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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 04.08.1934
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1934-08-04
- Erscheinungsdatum
- 04.08.1934
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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180, 4. August 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. d. Dtschn Buchhandel. ein überirdisches Moll ausklingt. Verschiedene Zeitungen sehen die großen Feinheiten der psychologischen Betrachtung, sehen in dem Werk ein packendes Dokument moderner Wirklichkeitskunst und die »Münchner Neuesten Nachrichten« prophezeien dem Buche viele Auflagen. Ebenso widersprechende Beurteilungen finden die »Myste rien«, für die ja bekanntlich Albert Langen seinen Verlag ins Leben rief. Während die »Katholische Volkszeitung« das Werk für Humbug erklärt, der die Scheu vor den Leistungen der »Mo derne« nur erhöht, und die »Hamburger Nachrichten« seelisches übclbefinden bei der Lektüre bekommen und vom Standpunkt des »normalen Lehrers« aus verlangen, daß die Dichter sich in den Bahnen der Gemeinverständlichkeit bewegen, findet im »Berner Bund« I. B. W. (wohl I. V. Widmann) in dem Werk eine groß artige Psychologie, eine edle Gesinnung und kühne Wahrheitsliebe. Die »Weser-Zeitung« spricht von geistiger Krankengeschichte, der »Alte Glaube« von der Studie eines Irrenarztes, und die »Deutsche Revue« spricht von dem widerwärtigen Kult, den der Philoskandi navismus mit diesem Werk treibe; »die Kritiker selbst hervorragen der deutscher Tagesblätter haben sich förmlich entzückt gebärdet. Und glaubt der Verlag etwa damit ein Geschäft zu machen? Mit diesem Werk, das weder Familienblattwarc noch literarischer Ka viar ist?« Sehr interessant ist es nun zu beobachten, wie die Kritiker, die an den Frühwcrken das Genial-Psychologische, das Ficbcrnd-Eksta- tischc begeistert lobten, bei einem Werk wie der »Victori a«, die heute mit Recht als als eine der schönsten Liebesgeschichten geschätzt wird, zurückweichcn und ablehnen, so fast die gesamte Wiener Presse: Die einen finden »Victoria« unverständlich und absurd, der andere ist unbefriedigt von der »simplen Erfindung«, die ihm weni ger zusagt als das »genial Fiebernde« der »Mysterien«. Das »Ber liner Tageblatt«, das lange Zeit mit der »Bossischen Zeitung« und einigen anderen liberalen Blättern zu den unentwegten Vor kämpfern Hamsuns gehört, erklärt die »Victoria« für eines der besten Bücher Hamsuns, während die »Zeit« in Wien zum ersten mal feststcllt: »Es ist Herbst geworden, Gespenster rascheln durch das welke Laub«. Die Behauptung, Hamsun sei nun alt geworden, er habe sein literarisches Testament gegeben, die werden wir nun noch öfter finden, aber Hamsun hat immer wieder diese Leute Lügen gestraft durch ein neues gültiges Werk. Übrigens findet die »Vic toria« vor den Augen der »Germania« durchaus Gnade, wenn auch die positiv-christliche Haltung vermißt wird. Auch beim »Redak teur Lynge« ist die Haltung der Zeitungen sehr instruktiv. Dem »Frankfurter Generalanzeiger« ist die ganze Sache »Hekuba«, die »Breslauer Morgenzeitung« findet ihn mit seiner geradezu klassi schen Zeichnung des ehrgeizigen Redakteurs den besten Gcsellschasts- romanen Kjcllands und Lies ebenbürtig (und wo sind heute Kjel- land und Lie?) und das »Leipziger Tageblatt« benutzt Hamsun zu einem politischen Ausfall gegen das demokratische Regime, wegen der satirischen Zeichnung des linksoricntierten Lynge habe Ham sun den Nobelpreis nicht bekommen. Bei den »S chwärmer n« zuerst finden wir ausführlichere Stellungnahme der ausgesprochen nationalen Zeitun gen. Es zeigt sich sonst, daß durchgängig und noch auf ziemlich lange Zeit hin, die bürgerlich nationalen Blätter mit seltenen Aus nahmen das Feld der literarischen Urteilsbildung überhaupt kampflos der Linken überlassen. Und hier ist ein Ansatzpunkt für das Wort vom linksstehenden Geist. Bei den »Schwärmern« finden die meisten Kritiker einen neuen Beginn bei Hamsun, den Übergang zu einem helleren, fröhlicheren Reich, die »Norddeutsche Allgemeine Zeitung« (die Vorläuferin der »Deut schen Allgemeinen Zeitung«) sagt aber mit Recht, daß der lächelnde Rolandsen ein direkter Nachkomme der früheren so bitter gezeich neten Helden Hamsuns ist. Auch die »Rheinisch-Westfälische Zei tung« meldet sich erstmalig mit ausführlicher und guter Besprechung. Immer positiver wird das Urteil bei »Benon i«, wenn auch manche Kritiker »Pan« und »Victoria« ungleich höher stellen. Aber die »Wiener Abendpost« (Wien scheint sehr die Hochburg der zer rissenen, psychologisierenden »modernen« Betrachtung zu sein) er klärt Benoni für eine matte Schöpfung, »nachdem sich die Hunger- Studie so unvergeßlich eingeprägt hat«. Zeitungen wie die »Königs- bcrger Hartungschc«, der »Hamburgische Korrespondent«, das 698 »Hamburger Fremdenblatt«, die »Frankfurier Zeitung«, durchweg liberale Blätter, sind sich einig im Lob der Natur- und Menschcn- gestaltung Hamsuns, im Preise seiner Sprachkunst und seines Humors. Was gerade den Humor Hamsuns angeht, so ergeben sich bei »Benoni« eigentümliche Kontraste. Im »Berliner Tageblatt« fin det Robert Saudek, daß bei allem Humor Hamsun doch nicht das bisherige Niveau erreiche. Aber Rudolf Huch bestreitet im »Ber liner Lokalanzeiger« Hamsun überhaupt jeden Humor, er behaup tet, das läge an der Weltanschauung, an der fehlenden Metaphysik nämlich. Das stimmte, wenn Hamsun wirklich nichts anderes wäre als ein schlichter Realist. Aber Hamsun kennt mehr als nur das faßbare Diesseits. Natürlich fehlt auch die Meinung nicht, Hamsun hätte keinen Humor, weil er zu tragisch sei — was Rudolf Huch sicher für falsch halten wird. Sehr aufschlußreich (für sie selbst) ist die Meinung der »Neuen Freien Presse«, der große Lyriker Hamsun, der Schöpfer des »Pan« sei nun ein »Romanschriftsteller« geworden, der sich wohl an Kjellaud und Lie messen könne — darf man Wohl daran erinnern, daß solche Fehlschätzungen selbst einem für seine Zeit so bezeichnenden Mann wie S. Fischer Passierten, der ja seine Verlagsrcchte an Hamsun dem Albert Langen Verlag abtrat gegen — Peter Nansen, einen netten, heute längst vergesse nen dänisch-jüdischen Unterhalter? Die allgemeine Zustimmung erhält sich auch bei »Rosa«, nur der »Gral« hält sie für eine Schmutzblütc, der man die Nach barschaft der Gosse anmerke. Widerspruchsvoller sind die Urteile bei dem Band »Unter H e r b st ste r n e n«. Die »Leipziger Zeitung« findet, daß Hamsun nur die Kehrseite, die Grimasse des Lebens darstelle, er kenne nur Schwächlinge und Verunglückte und stelle keine Ideale auf, während der »Hamburgische Korrespon dent« die Übersetzung des Buches ins Deutsche überhaupt einen entschiedenen Mißgriff nennt wegen der absoluten Fremdheit des gesamten Milieus. Sehr witzig ist es, daß Robert Saudek jetzt zum erstenmal das beginnende Alter bei Hamsun feststcllt (in verschiedenen Blättern, u. a. im »Berliner Tageblatt«) — er wird das wiederholen bei den »Weibern am Brunnen«. Aber Recht hat er deswegen bis heute noch nicht. Hamsun hat seine Leser immer wieder verblüfft durch die neue Frische seiner Werke. Bei dem Buch »Unter Herbst sternen« meldet sich auch die »Tägliche Rundschau«, das geistvollste Blatt der Vorkriegszeit auf der Rechten, Willy Pastor schreibt dort mit bemerkenswertem Sinn für das ursprünglich Germanische in Hamsuns Werk, die nie abgerissene Verbindung zum Kosmos, zur Natur. Die »Tägliche Rundschau« ist es auch, die bei den »Kin dern ihrer Zelt« am stärksten spürt, um was es Hamsun geht, um die Darstellung des Vcrnichtungskampfes nämlich des Amerikanismus »Wider den Heimatgeist des alten Europa«. Der selbe Kritiker Hamecher findet in der ja dazugehörigen »Stadt Segclsoß« die Vollendung der scharfen bitteren Kritik am Er folgsgeist unserer Zeit. Langsam also, wie wir sehen, hat sich die »nationale« Kritik erst eingesundcn. Man kann ruhig sagen, daß sie am Anfangserfolg Hamsuns unschuldig war. Man muß leider sagen, daß die Linke eher gewittert hat, daß in Hamsun ein ganz Großer im Reiche des Geistes aufstand, aber es scheint auch, daß ihre Witterung stärker auf das Zerrissene und wild Geniale des frühen Hamsun reagiert. Immer wieder spürt man, wie eine Reihe von Kritikern nicht inehr mitgeht, als Hamsun vom gewiß genialen Psychologen sich zum großen epischen Gestalter und zu gleich zum Kultur! ritikcr aus konservativen In stinkten entwickelt. Gerade bei den »Kindern ihrer Zeit« und der »Stadt Segelfoß« spürt man den Wandel. Noch ist wie selbst verständlich das ausführliche und bejahende Besprechen in den libe ralen Zeitungen da. Aber z. B. das »Berliner Tageblatt« (Karl Röttger) will nicht sehen, daß das Buch »nebenbei auch ein Zeit gemälde« sei, d. h. ein kritisches! Und im »Literarischen Echo« findet Kurt Münzer, der die »Kinder ihrer Zeit« noch ausführlich lobte, daß bei der »Stadt Segelfoß« sich »Alterserscheinungen« zeigen. Sehr schön ist dagegen, was die »Voß« schreibt, daß Hamsun näm lich »dieser Sensibelste und Gütigste, aus ganzem Herzen Ja sagt zur deutschen Sache. Barbaren nach Knut Hamsuns Geschmack, das können wir uns gefallen lassen!« (Während des Krieges ge-
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