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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 14.08.1934
- Strukturtyp
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- 1934-08-14
- Erscheinungsdatum
- 14.08.1934
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- Deutsch
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W 188, 14. August 1S34. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. Dtschn Buchhandel. Aus den Jahren eines säst täglichen freundschaftlichen und kameradschaftlichen Verkehrs mit Paul Ernst in meiner Weimarer Zeit erinnere ich mich, daß wir häufig über den Begriff des »gei stigen Eigentums« gesprochen haben und daß der fast ein Jahrzehnt ältere, erfahrenere und im Durchdenken der Dinge damals schon zu Ergebnissen weit abseits und über der allgemeinen Anschauung ge kommene Ernst — der zudem immer ein Liebhaber des Wider spruchs, oft genug gegen sich selbst, war — zu meinem Erstaunen diesen Begriff des geistigen Eigentums überhaupt für einen Un sinn, für die gedankliche Mißgeburt eines alles nur unter dem Bilde von Waren und Warenpreisen vorstellenden Zeitalters erklärte. Aller Minderwcrl des neueren Schrifttums, so behauptete Paul Ernst, sei allein auf Rechnung des geistigen Eigentums zu setzen. Ihm kam es dabei weniger auf den Nachweis der inneren Unberechtigung an, Schöpfungen des Gesamtgeistes, die in einem einzelnen ans Licht treten, diesem letzteren als alleinige Leistung anzurechnen, als auf die Wirkungen des geistigen Eigentums: Keiner der jetzt reich werdenden Erfolgsschmicranten, meinte Ernst mit Recht, gleichviel ob in Theaterstücken oder Lese-Unterhaltungs- ware, würde mehr eine Zeile schreiben, wenn er kein Geld damit verdiente. Diese übelste Literatur würde sofort verschwinden, wenn es kein geschütztes geistiges Eigentum gäbe! Aufgabe des Staates würde cs dann natürlich sein müssen, die echten Dichter zu erhalten und ihnen das Leben zu sichern. Paul Ernst sah die Schwächen dieser Auffassung auch und widersprach mir nicht, wenn ich entgegnete, daß zwar die Erfolgsschreiber aber nicht das ebenso unangenehme von Apoll begeisterte und mit Herz blut schreibende Dilettantentum aufhören würde und daß der Staat nicht immer auch gleich die richtigen und wirklich echten Dichter an seine nährende Brust drücken möchte — wie wir es ja damals mit der amtlich geförderten Kunst und Dichtung vor dem Kriege deut lich genug erlebten. Ich will hier in die Erörterung dieser grundlegendsten aller Fragen, die die Eingliederung des Dichters und seines Werkes ins Dasein und in die Wirtschaft der Gesamtheit betreffen, nicht näher eintreten. Es schien mir aber wichtig, auch bei Behandlung nur der Leihbüchereien wenigstens daraus hinzuweisen, daß hier tiefste Fragen ungelöst vorhanden sind, deren derzeit gültige Beant wortung durch das Gesetz nicht die der Idee entsprechende zu sein braucht. Nachdem ich auf diese Fragen, mehr noch Fragengruppen hin gedeutet, kann ich mich bei Erörterung der Leihbüchereien aller Rücksichtnahme aus die wirtschaftliche Seite der Sache enthalten. Ich brauche jetzt nur noch vom geistigen und ideellen Standpunkt aus aus meine Aufgabe zu schauen. Vielleicht wird ein eifriger Verfechter der Leihbüchereien sagen: Wie soll ein armer aber nach geistiger Nahrung hungriger Mensch überhaupt ohne Leihbücherei sich bilden können? Der Geg ner des zu mietenden Buches aber ruft: Gerade das Berschlingen- können alles möglichen Lesestoffes, wie es die Leihbüchereien ge schehen lassen, verhindert wahre Bildung. Nur die kleine Haus- Lücherei hat ideellen Wert! Ein Rückblick durch die Kulturgeschichte belehrt uns darüber, daß nicht nur in den Zeiten Griechenlands und Roms und aller Vorvergangenheit, sondern bis lange nach der Erfindung der Buch druckerkunst Bibliotheken — hier steht das Fremdwort zu Recht! — öffentliche, staatliche oder kirchliche Einrichtungen waren. Allenfalls hatten seltene, sehr reiche und fürstlich lebende Personen auch einmal eine eigene häusliche Büchersammlung. Aber das war so sehr Ausnahme und etwas so Beachtliches, wie es noch heute etwa der private Besitz einer nennenswerten Bildergalerie ist. Wie die Bildergalerien und Museen, für unser heutiges Ge fühl selbstverständlich, öffentliche Einrichtungen sind, so waren das die Bibliotheken mindestens bis ins achtzehnte Jahrhundert hinein auch. Erst die große Verbilligung der Bücherherstellung und die Entstehung eines wesentlich auf Bildung fußenden weltlichen Stan des von einiger Wohlhabenheit, in dessen Hand die Hut des Geistes kam, ermöglichte überhaupt eigene kleine Hausbüchereien in der Breite des Volkes. 724 Di« alten staatlichen, städtischen, klösterlichen und Hochschul bibliotheken verliehen im allgemeinen natürlich ihre Schätze keines wegs wie eine heutige öffentliche Bibliothek oder eine Leihbücherei. Die Hauptaufgabe der Bibliotheken alter Zeit war die Bewahrung der wesentlichen Werke, des Gedächtnisses und Wissens der Mensch heit. Jede Bibliothek war gewissermaßen ein Jnnenraum des Menschheitsgeistes, ein Laboratorium, in dem das Werk- und Rüst zeug für die Wissenschaft und Forschung, die Weisheit und alle Kunde überhaupt bewahrt wurde. Aber wenn auch kaum etwas von den Rollen in alter Zeit und dann den Büchern verliehen wurde, so standen die Werke doch in den Bibliotheken stets vielen Lesern, nicht nur einem, zur Ver fügung: Den Mönchen des betreffenden Klosters, den Gelehrten und Studenten, den staatlichen und städtischen Beamten. Und es scheint mir, wenn ich mir die Idee des Buches klar mache, auch durchaus seine schönste Aufgabe zu sein: Immer wieder dem Leben zu dienen, in der Hand immer neuer Leser auch erneut seine Segens und Zaubertränke zu spenden — nicht, wie das doch sehr vielfach in Haus- und Familienbüchereien der Fall ist oder jedenfalls in der Zeit des allgemeinen Wohlstandes und des achtlosen Bücher- kaufens war, nach einmaliger unachtsamer Losung vergessen in einem Bücherschränke zu verstauben. Dies Beschäftigen immer neuer Leser und Leserschaften erfüllten die Bücher der alten Bibliotheken. Erst unsere Möglichkeit, die Bücher verhältnismäßig billig in großen Massen hcrzustellen, hat dem einzelnen Stück des Buches etwas von jener Bedeutung und Aufgabe, sich wie ein Einzelwesen immer wieder mit einem anderen Einzelwesen, dem Leser, in Be ziehung zu setzen, abgestreift. Das alte handschriftliche Buch oder der frühe Druck war etwa das, was uns der ideelle und viele tau send Male vervielfältigte Inhalt eines Werkes ist: Er fiel noch mit dem in seine festen Deckel gebundenen Papier oder Pergament zusammen, wurde in der Vorstellung der Menschen noch nicht von dem stofflichen Buch abgetrennt. Das Zurückgreifen aus die Frühzeit unh den Ursprung einer Erscheinung ermöglicht es am leichtesten, sich bei Fragen, die in der Entwicklung dieser Erscheinung auftauchen, eine Richtschnur zu schaffen. Dies also läßt sich für die Leihbüchereien anführen: Daß sie mit der ursprünglichen Idee des Buches, viele Leser zu beschäfti gen, gewiß in keinem Widerspruch stehen. Wenn ich an die tief greifende Umwandlung unserer Zeit und unserer Gesellschaft denke, an die vermutlich doch noch lange Jahre sparsame und einge schränkte Lebensführung, so, meine ich, wird es auch für einen sehr großen Teil unseres Volkes gar nicht anders möglich sein, als daß ihm die Arbeit für Schaffung und Pflege, Erneuerung und Er gänzung seiner Bücher von berufenen Leuten abgenommen wird, die nichts anderes als das zu tun haben. Diese wichtige Ausgabe können die Leihbüchereien natürlich nur zum Teil erfüllen. Sie sind rasch vergänglich, sie haben keine Möglichkeit, Bücher über lange Zeit immer bereit zu halten, sind — schon ihres Aüfstellraumes wegen — an eine gewisse kurzfristige Zeitgemäßheit gebunden. Wenn ich aber eine Einrichtung an sehe, wie sie hier in Konstanz z. B. die auf'einer Stiftung be ruhende Wessenberg-Bibliothck ist, die jeder Bürger der Stadt wie eine eigene benutzen kann, deren Katalog bei jedem steht und in der er die Bücher zum Nachschlagen, zum Wiederlosen bereit gehal ten weiß, so erscheint mir das als eine zweifellos für sehr viele Menschen glücklichste Lösung der Leihbüchereienfrage. Gewiß: Seine Lieblingsbücher, die, zu denen man immer wie der greift, und die, die wie der »Faust«, die Lutherbibel, Hölderlin — um nur ein paar der alten zu nennen —, der Stolz der Nation sind, soll schon der junge Mensch, sobald er nur dazu imstande ist, sich anschasfen und als seine Freunde immer um sich haben. Je wohlhabender er ist, um so größer wird seine Verpflichtung, diesen Kreis zu erweitern, nicht allzuviel« Lücken in ihm zu lassen und für sich und seine Nächsten ein Bild der geistigen Leistung seines Volkes und weiter der Menschheit um sich zu haben. Aber für die Allgemeinheit, für alle die jungen Menschen, die noch keinen Haus stand gegründet haben und noch nicht seßhaft sind, für alle die Hausstände, die sich eine größere eigene Bücherei nicht leisten
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