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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.09.1934
- Strukturtyp
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- 1934-09-15
- Erscheinungsdatum
- 15.09.1934
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- Deutsch
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stündlich stiefmütterlich behandelt wurde. Auch dieses Gebiet hatte, sicher nicht zum Besten der studierenden Jugend, darunter zu lei den, daß es nicht als Wirkungswissenschaft aufgefaßt und beackert wurde. Vom Waschzettel Wir werden nach diesen Bemerkungen uns im Rahmen unserer Betrachtung über praktische Literaturkritik mit der wissenschaftlichen Literaturkritik nicht mehr zu befassen haben, da die Auseinander setzungen über sie vor ein anderes Forum gehören. Wir werden uns daraus beschränken, das Gebiet der literarischen Kritik als einer geistige Werte vermittelnden Tätigkeit von einigen andern da und dort in sie Hinübergreisenden Betätigungen abzugrcnzcn. Es wäre überhaupt zweckmäßig, von einer Anwendung des Begriffes Literaturkritik auf die Tätigkeit des literarischen Mittlertums ab- zuschcn. Es müßte versucht werden, einen geeigneten Ersatzbegriff zu finden, der das, worum es sich hier handelt, besser ausdrückte; cs wäre dabei an den Begriff literarisches Mittlertum selbst zu denken; auch die Bezeichnung Buchbericht, Buch- bcrichterstattung wäre denkbar, da sie vielleicht doch ein deutiger wäre als der verbrauchte Begriff Buchbesprechung, der allmählich in zahllosen und nie genau umschriebenen Bedeu tungen schillert. Ein wenig angesehener Bruder der Buchbericht- erstattung (Buchbesprechung) ist der Waschzettel, d. h. die Besprechung, die aus der Werkstatt des Verlegers stammt. Der Waschzettel ist von jeher als ein enfant terrible der Buch wirtschaft betrachtet ivorden, ohne daß man den Gedanken an seine Entbehrlichkeit ernstlich zu fassen gewagt hätte. Vor einiger Zeit erst ist über die Zweckmäßigkeit des Waschzettels im Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel diskutiert worden. Es scheint aber, daß man in Verlegerkreisen keine Lust hat, auf den Waschzettel, der vielfach ja auch Verwendung als Klappentext findet, zu ver zichten. Die Entbehrlichkeit des Waschzettels mag heute immerhin noch bestritten werden, da die Buchberichtcrstattung in weiten Teilen der Presse noch sehr im argen liegt, und da der Verleger auf dem durchaus verständlichen Standpunkt steht: lieber noch mein eigener Waschzettel als gar kein Hinweis. Wobei allerdings die W a s ch z e t t c l v e r st ü m m c lu n g, wie sie jeder Verlags redakteur hinreichend kennt, noch nicht genügend berücksichtigt worden ist, denn in vielen Fällen mag einem neuen Buche gar kein Hinweis nützlicher sein als die Fragmente von Wasch zetteln, denen man häufig in mittleren und kleineren Zeitungen begegnet. Wenn aber trotz allem auf den Waschzettel nicht verzichtet werden kann, so müßte es Aufgabe besonders der Verleger sein, ehrlich an einer Veredelung der Waschzettelpropaganda zu arbeiten. Es wäre eine schöne Ausgabe für einen jungen Buch händler, im Laufe dieses Herbstes einmal den Waschzettelsuperlati vismus zu verfolgen und am besten auch sestzunageln, denn es spottet jeder Beschreibung, was heute noch auf dem Gebiet des Waschzettelsuperlativismus geleistet wird. Uni wieviel besser wäre doch in jedem Falle der Eindruck, den ein Waschzettel entstehen ließe, wenn er frei von diesen oft geradezu verrückten Übertreibun gen wäre und wirklich das Gesicht einer anständigen geistigen Lei stung zeigte, zu der die Verlagsredaktion eines angesehenen Ver lages doch fähig sein müßte. Je übertriebener die Lobsprüche sind, die der Waschzettel enthält, um so eher riecht der Leser den Braten, und die Wirkung des betreffenden Textes ist dann in den meisten Fällen noch lediglich lächerlicher oder schädlicher Natur. Dabei ist eine Veredelung des Waschzettels keineswegs eine sehr schwierige Aufgabe, in der Hauptsache wird es sich einfach darum handeln, jede Übertreibung aus ihm fernzuhalten und ihn so abzufassen, daß er das Gesicht einer üblichen Buchbesprechung mit Niveau trägt. Denn solange der Waschzettel noch von einer verhältnismäßig so großen Anzahl von Zeitungen ganz oder gekürzt abgedruckt wird, stellt er für das Publikum einen Teil der Buchberichterstattung dar, und trägt er also in seiner heutigen übertriebenen Form zur E n t w e r t u n g der Buchberichterstattung bei. Im übrigen wird über das Problem des Waschzettels noch in anderem Zusammen hang« zu reden sein. 806 Zustand und Forderung Wir wollen uns im folgenden aus eine Betrachtung jener Tätigkeit beschränken, die wir als Buchbcrichterstattung bezeichnen, als Litcraturkritik im Sinne geistigen Mittlertums. In dem kürzlich erschienenen »Tagebuch eines Dichters« von Paul Ernst steht ein 1913 geschriebener Aufsatz Paul Einsts über die literarische Kritik. In diesem Aussatz heißt es am Eingang: »Die Kritik ist entstanden, damit sich die Menschen in der Fülle der Kunsterscheinungen irgendwie zurechtfindcn können, wird also desto wichtiger, je größer diese Fülle ist. Aber je wichtiger sie wird, desto offener erscheint auch ihr äußerst fragwürdiger Cha rakter, und es scheint gar nicht ausgeschlossen, daß sie von einem gewissen Punkt an nicht nur nicht klärend wirkt, sondern noch mehr verwirrt. Die Kämpfe, welche in diesen Verwirrungen entstehen, werden gewöhnlich mit großer persönlicher Erbitterung geführt, und es scheint doch das Gewöhnliche zu sein, daß Verschieden denkende sich gegenseitig entweder für Schurken oder für Dumm köpfe halten.« Paul Ernst umschreibt hier die Situation der Literaturkritik in seiner bekannten klaren und unerbittlichen Weise so, wie sie sich vielfach auch heute noch darstellt. Die Gefahr, daß die literarische Kritik zu einer persönlichen Auseinandersetzung der Kritiker unter sich führt, ist immer groß, solange sie von Menschen ausgeübt wird, die für ihre selbstverständliche Subjektivität allgemeine Gül tigkeit im Sinne einer verbindlichen Norm der Ansichten beanspruchen; sie ist aber besonders groß dort, wo die literarische Kritik als Tätigkeit an sich zu ernst und zu wichtig genommen wird, sodaß hinter ihr an Bedeutung der Gegenstand der Kritik, der doch im Vordergrund stehen sollte, mehr und mehr zurücktritt. Diesen Zustand gilt es heute vor allem zu bekämpfen. Deshalb ist es nötig, in aller Deutlichkeit auszusprechen, daß der Kritiker ansichnicht wichtig ist, daß er schädlich und verwirrend wirkt, wenn seine Tätigkeit nicht die Wichtigkeit und die Bedeutung des Werkes, mit dem er sich befaßt, in besonderem Maße hervorhebt. Wichtig ist aus dem Gebiet der Buchberichterstattung das Buch und die Wirkungen, die von ihm ausgehen, d. h. also, das Volk, von dem die Aufnahme der in einem Buche niedergclegten geistigen und kulturellen Werte verlangt wird. Es ist die Aufgabe des Kritikers, herauszuspüren, welche Wirkungen einem neuen Buche als möglich zuzusprechen sind; dann aber liegt es ihm weiterhin ob, die N o t w e n d i g k c i t dieser Wirkungen zu unter suchen, ihre negative und positive Bedeutung für das geistige und seelische Leben des Volkes festzustellen und darnach sein Urteil auszurichten. Denn auch Kunst ist uns als Kunst an sich nicht wichtig, sie bedarf also in jedem Falle einer Unter suchung aus die Wirkungen, die von ihr ausgehen. In einer Zeit, die gerade auf dem Gebiet der Buchwirtschaft noch immer gekenn zeichnet ist durch ein Übermaß der Produktion, ist es besonders wichtig, durch eine klare Scheidung von Nötigem und Unnötigem, Wesentlichem und Unwesentlichem zu verhüten, daß volkswirt schaftliche Werte verschleudert werden. Der Kritiker fühle sich da her ebenso wie der Schriftleiter, mit dem er ja in vielen Fällen personengleich ist, als in öffentlichem Aufträge stehend, denn nur im Besitze dieses Standpunktes wird er der Gefahr, sich selbst zu wichtig zu nehmen, am ehesten entgehen können. Der Dichter als Kritiker Schwieriger zu entscheiden ist die Frage, wer denn Literatur kritik ausüben solle. Auch auf diesem Gebiet spielt eine große Rolle die Bedeutung von Beruf und Berufung, da auch wirkliche Literaturkritik eine schöpferische Tätigkeit ist und daher in der für die heutige Zeit notwendigen Weise nicht von jedem Be liebigen ausgeübt werden kann, der sich dazu berufen glaubt, weil er während seiner Schulzeit ein paarmal das Zeugnis gut für einen Aufsatz bekam. Dazu kommt das Treiben all derer, die, nachdem sie in zehn anderen Berufen gescheitert sind, immer noch glauben, in der Schriststellerei am Platze zu sein. Es sind die Menschen, die, wie Paul Ernst in dem schon zitierten Aufsatz schreibt, »Rezensionen schreiben, weil sie nichts Ordentliches ge lernt haben, um auf ehrliche Weise ihr Brot zu verdienen«. Ihre Tätigkeit ist ein dauernd sich erneuernder Akt der Selbstver -
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