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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 28.11.1932
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1932-11-28
- Erscheinungsdatum
- 28.11.1932
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- Deutsch
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Li»« litvrarisvlrv I^rvi8»nlK»I»v Wenn Sie Verleger wären, dany brächte Ihnen die Post täglich einen gan- zen Stoß Manuskripte. Die müßten Sie nun durchsetzen und das Druckenswerte heraussuchen, Cs ist meist nicht viel, was von IVO Manuskripten als wertvoll aus- geschieden wird, wenn es gut geht, sind es 5 oder 6, aber auch das ist noch zu viel, um gedruckt zu werden, Run heißt es ent scheiden, was wirklich als Buch erscheinen soll. Das ist dis schwierigste Ausgabe des Verlegers und diese Rolle sollen Sie heute einmal übernehmen. Zwar ist die Entscheidung über die Annahme des Ma- nuskriptes schon gefallen, aber wer sagt, daß sie unbedingt richtig ist? Wie ein gewissenhafter Lektor sollen Sie heute Ihr Urteil über den Roman schriftlich niederlegen, um dadurch sich selbst klar zu werden über den Wert des Werkes und dem Verleger zu zeigen, wie S i e dar- über urteilen, Run zum Manuskript, Cs ist ein Ro- man im Umsang von etwa 258 Seiten, Die Verfasserin ist eine Frau, geborene Iran- zösin, verheiratet in Graz, Sie schrieb schon ein Werk, das zwei Auslagen er lebte, ein liebenswürdiges fröhliches Buch, den „Psarrer von Lamotte", Run legt Helene Haluschka ein neues Manu skript vor, das inhaltlich mit dem ersten Buch säst nichts gemeinsam hat. Cs ist ein Roman, der ganz in modernen Mi lieus, Ideen und Formen spielt. Die Hauptperson ist Wols Wilde, ein junger Mensch mit allen Ligenschasten der Ju gend von 1932, Aus dem Hintergründe einer brüchigen Che zeigt die Verfasserin seine gärenden und ausrührenden Iugend- probleme, dazu aus neutralem Schweizer Boden die nationalen Gegensätze und Ge- meinsamkeiten junger Deutscher und Franzosen, Um Ihnen ein klares Bild des Werkes zu geben, drucken wir ein Kapitel daraus ab. Wenn Sie das Buch ganz gelesen ha- ben, dann schreiben Sie uns bitte Ihr Ur teil, Die besten 5 Lösungen belohnen wir mit je 2 belletristischen Werken unseres Verlages nach eigener Wahl der Einsen- der, die nachfolgenden 2g besten Urteile mit je einem Roman unseres Verlages, ebenfalls nach eigener Wahl der Einsen der, Die Urteile dürfen 2 Schreibmaickii- nenseiten nicht überschreiten und müssen bis 15. Dezember 1932 bei uns eingegangen sein. Die Zusen dung der Preis« ersolgt noch vor Weih nachten, i Ävr «naüv von Ilullindilti» Run kam für Wols der Tag seiner Promotion zum Doktor der Heilkunde. Die Mutter strahlte und weinte vor Freude, sein alter Professor Werther umhalste ihn vor allen Menschen, und dis alte Fanny hielt ihre Glückwunschrede in selbstversaßten Versen, Sie nahm jede Gelegenheit wahr, um ihn mit „Herr Dok- tor" anzusprechen, und meinte schließlich sehr gerührt: „Mein Gott und Herr, wer hätte da mals das gedacht, daß so a klaner gscher- ter Aff a großer Herr Doktor werden wird!" Cr wußte, daß er in ein volles und er», stes Leben trat und den Kamps auszuneh- men hatte, Cr nahm eine sich bietende Stelle als Assistenzarzt an einem Wiener Spital an und diente unter der Leitung eines ehemaligen Kriegskameraden seines Vaters, An der frappanten Ähnlichkeit hatte ihn sein Lhes erkannt und sich sehr gefreut, mit ihm arbeiten zu können. Ja, Wols wollte an die Arbeit gehen, mit ganzer Energie, aber ohne Freude, Das Schuldbewußtsein ließ keine innere Fröhlichkeit auskommen, Pflicht war das Leben, nur Pflicht, und er hasste, seine Schuld an Pvonne durch den Frondienst büßen zu können. Lange hatte seine Seels mit einem Gott gerungen, der ihn nicht segnen wollte. Bis zum Brechen hatte er die Flügel an gespannt und das serne Land doch nie er. schaut. Und trotzdem schrie alles in ihm: Ich laste dich nicht, du segnest mich denn. Der neugebackene Doktor ließ es^ sich nicht nehmen, noch am selben Abend seine alte Freundin, Fräulein Werther, die ihr Krankenlager nicht mehr verlaßen konnte, zu besuchen. Sie hatte ihn wohl erwartet, Ihre Augen lächelten ihm übermütig ent. gegen, als sie ihn mit „Herr Doktor" be grüßte, „Bitte, Fräulein, lasten Sie das; Sie sehen, ich bin meinen neuen Paradefrack gar nicht gewöhnt und komme mir darin sehr ungeschickt vor. Und alt bin ich auch geworden. Auch der wilde Knabe bin ich nicht mehr. Ihnen macht das vielleicht Freude, aber mich betrübt's," Sie reichte ihm die Hand, „Ich sage also nicht mehr Herr Doktor, dafür aber sagen wir uns Du." Richts hätte Wols größere Freude ma chen können, und er hatte seine ganze neue Doktorwürde nötig, um Fräulein Wer ther nicht um den Hals zu fallen, „Du mußt mir aber erlauben, dir mein« alte Liebe zu gestehen. Seit sieben Jah ren liebe ich dich. Hättest du mich solcher Treue für fähig gehalten?" Sie lachte ihr junges Lachen, „Von dir erwarte ich noch ganz andere Wunder," „Zum Beispiel?" „Das ist mein Geheimnis," „Hast du so viel Vertrauen zu mir?" „Za — zu dem, der du erst werden wirst," Wolf sah auf das bleiche Gesicht der alten Freundin und das Leuchten in ihren Augen, Durchscheinend, wie aus Alabaster gemeißelt, lagen ihre Hände im Schoß, durchleuchtet und von innerem Feuer er- wärmt schien ihr Gesicht, Sie schien die Schwelle der Ewigkeit bereits überschrit ten zu haben. Stammte sie aus jenem ser- nen, geahnten Land, von dem ihm die kleine Rosemarie einst gesprochen hatte? Cr lächelte wehmütig vor sich hin und schüttelte den Kops über seinen eigenen kleinen Menschenverstand, Cr glaubte nicht an jenes Land, Aber er glaubte, daß es Menschen gab, die es erleben durften, da er sie ja selbst am Leuchten ihrer Augen zwischen tausend anderen heraus erkannte. Rach einem langen Schweigen stand er aus und nahm Abschied von der Freundin. Am Abend jenes Tages trat Frau Inge aus leisen Sohlen in das Zimmer ihres Sohnes und legte sichtbar ergrisscn ein vergilbtes Büchlein aus den Tisch, „Vor einigen Tagen Hab' ich das zwi schen altem Kram am Dachboden gesun den, Ich wollte es dir als Überraschung am heutigen Tage überreichen," Cs war eine kleine Ausgabe der Heili. gen Schrift, die den Ramen seines Va ters trug. Das Buch, das ihn ins Feld begleitet hatte. Aus der ersten Seite stand von seiner Hand geschrieben: „Ich laste dich nicht, du segnest mich denn," !lnd darunter: „Du würdest mich nicht suchen, wenn du mich nicht schon gefunden hättest," Wols war allein. Mit seiner Seele allein. Das Buch, der letzte Freund und Trö ster seines Vaters, vielleicht der einzige Zeuge seines Todes, lag da vor ihm voll Geheimnissen und Erinnerungen, die der Sohn nicht verstehen konnte. Voll innerer Scheu hielt er es mit zit- ternden Händen, Dann zog er aus einer Lade das einfache Kreuz, das ihm einst Rosemarie geschenkt und legte es mit dem Bild des Vaters zwischen die vergilbten Blätter, Ihm war, als hielte das kleine Buch alles umfangen, was sein Erbe auf Erden, was seiner Seele zu eigen für im- mer war, „Du würdest mich nicht suchen, wenn du mich nicht schon gefunden hättest " Dies war vom Vater in höchster Rot gespro chen und ihm zur Sicherheit geworden, Wolf stützte den Kopf in die Hände und begann zu lesen — Zeile sür Zeile, llnmerklich glitt die Rächt an ihm vor über, er süblte nicht die Zeit und körte keine Stunde fallen vom nahen Glocken turm. Cr war lebendigindieEwigkeitgetreten, 5
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