MMMEdmDtMMVllcklumN Nr. 43. Leipzig, Mittwoch den 20. Februar 1S3S. 102. Jahrgang. „iVIit grölZtem Anteil kabe ick dieses Vuck durckgelesen... von 8eite ru 8eite stärker gekesselt durck das sckiickte wakre Vielen der 8ckreiberin..urteilt -^gnes iVUegel über die Schülerin." „Also Gelehrte!" meint er sehr verächtlich. „Na, was halten Sie von Ihrer Gelehrsamkeit?!" „Sie ist doch sehr gut!" sagt meine Mutter. „An Ihrem Äußern merke ich, daß Sie zu den Befehlenden, zu den Komman deuren Ihrer Armee gehören! Wenn Sie selbst nichts ge lernt hätten, wäre wohl aus Ihnen kein Kommandeur ge worden!" „So, denken Sie?!" fragt er, anscheinend sehr angenehm von der Bemerkung berührt, was er aber zu verbergen sucht. „Gelernt habe ich wirklich viel! Aber den alten Kram von all den Gelehrten, die das Volk durch ihre Gelehrsamkeit drückten, soll man zum Teufel jagen! So denke ich! bind ich tue das auch!" Meine Mutter und ich sehen uns an. Zählt er uns auch zu den „alten Gelehrten"? Wenn er den Tee ausgetrunken hat, was kommt dann? Wird er plündern oder morden? — Jedoch, durch den heißen Tee mit Sacharin ist auch seine Seele ausgetaut. Er steht langsam auf. „Sie Ge lehrte!" sagt er nochmals verächtlich, aber bedeutend milder. „Wenn Väterchen Machno die Macht über Ruß land bekommt, wird es euch gut gehen!" Dann geht er schwerfällig von dannen. Erst nach seinem Verschwinden wird uns unsere Lage klar. Was konnte alles passieren?! Bei unseren Bekannten kam so ein Kerl ins Haus, trank Tee, frühstückte und erschoß „aus Spaß" nachher Vater und Kind! Die „AroberunH'" cter Im Gang begegnen mir einige Rabfakstudenten*. „Ge nossin Gorjanowa, wann kommen Sie zur Konzertprobe?" — Ja, die Probe hätte ich beinahe vergessen! Jeder von uns alten Studenten — es sind ihrer nur wenige — hat viele neue Pflichten, die sogenannten Gesellschaftsarbeiten. Manche geben den Rabfakstudenten Unterricht in allen Fächern, andere sammeln Beiträge für die Weltrevolutions- hilfe „Mopr" und tragen die neuen Mitglieder ein. Ich habe Glück, da ich in meiner Gesellschaftsarbeit den Rab- faks den harmlosen Musikunterricht gebe. Genosse Wow- tjchenko, ein langer, magerer Kerl im alten Soldatenanzug, mit wüst ums Gesicht hängenden Haaren und unruhigen Augen, kommt auf mich zu. Er singt eine Solopartie im Konzert und wählte die „Drei Musketiere". Das sich im Text wiederholende Wort „Kaiser" stört ihn nicht. Er findet die Musik sehr feierlich. Ich weiß, daß Genosse Wowtschenko im Weltkrieg einen Kopfschuß und in der Roten Armee ein paar Wunden erhalten hat. Seine ständige nervöse Gereiztheit berührt mich jedesmal wie eine elektrische Welle. „Genossin Gorjanowa? Ich will vorher mit Ihnen üben! Lieber ohne Zuhörer, die stören mich immer!" Ich gehe nach Hause. Seitdem ich in der Familie der Freunde meiner Eltern allein lebe, habe ich zwei, freilich völlig verwüstete Zimmer. Da stehen nun einige unserer alten Möbel. Die Zimmer liegen im Erdgeschoß. Nachts schiebe ich einen Schrank vor das Fenster, das nach der Straße geht, da die Fensterläden fehlen und ich mich vor Einbrechern fürchte. Vor dem Klavier hat sich Genosse Wowtschenko auf einem Stuhl ein Pult aufgebaut. Ich setze mich ans Klavier, Genosse Wowtschenko besitzt eine kräftige Stimme jedoch kein Gehör, und mit dem Lesen von Text und Noten uieccuuam-vcirc^tZ sM.e.n. - ocirciu unc> ccieria Börsenblatt s. d. Deutschen Buchhandel. 102. Jahrgang.