle Buch entnimmt seine Inhalte der Gegenwart. Ich verstehe unter Inhalt eines Buches nicht das Außere, nicht den Stoff, sondern dessen inneren Gehalt, dessen Seele, welche sich ausformt. Auch das historische Buch ist »aktuell«, wenn cs unserer Zeit Maßstäbe gewinnt. Auch das wertvolle historische Zcitbuch verlangt als Urheber einen Menschen des Heute. Das wertvolle Werk, greift es nun seine Stoffe aus der Gegenwart oder aus der Vergangenheit, ist immer von einem um das Heute Bemühten gedichtet. Es ist richtige Anschauung des Publikums, daß cs im Milieu der Zeit oder im historischen Milieu Fragen der Gegenwart direkt oder indirekt, durch des Dichters Gestaltung beantwortet erleben will. Aber nun kommt die Kehrseite: Nicht jeder Schrift steller, der in diesem richtig beanspruchten Sinne aktuell ist, ist wertvoll. Er kann ebenso wertlos sein wie der, welcher sich be wußt als zeitlos gebärdet und darum, wie er meint, schon »ewig gültig» ist. Das deutsche Publikum ersehnt aus richtigem Er kennen heraus Dienst für die Zeit! Dieser Fortschritt hat aber wie jeder Vorteil Nachteil gezeugt, den Nachteil, daß viele Be urteilung verloren wurde; dem heutigen Publikum geht fast durchaus das Zeit-Aktuelle über das Dichterische. Wenn ein großer Dichter keinen aktuellen Zellstoff nimmt, dann meint das Publikum heutiger Zeit, ein solches Werk gäbe ihm nichts. Das ist arges Übel. So leidet der Dichter und kann nicht erziehen, wie es nötig wäre. Den Schaden hat die Nation. Es gibt nichts Wertvolles, das nicht ein Stück der Ewigkeit ist, die all- gemeingültig, die nicht willkürlich, sondern gesetzmäßig ist! Wir hatten zu viel feierliche, sich »ewig- gebärdende Schrei ber, die verschnörkelte Kutschen fuhren, die leer waren, aber viel 341
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