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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.12.1933
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- 1933-12-21
- Erscheinungsdatum
- 21.12.1933
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^ 288, 21. Dezember 1633. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. DtschnBuchhanbcl. Hans Friedrich Blunck: Deutsche Literatur der Gegenwart. Eine langdauernde Stellung in der Opposition läßt manche gute Kraft verkümmern und an Zeit und Aufgabe verzagen. Die starken Naturen aber setzen sich durch und werden durch die stete Auseinandersetzung gestählt und gezwungen, unablässig um die stärkere, bessere Leistung zu kämpfen. So ist es dem Schrifttum ergangen, das heute in Deutsch land die Führung übernimmt. Es hat lange Zeit im Gegensatz zu den herrschenden Kräften gestanden und im Vergleich mit den äußeren Erfolgen des bevorzugten Schrifttums ein Schatten dasein geführt. Ihm ist zumal die Anerkennung im Ausland ver sagt worden. Man kannte da draußen das heimliche Deutschland nicht, — das Wort stammt nicht von uns, sondern vom Germanisten der Sorbonne, — man kannte nur die mit viel Empfehlung und viel Geschick und gewiß auch mit viel Über zeugung nach draußen getragenen Arbeiten der von ihrer Zeit auf den Schild erhobenen Epiker. Die Lyrik, das deutsche Mär chen, die Ballade, die einstinals in klassischer und romantischer Zeit für unser Schaffen so wundervoll gesprochen hatten, blieben vorm Ausland unbekannt, obschon sie doch nicht geringer sproß ten und grünten. Das Gute der Zeit war aber: Die Dichter der »Fronde- kamen nicht zum Müdesein, sie mußten vor der Lite raturkritik und vor der Politik sich unablässig erweisen, und so haben wir ein junges Schrifttum, das, im Widerstand gegen die früheren Gewalten gewachsen, einen schier unübersehbaren Reich tum auf allen Gebieten ausweist. Ja, vielleicht wird eine spätere Literaturkritik der jüngst vergangenen Zeit und ihrer fast rätsel haften Einigkeit von Kritik und Leserschaft gegen das junge Schrifttum einmal vieles danken, und die überraschende Fülle des dichterischen Schaffens, die zugleich mit der Kraft einer jungen, noch mühsam nicdcrgehaltcnen politischen Bewegung auf quoll, wird einmal als einer der großen Abschnitte unserer Lite raturgeschichte gelten. In zwei Gruppen marschierte jene Opposition zwischen 1910 und 1833. Wenn man sie, wie es in der Zeit liegt, im politischen Bild darlegen will, so umfaßte jenes Schrifttum, — das volkhafte Schrifttum, wie wir es bezeichnen, — zunächst die konservativ revolutionäre Gruppe des Bürgertums. Sie wandte sich gegen den Geist des laisser kaire laissor »Iler und forderte eine neue Selbstverantwortung des einzelnen vor seinen Mitmenschen und vor seiner Religion. Sie bekämpfte besonders heftig den alten Subjektivismus der liberalen Epoche, der zu hemmungsloser Selbstsucht auszuarten drohte. Der Kamps jener Gruppe wurde zum großen Teil auf akademischem Boden ausgetragen, die Namen Kolbenheyer, Stehr, Wilhelm Schäfer und Münchhausen stehen führend in jenen Auseinandersetzungen. Die zweite spätere Gruppe stand der nationalsozialistischen Bewegung nahe. Sie war aus der Jugendbewegung entstanden, einer Fortsetzung der alten deutschen Romantik, die ungefähr um die Jahrhundertwende sich von neuem zu regen begann und nun zäh und unaufhörlich, verdrängt, vorstoßend und wieder ge hemmt, ihren Weg ging. Der Gedanke des nationalen Sozialis mus wurde Gedankengut jener Jugendbewegung, eines Sozia lismus also, der an einer Verwirklichung seiner Idee über das Parlament zweifelte und durch Volksabstimmung bevoll mächtigte Führer zur Durchführung seiner Idee wählen wollte, eines Nationalismus, der als Grundprinzip der Welt ordnung und der Grenzziehung zwischen den Völkern das Sclbst- bestimmungsrecht verkündete, der sich mit aller Kraft und aller Gläubigkeit, die der Jugend inuewohnt, gegen die Unterdrückung einzelner Bollsteile aus wirtschaftlichen und militärischen Grün den wandte und für die Grenzziehung allein Sprache und Volks tum entscheiden lassen wollte. Ich wiederhole: Die Dichter, die aus der Jugendbewegung hervorgingen, zu denen die heutigen Führer der Akademie, wie Johst, Beumelburg und eine Gruppe ihrer nächsten Freunde gehören, kamen aus dem geistigen Raum Eichendorfss und Hölderlins, sie erinnern in ihrer schwingenden Begeisterung an die Burschenschafterbewegung von 1848 und hat- 988 ten, wie schon gesagt, auf politischem Gebiet Fühlung mit den beiden großen Prinzipien der aufsteigenden politischen Parteien, mit der Forderung neuer Brüderlichkeit zwischen den Menschen, die sie Sozialismus nannten und mit dem nationalen Selbstbe stimmungsrecht der Völker, das ihnen die einzig mögliche Frei heit und Echtheit schien. Die beiden Gruppen schmolzen in den beiden letzten Jahr zehnten im Kampf gegen die heute gestürzten Gewalten enger und enger zusammen. Sie erhielten starke Kräfte aus ihrer Stel lung in der Opposition, aber ihre noch stärkere Kraft lag darin, daß ihr kritischer Kampf sich mehr auf die politische Literatur beschränkte, die Moeller van den Bruck und andere führten, und daß sie als Dichter der Landschaft, als Dichter der jungen Lyrik, des neuen geschichtlichen Dramas, als Künstler der in unserm Volkstum verwurzelten Ballade große bleibende Werte schufen, noch ohne belastet zu sein mit den vielen Pflichten, die einer »herrschenden Richtung- obliegen. Was in jenem Schrifttum der »Fronde- geschaffen wurde, was von ihm heute vorliegt, ist nichts als ein Teil des religiösen Ringens, ist nichts anderes als die ewige Sehnsucht des Menschen, seiner Stellung zwischen Gott und Erde eingedenk zu sein. Es ist der Glaube an die Güte des Himmels, es ist der Wille, den Dienst am Mitmenschen als Ehre statt als Torheit zu erklären, es ist die tiefe Leidenschaft, die Mutter wieder als etwas Heiliges und das Kind als ein Wunder betrachten zu dürfen, es ist ewige deutsche Romantik. Gewiß, die Berichterstatter da draußen haben Recht, wenn sie sagen, daß in Deutschland eine Welt eingestürzt ist. Sie ver gessen aber zu sagen, daß eine neue Welt bereitstand, daß sie da stand, als die Trümmer weggeräumt waren. Man hat auch nicht lange gezögert, die neuen Lehren organi satorisch sestzulegen. Die Revolution liegt hinter uns, sie war eine der unblutigsten der Welt und ist doch schon in ihren An fängen von einer so tiefgehenden Veränderung begleitet, wie sie in Deutschland seit der Reformation noch nicht geschah. Gewiß, wer Deutschland flüchtig besucht, merkt wenig davon; die Ord nung ist besser als früher, die Menschen schauen fröhlicher, weil sie einen Glauben besitzen. Aber untergründig ist alles in Be wegung und auf dem Gebiet, von dem ich spreche, auf dem des neuen Schrifttums, ist die Veränderung auch organisatorisch sehr tiefgehend. An Stelle der freien Verbände der Schriftsteller, denen man angehörte oder nicht angehörte, die sich untereinander be kämpften und befehdeten und die bestenfalls einmal zum Protest einig waren, wenn die Polizei pornographische und nihilistische Literatur, die zum gewaltsamen Ausstand aufforderte, unter drückte, ist der Grundsatz der Einfügung in das ständische Volk getreten. Gleich den andern Berufsgruppen Deutschlands wer den zukünftig die Künste der Musik, des Schrifttums, die der Maler und Bildhauer ihre eigene Kammer haben, in der alle Bcrufsmitglieder eingetragen find, in der sie nun aber auch über sich selbst bestimmen und füreinander verantwortlich sind. — Es ist das Prinzip der Selbstverantwortung der Künste, das zu künftig den polizeilichen Eingriffen, wie sie in andern Ländern an der Tagesordnung sind, Vorbeugen will. Daß solche Neubildungen wie alles, was in revolutionären Zeiten geschieht, zunächst noch manche Unbill und manches Un recht mit sich bringen, hängt zusammen mit der elementaren Ge walt, mit der die neue Zeit durchbrach. Wenn die Ordnung wie- dcrgekehrt sein wird und die Organisationen stehen, wird, so glaube ich, die Welt um einen bedeutsamen Versuch der Aus schaltung polizeilicher Bevormundung und der Neuordnung der Freiheit des volkhaften Schrifttums reicher sein. Vor uns Deutschen liegt eine Zeit, die von einem starken und gewaltigen Glauben an eine Steigerung des Menschen, an die Findung neuer vorbildlicher Formen des Zusammenlebens erfüllt ist. Das bedeutet keine Einschränkung der Kritik; statt der zermürbenden Befehdung untereinander ist die Kraft, die In brunst des Schaffens doch stärker als früher auf die Neubildung des inneren Menschen gerichtet, auf die Fragen, was Gott vom Mann und von den Völkern, die er schuf, wollte und welche Ziele er ihnen stellt. An Stelle der Ironie, der ewigen Negation, ist
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