Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.12.1925
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1925-12-01
- Erscheinungsdatum
- 01.12.1925
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-19251201
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-192512017
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-19251201
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1925
- Monat1925-12
- Tag1925-12-01
- Monat1925-12
- Jahr1925
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
260, 1. Dezember 1925. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d, Dtschn. Buchhandel. 19l53 Handel. In überraschend kurzer Zeit jedoch wandte sich das Blättchen. Der Verlag und das Sortiment konnten sich schnell unpassen, und ein großes Geschäft mit Druckerzeugnissen, die den Begebenheiten dienten, begann. Das Antiquariat, dem diese Um stellung nicht möglich war, litt. Aber es vergingen nur wenige Monate, und der sehr schnell aufgeblähte neue Reichtum, «basiert auf Kriegslieferungen, erhob sein Haupt, ohne daß er in jener Zeit dem alten, fundierten Abbruch tat. Dieser neue Reichtum legte bald seine Mittel in allem an, was der Kunst und dem Luxus diente, damals noch aus der Überzeugung, daß solcher Be sitz zur Vornehmheit gehöre, und noch ohne «den Hintergedanken der Substanzbewahrung. In demselben Augenblick begann der Weizen des bibliophilen Antiquars zu blühen. Er machte glän zende Geschäfte. Die kostbarsten Bücher wurden ihm aus der Hand gerissen von jenen, die das Geld in einer Fülle und einer Kürze der Frist erworben hatten, welche beispiellos war, und die die Mutmaßung hegen konnten, daß sich diese Verhältnisse inner halb einer absehbaren Zukunft nicht ändern würden. Das biblio phile Antiquariat, das ja kaufmännisch immer weit tüchtiger war als das -wissenschaftliche, weil es viel mehr mit dem öffentlichen Leben zusammenhängt, verstand die Konjunktur auszunutzen und erhöhte seine Preise, zumal da ja der Krieg eine empfindliche Sperre der Zufuhr, also des Angebots, zur Folge hatte. In derselben Zeit ging es aber dem wissenschaftlichen Antiquariat denkbarst schlecht. Im Inland gab es keine andere Wissenschaft mehr als diejenige, die den Erfordernissen des Schützengrabens diente, und das Ausland kam, teils durch den Kriegszustand, teils — soweit es noch neutral tvar — durch die Kriegsmaßnahmen der Feinde, als Absatzgebiet nicht in Frage, zumal von dem Augenblick an, als das für den Handel so wichtige Nord-Amerika in den Krieg eintrat. Denn es ist wesentlich, hervorzuheben, daß das wissen schaftliche Antiquariat immer ungleich mehr als das bibliophile auf den Weltmarkt angewiesen ist. Nicht nur daß der inländische Kundenkreis selbst in jenen Jahren, als wir noch reich waren, viel zu klein war, um ein wissenschaftliches Antiquariat lebens fähig zu erhalten, es entspricht auch dem Wesen seiner Ware, die viel mehr internationaler Art ist, die Möglichkeit, den ganzen Erdkreis als Kundenkreis anzusehen. Hauptmanns »Promethiden- los« ist schon im benachbarten Frankreich unverkäuflich, aber Helm- holtz' »Physiologische Optik« wird überall gekauft, wo Menschen fitzen, die für exakte Wissenschaften Interesse haben, in den Anden und in Sibirien. Dieses ausländische Absatzgebiet war mit einem Schlage durch den Krieg gesperrt. Die Unmöglichkeit, verkaufen und alte Schulden einkassieren zu können, wuchs zu einer Kata strophe heran, zumal da ja gerade das gesunde Antiquariat seine Mittel immer wieder in Neuerwerbungen anzulegen Pflegt und immer weit weniger über flüssige Mittel verfügen kann als so viele andere kaufmännischen Berufe. Es ist ein glänzendes Zeichen für die Solidität, die dem wissenschaftlichen Antiquariat inne wohnt, daß trotz dieser 4 Jahre währenden Not keine Firma von Rang zusammenbrach, wenngleich es andererseits anerkannt wer den muß, daß die deutschen Staaten in großzügiger Weise gerade hier durch Kredite einsprangen. Dieser schlimme Zustand -dauerte während des Krieges an, ja er wurde noch dadurch verschärft, daß der kümmerliche Export nach neutralen Staaten aus dem Grunde weiter beschränkt wurde, daß die Ausfuhr einer Zahl von Kate gorien wissenschaftlicher Literatur von «den stellvertretenden Ge neralkommandos -aus Gründen der Staatssicherheit untersagt werden mußte, so z. B. die der chemischen und technischen Bücher. Daß trotz aller dieser Hindernisse manches, soweit es gestattet war, auf Umwegen ins feindliche Ausland exportiert werden konnte, ist mehr ein Zeichen der Unentbehrlichkeit des deutschen wissen schaftlichen Antiquariats, als daß es für das letztere wirtschaftlich in die Wagschale hätte fallen können. Nachdem der Krieg beendet war, begann für das wissenschaftliche Antiquariat die Schmierig keit der -Wiederanknüpfung abgerissener Fäden, eine Arbeit, die auch jetzt noch nicht -abgeschlossen ist. Es hat auch heute nach der Überwindung einer 10jährigen Periode, die ihm große Ver luste gebracht hat, seinen -wirtschaftlichen Stand von früher noch nicht wieder erreicht; schon weil der nachträgliche Erlös aus dem durch 4 Jahre nicht befriedigten Bedarf des kaufwilligen Aus landes den Ausfall doch wohl nicht wett gemacht hat, der aus der andauernden Kausunwilligkeit einer beträchtlichen Zahl aus ländischer Kunden ihm erwachsen ist und erwächst. Jetzt wird es wiederum geschädigt dadurch, daß das Drucken von Katalogen in Deutschland derart unverhältnismäßig teuer geworden ist, daß die Katalogisierung kleiner Werke und Abhandlungen, über deren enorme Wichtigkeit schon gesprochen wurde, in Frage gestellt ist. - Was das bibliophile Geschäft anlangt, so war auch nach dem Kriege dessen Lage eine vollkommen andere als die des wissenschaftlichen. Mit dem Zusammenbruch der Front und der Mark kam der mäch tige Wunsch aller Deutschen zur Erhaltung der Substanz, und wieder drängte sich, jetzt aus diesem Grunde, das Publikum in Kunst- und mit dieser verwandte Läden. Zugleich wurde eine überaus große Zahl von Sammlern wirtschaftlich ruiniert und mußte Bibliotheken verkaufen, die auf dem Wege über bibliophile Antiquariate und Auktionsinstitute begierig vom In- und Auslande aufgesogen wurden. Diese Erscheinung er streckte sich natürlich auch auf wissenschaftliche Bibliotheken, zu deren Ankauf aber dem wissenschaftlichen Antiquariat in jener Zeit oft die Mittel fehlten, die ihm die Jahre wirtschaftlicher Not geraubt hatten; manche von diesen Büchersammlungen gingen da mals ohne seine Vermittlung in das Ausland. Und wieder hat sich jetzt das Blättchen gewendet; eine wirtschaftliche Krisis er schüttert Deutschland. Der Himmel des bibliophilen Antiquariats, das ja weit abhängiger ist von inländischer Kaufkraft und von den Konjunkturen, die -diese-beeinflussen, überzieht sich mit Wolken, das wissenschaftliche ist relativ gesund, da es vom «deutschen Bedarf nicht abhängig ist. Hat man, -wenn man diese wirtschaftlichen Bewegungen und ihre Wirkungen betrachtet, die Deutliches aussagen und zu klar sind, als daß inan leugnen könnte, nun nicht das Recht zu sagen: Es sind zwei tatsächlich -verschiedene Arten von Geschäften? Es müssen doch wichtige innere Gründe sein, aus -welchen heraus die gleichen politischen und wirtschaftlichen Erscheinungen -des letzten Jahr zehntes so grundverschieden auf die beiden Zweige wirken konnten. ()uo<j erat ckemoustranckum. Zum Schlüsse muß ich, um jeder Kritik solcher zu begegnen, die meine Zeilen bloß durchflogen haben, nochmals betonen, daß ich mir -der Tatsache voll bewußt bin, daß von einer scharfen Trennung der -beiden Sparten nur in gewissen Fällen die Rede sein kann. Sie ist scharf gezogen zwischen dem Antiquariat, Las medizinische, naturwissenschaftliche oder juristische Literatur vertritt, und jenem, das mit Inkunabeln und Erstausgaben geschätzter schöngeistiger Autoren früherer und jetziger Zeit handelt. Die Trennungslinie verschwimmt für jenes Antiquariat, das sich der Kunst und deren Wissenschaft und Geschichte, der Historie oder der Philologie wid met. Das ändert aber nichts an dem Faktum, daß sie existiert. Und unwillkürlich drängt sich nun die Frage auf: Welcher von den beiden Antiquariatszweigen ist -der höher zu schätzende? Wenn ich die Krone dem wissenschaftlichen Antiquariate reiche, so bin ich mir der Fehlerquelle in meinem Urteil wohl bewußt, die darin besteht, daß wir Menschen zwangsläufig genötigt sind, alles zu überschätzen, was mit unserem Ich zusammenhängt, also auch — zu unserem höchsten Glücke — die Wichtigkeit unseres eigenen Berufes. Der -Selbsterhaltungstrieb, der ja eine maß lose Jch-Überschätzung darstellt — wer von uns würde, vor die Wahl gestellt, ob Tausende Mitmenschen sterben sollen oder unser eigenes Ich, den eigenen Tod vorziehen? —, -ist eine von den Er scheinungen, die aus diesem physiologisch verankerten Grunde wächst, die Tatsache, daß ich, der ich wissenschaftlicher Antiquar und Verleger bin, meine Arbeit für wertvoller halten muß als die des bibliophilen Kollegen, eine andere. Und diese Trübung des Urteils wird nicht Heller, sondern nur anders gefärbt, wenn ich, nur um einem möglichen Fehlurteil zu entgehen, mich zwinge, dem andern ein Übermaß -von Gerechtigkeit entgegenzubringen. Vielleicht muß man aber wirklich bei aller Befangenheit — ge sehen sab gpeels aslsraitotis — zugeben, daß jener Antiquar, der der Wissenschaft dient, die Zukunft hat, und daß er daher, zum mindesten wegen -des Zweckes, dem er sich widmet, den Vorrang verdient. Wie dem aber auch sei, freuen wir Deutschen uns, daß wir zwei solche Kerls haben. Börsenblatt s. den Deutschen Buchhandel. »2. Jahrgang. 2517
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder