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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.12.1933
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1933-12-23
- Erscheinungsdatum
- 23.12.1933
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- Deutsch
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X- 2S8, 23. Dezember 1933. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn Buchhanbel. Nebel jenes disharmonischen Geistes, sich letzten Endes immer etwas fremd fühlten, deshalb wurde selbst die Freude des Gebens vergällt, durch Zweifel und Mißverständnisse wand sich verwundeter Stolz vornehmer Herzen, beim Nehmenden wie beim Gebenden. Inzwischen aber ist die große Wandlung, die große Wende der Zeit über unser Volk gekommen. Und mit derselben elementaren Gewalt, mit der d e r n e u e G e i st Deutschland er weckte und von Grund aus umgestaltete, hat er auch mit den Vorurteilen und anerzogenen Fremdheiten aufgeräumt, die den Bruder den Bruder nicht erkennen und jedes noch so aufrichtig gewollte Schenken immer wieder zu einer hier wie dort peinlich empfundenen Almosengabe werden ließen. Im neuen Deutsch land gibt es keine Almosen mehr! So wie die neue Staatsfüh rung die Bettlerscharen aus Straßen und Treppenhäusern ver bannt und alle Hilfsbedürftigen der berufenen Wohlfahrtspflege zugeführt, so wie sie eine Staat und Volk restlos erfassende Hilfs organisation von geradezu gigantischen Ausmaßen ins Leben gerufen und mit beispiellosem Erfolg Praktisch durchgeführt hat, so hat auch die neue Staatsidee auf dem geistig-sittlichen Gebiete des Schenkens und Nehmens bahnbrechende Arbeit geleistet. Die «Wir-Jdee<- hat die »Jch-Jdee» überwunden. Der leitende Staatsgrundsatz, daß Gemeinnutz vor Eigennutz geht und daß jeder Volksgenosse an seinem Platze zum Gedeihen des großen Ganzen ebenso notwendig und wertvoll ist wie der andere, hat das unorganische materiell-soziale Wertgefälle des liberalen Zeit geistes der Vergangenheit zerschlagen und an seine Stelle das organische Wertgefälle der Berufung und Leistung im Dienste der Nation gesetzt, aus dem sich als verbindendes Moment das Wertbewußtsein des gemeinsamen-Blutes natür lich ergibt. Damit wird die gegenseitige Hilfeleistung nicht nur zur nationalen Pflicht, sondern sie wächst darüber hinaus auch noch zu der Bedeutung eines nationalen Bekenntnisses empor, zu einer Handlung von gewissermaßen kultischem Rang. Indem wir uns helfen, wo immer es möglich ist, bekunden wir, Gebende und Nehmende, immer wieder erneut: Wir sind ein Volk, seines Wertes bewußt. Die Not des dar benden Volksgenossen istunsere Not; denn er ist als Glied der Nation gleichen Blutwertes wie wir. Wir würden unseren und der Nation Wert vermindern, ließen wir ihn weiter hungern und frieren, indes es uns Wohl ergeht: Seine Not wäre unsere und der Nation Schande, wie ihre Linderung unsere und der Nation Ehre ist. Daher ist uns, die wir schenken, das Geben ebenso sittlich-nationales Gesetz, wie unseren unverschuldet darbenden Volksgenossen das Nehmen. Und beide sind wir frei und ledig aller drückenden Zweifel der Vergangen heit, frei und ledig aller Scham des Schenkens und Bedachtwerdens. Der Schenkende weiß jetzt, daß seine Gabe nicht als Almosen, sondern als ein Zeichen stolzer volks verbundener Gemeinschaft empfunden wird. Der Stolz des Be schenkten aber ist, daß ihm geholfen wird, nicht weil er arm, son dern weil er vollwertiges Mitglied ein und derselben nationalen Wertgemeinschaft, weil er unser Bruder, weil er ein Deut scher ist. Sertorius. Belauschte Gespräche vor dem Schaufenster oder: Ernstes und Heiteres aus dem Leben eines Buchhändlers. Ich bin ein ganz gemeiner Spion. Wenn ich in meinem Sorti menterladen Zeit habe — leider kommt das viel zu häufig vor —, beziehe ich meinen Horchposten an dem einen Schaufenster. Vor dem »Feinde« habe ich durch den Schaufensterumbau herrliche Deckung. So schöne, wie kein SA.-Mann bei der Geländeübung sie sich besser denken kann. Die Deckung hat nur einen Fehler, ich darf nicht ein Auge auf den »Gegner« riskieren, da ich ihn sonst sofort in die Flucht jagen wiirde. Dafür kann ich aber sehr gut hören. Und was ich gehört habe, das habe ich getreulich ausgeschrieben. Hier ist es: »Sieh mal, von Knaurs Lexikon gibt's eine neue Ausgabe, die möchte ich haben.« — »Aber wir haben doch ein Lexikon!« — »Ja, die alte Ausgabe, da ist doch von den Nationalsozialisten gar nichts enthalten; hier sind sicher Hitler, Göring, Frick, Goebbels und alle anderen verzeichnet.« — »Und was machen wir mit dem alten?« — »Das schenken wir dem Jungen, der wird sich freuen, ein Lexikon für sich allein zu haben.« — »Na, schön, 2.85 können wir uns ja noch leisten.« »Ach, von der Undset ist ein neues Buch erschienen. Was mag das kosten?« — »Geh doch hinein und frage!« — »Nein, das ist mir peinlich, ich kann doch nicht so hineingehen.« — »Ich verstehe nicht, warum die Buchhändler keine Preise an ihre Bücher machen.« »Mensch, knorke! H. I. marschiert!« — »Wo denn?« — »Na, da! Du, das wünsch' ich mir zu Weihnachten. 4.80 ist ja allerhand, aber, weißt du, meine Schwester wünscht sich 'ne Kletterweste, die kostet sicher mehr, da werden meine Alten für mich schon 4.80 ausspucken müssen, das wäre ja direkt eine Ungerechtigkeit, wenn nicht. Komm, wir gehen mal rein und sehen uns das Buch an.« — »Das können wir doch nicht so einfach!« — »Warum nicht? Das kostet doch nichts.« — »Ja, aber . . .« — »Was, du willst ein Hitlerjunge sein und bist zu feige, in 'n Laden zu gehen, bloß um 'was anzusehen?« — »Los, komm!« »Du, das neue Buch von Ina Seidel kannst du mir zu Weih nachten schenken. Voriges Jahr bekam ich doch von dir das Wunsch kind. Ob das neue Buch wieder geschichtlich ist?« — »Wie soll ich das wissen. Geh doch hinein und frage!« — »Ich? Geh du doch!« — »Na, dann nicht. Der Verleger könnte das ruhig auf den Umschlag drucken, das wird sicher auch andere interessieren.« »De Kruif? De Kruif? Ist von dem nicht schon früher ein Buch erschienen?« — »Die Mikrobenjäger sind doch von ihm. Aus dem Buch hat uns doch Onkel Emil im vorigen Winter vorgelesen.« — »Ach, stimmt ja. Du, das ist ja fabelhaft, da hätten wir ja gleich ein Geschenk für Onkel. 6.50 weniger °/o, das sind rund Mark, die müssen mir für ihn schon anlegen. Schreib mal gleich den Titel auf.« — »Ja, und der Verlag?? Du weißt doch, Franz meckert immer, wenn wir bei der Bestellung den Verlag nicht angeben. Dabei verdient er noch Prozent; er hat sich doch mal verplappert und gesagt, Angestellte bekämen Bücher zum eigenen Gebrauch mit Prozent Rabatt.« — »Wir gehen mal hinein, lassen uns das Buch zeigen, ich blättere ein bißchen darin, und dann sehe ich ja den Verlag.« »Gott, wie süß! Sieh mal, Inge, in der dritten Reihe, das erste, zweite, dritte, — sechste Buch: Leni Riefenstahl.« — »Ach, dein Schwarm. Laß dir doch das Buch zu Weihnachten schenken.« — »Na, klar! und du wünschst dir das da: »Deutsche Jugend im An bruch«, da ist sicher 'ne Menge vom B. d. M. drin; dann tauschen wir nach Weihnachten aus.« »Schreib doch mal auf: Greinz, Regine Rautewald; Ernst, Spuk in Litauen; Haas, Brautlotterie. Die will ich mir aus der Leih bibliothek holen. Ob Ler zweite Teil vom Jüdischen Krieg wirklich nicht erscheint? Geh' doch mal rein und frage!« — »Nee, der schmeißt mich sicher raus.« »Das Fenster ist ja scheußlich dekoriert. Viel zu viel drin, und viel zu unruhig. Man wird ja nervös, wenn man Hinsicht und weiß nicht, wo man mit dem Sehen anfangen soll.« — »Finde ich gar nicht. Pass' mal auf. Das Bild vom Führer ist der Blickfang, der Nuhepunkt. Von hier kannst du drei Strahlen sehen, hier, hier und hier. Geradeaus der »Kampf«, der »Mythus«, »Horst Wessel«, »Hitler an die Macht« usw. Links um das erhöhte »Volk ohne Raum« Paul Ernst, Frenssen usw. Rechts, um den neuen »Dominik« Colin Roß, Gluth, Ganghofer usw. Also eine schöne Dreigliederung: National sozialismus, Werke der Mitglieder der Dichterakademie, und drittens das andere Schrifttum. Die Buchhändler zeigen jetzt so viel in ihren Schaufenstern, um auch durch die Reichhaltigkeit unseres heutigen Schrifttums zu beweisen, wie lächerlich die Behauptung gewisser Leute ist, die von einem Rückfall unserer Kultur in's graue Mittel- alter reden.« — »Ja, sag' mal, woher weißt du denn das alles?« — »Sehr einfach. Gestern, als ich den Duden kaufte, war der Buch händler dabei, sein Fenster zu ändern. Wir kamen in's Gespräch, und da erzählte er mir das.« »Schatzi, zeig' mal, daß du noch ein Kavalier bist.« — »Was kostet denn das Kavalier-Zeigen?« — »Ta, sieh mal das neue Buch von Muschler. Du weißt doch, die Bianca Maria ist mein Lieblings buch und ...» — »Und da willst du das neue Buch von Muschler auch lesen. Aber gewiß, ich hole es dir aus der Leihbibliothek.« — »Siehst du, so bist du immer, wenn ich mal einen Wunsch äußere. Ich will doch das Buch nicht leihen, ich will es besitzen.« — »Unsinn! Bücher kauft man nicht, die leiht man; wozu sind denn die Leih büchereien da?« — »Nein, das ist mir eklig. Wer weiß, wer die Bücher alle schon in den Händen gehabt hat. Wenn du mir den neuen Muschler nicht kaufst . . .« — »Ja doch, ja doch, ich gehe schon, aber welches Buch willst du noch lesen?« — »Na nu, mit einem Male so spendabel?« — »Bewahre, — wenn ich schon ein Buch kaufe, dann mache ich es so wie mein Freund Ferdinand. Der kauft ein Buch, dann tauscht er es um, dann hat er gleich zwei Bücher gelesen. Also welches willst du zuerst haben?« B e r l i n W 30. Heinz Thilo. 999
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