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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.08.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1934-08-04
- Erscheinungsdatum
- 04.08.1934
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- Deutsch
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schrieben — heute, da wir wieder das Barbarcngcschrei hören, weiß einhellig die ganze deutsche Presse, was Hamsun für uns bedeutet.) Ein Zeichen der Tatsache, daß Hamsun nun durchgcdrungen ist, darf man in der einmütigen Bejahung des »Segen der Erde« (1918/19) sehen. Aber freilich kam dieses Buch von der Heimkehr zur Erde auch in die bereiteste Zeit. Das Granen des eben nberstandencn Krieges läßt die Sehnsucht nach solchem Leben begreiflich erscheinen. Im Lob dieses Werkes begegnen sich »Frank furter Zeitung«, »Vorwärts« (»ein Roman der Scholle«) mit dem »Tag«, der »DAZ.«, den »Preußischen Jahrbüchern« und den »Sozialistischen Monatsheften«, nur Fräulein Toni Schwabe ver mißt das Dichterische an diesem Buch, und — damit hier auch die Ironie nicht fehle — in der »Selbstwehr«, einem zionistischen Blatt in Prag, betont Felix Weltsch den Unterschied der jüdischen Ironie und der Hamsunschcn! Aber Hamsun zeichne ja auch keine jüdischen Kolonisten, »das Muster eines jüdischen Kolonisten dürfte geistiger ausfallen«. Auch die »W e i b e r a m B r u n n e n« finden allgemeine Zu stimmung, nur die »Kölnische Zeitung«, die überhaupt für das Moderne damals sehr wenig übrig hat, meint, Hamsun sei für Deutschland zunächst geistig überwunden, sie sicht ihn nämlich als Zolaschüler, der gern im Schmutz wühle! Und in der »Prager Presse« und sonst windet sich Thomas Mann, bei allem Lob, das er stets für Hamsun hat, doch sehr, seiner demokratischen Zeit den Aristokraten Hamsun näherzubringen. Den ganz großen Erfolg bedeuten aber doch erst die »Land- streich er«. Wieder sind die alten Vorkämpfer Hamsuns in der liberalen Presse auf dem Posten, aber jetzt rücken auch die großen nationalen Zeitungen mit sehr ernsthaften und ausführlichen Wür digungen an: Westecker in der »Berliner Börsen-Zeitung«, Hanns Johst in der »DAZ.«, Hamccher im »Tag«, Pastor, der alte Kämpe, in der »Täglichen Rundschau«, »Kreuz-Zeitung« und »Lokal- Anzeiger« sind da, auch die »Germania« bespricht das Werk aus- sllhrlich und positiv. Aber doch tritt langsam eine Wandlung ein: der einstmals von einer, sagen wir ruhig ästhetisch fein empfinden den Klique Bejubelte wird einsam, seit er die Wahrheit, nämlich seine Kritik an unserer Zivilisationswelt, immer unverhüllter aus spricht. Konsequentcrweise erklärt auch Willy Haas 1928 in der »Literarischen Welt« — »er könne sich leider nicht ganz zu den Verehrern Hamsuns rechnen«. Auf diese Dinge weist meines Wissens zuerst mit sehr einleuch tenden Begründungen Paul Niehaus hin in der »Pommerschen Tagespost«, einem damals recht kämpferischen Provinzblatt, aus dessen Redaktion auch, wenn ich nicht irre, der jetzige Hauptschrift- leitcr des »Angrifs«, Hans Schwarz van Berk, hervorgcgangen ist. Diese Gegensätze in der Beurteilung aus der liberalen und der konservativ-revolutionären Seite stellt dann beim Erscheinen von »August Weltumsegler» in der »Kreuz-Zeitung« Glinsky wieder heraus (übrigens wohl identisch mit Roman Hoppcnheit in der »Politischen Wochenschrift«). Am krassesten drückt die A b - sage des humanitär-liberalen Menschen an Ham suns konservative Grundhaltung dann C. D. Mar cus im »Berliner Tageblatt« aus, er sragt ganz erstaunt: »Ist denn das Gel d, der Besitz, so schlimm, wie Hamsun es uns weis machen will; glaubt Hamsun, daß eine Abkehr von der Geldwirt- schast möglich ist, und hat sic nicht auch ganz große Werte geschaf fen?« Er schließt mit der emphatischen Aussage: »Ich, der ich Hamsun über alles liebe, habe nur mit wachsender Verstimmung seinen Roman zu Ende lesen können« — armer Hamsun! Des öfteren fällt jetzt auch das Wort vom »Reaktionär« Hamsun. Eugen Kalkschmid spricht in der »Rheinisch-Westfälischen Zeitung« iro nisch voni Scheitern des Fortschritts an der »Reaktion«, und in der »Frankfurter Zeitung» nennt Wilhelm Hausenstein gar Hamsun einen Reaktionär von Gottes Gnaden, was im Zusammenhang aber ein großes Lob ist und sein soll. Eigentümlich sind bei diesen Spätwerkcn Hamsuns die Stellungnahmen der betont christlichen Zeitschriften. Der »Gral«, der früher die »Rosa« ja für eine Schmutzblüte erklärte, vermißt auch in den »Landstreichern« alles »Höhere«. Die Rückkehr zur Natur müsse ein innerer Vorgang sein, nicht »nur« (wie der »Gral« meint) ein äußerliches Zurück fallen in Primitivität. Ähnlich urteilt auch die »Christliche Welt«, wobei es ausfällt, daß in dieser protestantisch-liberalen (sehr libe ralen) Zeitschrift ausgerechnet der Katholik Alex Emmerich dies Urteil fällt. Der »Eckart«, die protestantische Zeitschrift mit dem ausfällig gutgeleiteten Besprechungs- und Aufsatztcil, sicht dem gegenüber doch in dem »Motiv der Suche« etwas Tieferes, ja geradezu das Metaphysische. Die Aufsätze, die zum 75. Geburtstag in allen Blättern Deutschlands und der Welt erscheinen, werden zeigen, daß heute an Hamsuns Ruf nicht mehr gedeutelt wird, wie schon die Fülle der Aufsätze zum 70. Geburtstag und die Besprechungen des letzten Werkes »Nach Jahr und Tag« bezeugten. Am Range Ham suns innerhalb der Welldichtung ist nicht mehr zu rütteln. Zu Recht rücken ihn Berner Blätter (»Bund« und »Tageblatt«) gern in die Nähe Gotthelfs, mit Recht sagte Hermann Hesse schon 1917, daß einem alles, was man vor diesem Kriege so leicht hingelesen habe, entbehrlich geworden sei, und daß man gern zu Raabe, Keller, Goethe und Hamsun zurückkehre. Und die geheime Feindschaft der Fortschrittsgläubigcn und Humanitären wird sich heute nicht so leicht mehr enthüllen können wie noch 1929 beim 70. Geburtstage Hamsuns. Da lieferte die noch von Willy Haas herausgegebenc »Literarische Welt» eine Fcst- numnicr für Hamsun mit vielen schönen Grüßen der bedeutendsten Geistigen des Systems, doch schon auf der dritten Seite kam der Pferdefuß heraus. Schrieb da Wolf Zucker über: »Hamsuns dop peltes Gesicht«, weil er nämlich die Einheit in der Allheit dieses größten lebenden nordischen Schöpfergeistes nicht sah. Und was hielt er für das doppelte Gesicht? Daß Hamsun, der große gütige Dichter in einem »Haßbrief«, wie Wolf Zucker das nennt, ganz scharf und rücksichtslos gegen die laxe Bestrafung von Kindes- mördcrinncn sich ausspricht. »Hamsun forderte unbedenklich den Tod für jede Kindesmörderin und seine Sprache wurde immer heftiger. Für die Kindesmörderin kennt er kein Erbarmen in seinen Briefen und eigentlich weiß man nicht, warum«. Nun, wir glauben doch zu wissen, warum: aus Liebe zum immer sich er neuernden schöpferischen Leben, zu allem Gewachsenen und Wach senden! Aber der humanitäre Liberalist sieht immer nur die -unglücklichen Frauen« und nie die großen Gesetze, deren Befol gung oder Nichtbefolgung Leben und Tod der Völker bedeuten. Hamsuns Werk ist doch — auch wenn nian die Antithese Stadt oder Land für recht naiv hält — die rücksichtsloseste Entlarvung einer Welt ohne Lenker, der verlorenen Welt des Fortschritts, ist ein ewiges Loblied auf die unerschöpfliche Erde und die Kunde eines tief wissenden, durch Liebe und Erfahrung reif und weise gewordenen Mannes von der Schönheit der Welt und der Uner- forschlichkeit der törichten, leidenden und jubelnden Menschenseele auf dieser Welt. Aus dem Leben Knut Hamsuns*). Knut Pedersen, der sich später nach der Bucht Hamsund bei Hamaröy Knut Hamsun nannte, wird am 4. August 75 Jahre alt. Er ist als Sohn eines Schneiders in Garmoträdet bei Vom geboren, verlebte aber seine Jugend im Hamaröi) (Salten-Nordland), im »Märchenland«, wie der Dichter diese Landschaft später nannte. Die Berufe, die Hamsun durchlaufen hat, wechselten fast mit jedem Jahr: 1874 wurde er Lehrling in einem Laden in Lom, 1875 war er u. a. fliegender Händler und Gehilfe bei einem Handelsmann in Tranöp, 1876 war er Schuhmacherlehrling in Bödö, 1877 war er in Bö zuerst Volksschullehrcr, dann die rechte Hand des Amtmanns, 1879 kann er mit Hilfe eines Stipendiums eine Neise machen, 1880 schlägt er sich als gewöhnlicher Arbeiter beim Wegebau in der Gegend von Gjövik durch, wird dann Kieskontrolleur und ist 1881 Guts- arbeiter. Die Mutter eines befreundeten Betriebsleiters leiht ihm 400 Kr., damit macht er seine erste Amerikareise: dort arbeitet er zunächst bei den Pankee-Farmeru im Lsten, dann als Kontorist zuerst in Elroy, später in Madelia, 1884 ist er Helfer bei dem Prediger Janson in Minneapolis. 1885, nach Norwegen znrückgekehrt, wird er Angestellter einer Posthalterei und Gastwirtschaft, von dort wendet er sich nach Ehristiania, um als Journalist und durch Vorträge fein Brot zu verdienen. 1886 ermöglicht ihm ein Großkaufmann die *) Diesen kurzen Lebensabriß entnehmen wir dem Augnstheft von Will VeSpers »Neuer Literatur«, das außer durch die Hamsun- Bilder- und -Aufsätze vor allem durch den faksimilierten, auf S. 700 abgcdrnckten Brief HamsnnS an Prof. NaSmnssen vom 11. März 1934 wertvoll ist, in dem Hamsun sich zu Deutschland bekennt. 699
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