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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.10.1934
- Strukturtyp
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- 1934-10-13
- Erscheinungsdatum
- 13.10.1934
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240, 13. Oktober 1934. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s. b. Dtschn Buchhandel. Schöpferische Kritik Von Erich Brautlacht Die künstlerische Gestalt kostet ein Leben, das siebzig Jahre währt, und das, wenn es köstlich gewesen ist, mühselig Arbeit an Arbeit reihte. So schrieb Hanns Johst einmal. Das; er in der Ein- leitnng zn einer Besprechung meiner »Pöppelswycker« so schrieb, ist nnwesentlich. Wesentlich ist jedoch, daß er überhaupt als Voraus setzung einer Besprechung das Anerkenntnis des künstlerisch schaffen den Menschen setzte, daß er, bevor er auf das einzelne einging, und das Werk selbst umriß, mit dem er sich beschäftigen wollte, nach dem Menschen Ausschau hielt, der dahinter stand. Denn er ist immer das Wesentliche. So wenig der Mensch sich an sich selbst Hochziehen kann, so wenig vermag er sich in einem Werk über seinen inneren Wert zu erheben. Jedes echte Kunstwerk ist ein Spiegelgespräch des Menschen mit sich selbst und die Reihe künstlerischer Werke eines Mannes ist wie ein fortgesetztes Gespräch, in dem er sich mit den Erscheinungen des Daseins auseinandersetzt, während er sie darstellt. Er baut seine Welt mit den Spiegeln seiner Sinne auf. Sie zn zerlegen, ist nicht seine Ausgabe. Ein gleicher Zug und ein ähnlicher Rhythmus geht durch sein ganzes Werk, das Ausstrahlung seines Wesens in der Hauptsache und erst dann Wirkung der äußeren Welt ist. Anders der Kritiker. Ihm tritt eine fertige künstlerische Welt gegenüber, mit der er sich zu beschäftigen hat. Da er selbst aber, ist er eine Persönlichkeit, sich seine Welt schon aufgebaut hat, stehen zwei Wellen sich gegenüber. Das nenne ich schöpferische Kritik, daß der Kritiker Lie Welt des Künstlers mit seinen eigenen Augen sieht und deutet. Das setzt voraus, daß er das Werk sich nahebringt. Es gibt in der Literatur keine schöpferische Deutung wie in der Ton kunst. Darum krankt die Kritik daran, daß sie die Welt des anderen zu wenig ernst nimmt. Das galt zumal unter der Geltungsdauer des Liberalismus. Denn wenn ^ie Persönlichkeit als solche im Vorder grund steht und keine richtungweisenden Ideen gelten, findet der Kri^ tikcr keinen Maßstab für das Allgemeine. Er kommt über seine Per son nur schwer hinaus. Das muß in etwa natnrnotwendig mit der Änderung der Geistcshaltnng besser werden. Wir leben in einer Zeit des Aufbaues. Anfbauende Zeiten verlangen an sich Konstruktion. Die reine Dichtung lebt am besten ans dem Höhepunkt der Zeit. Der Aufbau verlangt einen Grundriß. Hier setzt die Kritik ein, die ent weder im allgemeinen schöpferisch ist, indem sie gültige Regeln anf- stellt und richtunggebende Wege weist, oder im besonderen, wenn sie das zu beurteilende Werk auf die ausgestellten oder als allgemein gültig angenommenen Regeln untersucht. Allerdings ist es maßlos gefährlich, die allgemeinen Gesichts punkte allznstark nach gegenwärtig stark hervortretenden Erschei nungen anfznstellen. Die politischen und literarischen Wege laufen schon häufig parallel, aber sie kreuzen sich nicht oder jedenfalls nicht grundsätzlich. Eine Dichtung kann zeitlos sein und doch das politische Geschehen in hohem Maße berühren, insofern das politische Geschehen als Ganzes genommen den gesamten Inhalt der Zeit mitumfaßt. Die Gesetze der Kunst sind unwandelbar. Und dennoch haben sie sich nie eindeutig festlegen lassen, so wenig sie erlernbar sind. Sie sind nicht dem Wandel der Zeit unterworfen, passen sich aber der Richtung der Geisteshaltung an, ohne sich in sich selbst zn verändern. Geleitet von ihrer ewigen Wirkung, geführt von den Ideen der Zeit, deren Wandelbarkeit wir nicht zu überschauen vermögen, bauen Künst ler und Kritiker gemeinsam eine neue Welt. Voraussetzung ist die gegenseitige Achtung, die Vermutung fiir die künstlerische Person des anderen, die es verhindern müßte, daß der reine Zeitgeist den wahren Künstler verschluckt. Der schöpferische Kritiker, der die richtunggeben den und bleibenden Ideen der Zeit ertastet, dessen Blick in die Zu kunft geht und der das ihm vorgelegte Kunstwerk ans der Grundlage seiner eigenen Erfahrung künstlerisch deutet und der Zeit dienstbar macht, findet die bleibenden Werte unserer Welt. Er sieht erstmalig die Brücke, die von der Vergangenheit in die Zukunft führt. Verant wortungsbewußt hütet er sich, ein Urteil abzugeben, das er nicht immer wieder vor sich selbst verantworten kann. Denn wenn er es einmal erlebt hat, daß er, von der Zeit berichtigt, sich vor seinem eigenen Urteil schämen mußte, wird seine Verantwortung vor sich selber wachsen. Das Feld seiner Arbeit ist groß und eigenartige un bekannte Blumen wachsen darauf, die sich nicht einpassen lassen. Regen und Sonnenschein gehen darüber hin und verändern ihr Aus sehen. Und wenn ihm die Reichhaltigkeit zu groß erscheint und der richtunggebenden Ideen noch zn wenige sind, sich daran zn halten und einen allgemeinen Maßstab zu gewinnen, soll er bedenken, daß für ihn wie für den reinen Künstler gilt: Die künstlerische Gestalt kostet ein Leben, das siebzig Jahre währt, und das, wenn es köstlich gewesen ist, mühselig Arbeit an Arbeit reihte. Dichter und „Zeitungsschreiber" Von Rudolf Paulsen Da teilt mir ein Freund, der versucht hat, für mich als Dichter zn werben, in einem Briefe mit, seine Bekannten sagten, wenn er mich empfehle, ganz gelassen: »Ach der...! Der schreibt ja soviel in Zeitungen.« Und darum also wollen sie von mir nichts wissen.... Wenn ein Dichter sich ans ein hohes Roß setzt, und wär's ob jektiv eine noch so schäbige Nosinante, dann sagt ein verehrliches Pu blikum (ein solches muß es noch geben; denn das Volk kann solchen Unsinn gar nicht Vorbringen wie die Freunde meines Freundes): Holt ihn doch runter! Er soll statt seinen schindmährigen Pegasus zu reiten und dabei als Hungerleider Trübsal zu blasen (himmelhoch jauchzend, zn Tode betrübt) lieber einen ordentlichen »bürgerlichen« Beruf ergreifen. Wenn ein Dichter sagt: Gebt mir Muße für meine Muse!, be freit mich von Brotarbeit, damit ich meine Werke schaffen kann, dann zucken jene oben Gekennzeichneten die Achsel nnd wenden sich ge lassen ab. Also m u ß er doch eine Brotarbeit tun. Also muß der Dichter Zeitungsschreiber sein. Ist nun etwa: Zeitungsschreiber sein: ein minderwertiger, ein unehrenhafter Beruf? Im Dritten Reich, liebe Freunde, ganz sicher nicht! Hat es ein Dichter nicht nötig, fiir Zeitungen zu schreiben, dann mag das gut sein, wenn der Dichter gut ist, das heißt als Dichter Wertvolles leistet und zugleich gute Einnahmen hat; aber an sich ist es kein Verdienst, nicht für Zeitungen zn schreiben, wie es andrerseits keine Schande ist, diese Arbeit zu tun. »Ach der...! Ter schreibt ja soviel in Zeitungen.« Solche Rede hat heute keine Berechtigung mehr, wenn der Dichter, der in Zei tungen schreibt, sich bei dieser seiner Arbeit Mühe gibt. Heute sollen der Dichter nnd seine Leser eben nicht mehr in mondfernen Regionen abseits schweben, sondern sich auf dem Forum begegnen, wo das ganze Volk sich begegnet. Hätten sich nur früher schon die Dichter- lieber nicht für zu gut gehalten, um in Zeitungen zn schreiben! Jedenfalls — wenn der Dichter auch politisch wertvoll und richtig ist (nnd nur dann ist er ja heute daseinsberechtigt), dann steht dem nichts entgegen, daß er viel in Zeitungen schreibt, im Gegenteil wäre es dann nur zu wünschen. Nun sagt ihr Hochfeinen vielleicht, in der Zeitung finde sich ohnehin nur Tagesware, und wenn dann und wann etwas Besseres dazwischen gerate, so gehe es nur verloren. Dem ist zu erwidern: erstens, daß durch die nationalsozialistische Erziehung das Niveau der Zeitungen sich hebt oder doch heben soll (mit der Zeit gewiß), zweitens, daß der Einfluß, den das wirklich Gute, das eine Zeitung bringt, auf die Leser (und also auf das Volk) ausübt, gar nicht ans- zurechnen ist. So gut die politische Willensbildung zum National sozialismus zum großen Teil auf die Arbeit der Zeitungen zurück zuführen ist, so gut kann auch die kulturelle Leistung des deutschen Volkes durch die Presse gefördert werden. Sollen denn »Volk« nnd »Volksgemeinschaft« für die Dichter nur schöne Phrasen sein, ausgerechnet fiir die Dichter? Selbstver ständlich gedeiht das Kunstwerk des Dichters nur in der Stille. Aber so gut wie jeder andre Volksgenosse ist der Dichter heute politischer Soldat des Nationalsozialismus, und als solcher kann er seinen Dienst sehr wohl als »Zeitungsschreiber« leisten. Durch die Zeitung hat er Verbindung mit dem gegenwärtigen Volke, wie er als Dichter in der Stille seine Wurzel in die Vergangenheit senkt. Wer begriffen hat, daß »für das Volk nur das Beste gut genug« ist, der kann über die Zeitungsarbeit eines Dichters nicht die Nase rümpfen, zumal für einen großen Teil der Volksgenossen die Zeitung die geistige Hanptnahrnngsquelle ist. Die Zeitung ist heute schon etwas anderes als vor der Macht übernahme. Sie wird immer mehr etwas anderes werden, als sie früher war. Nicht der Schauplatz alberner Unterhaltung und ver gifteter -Heye, sondern ein Organ der Bildung zur Volksgemeinschaft, ein Kraftgnell des Willens, eine Stätte für das Wahre, Gute und Schöne. Denn die Politik wird Kultur, und die Kultur wird Politik. In dieser Durchdringung und Vereinigung geht die Zeitung mit voran. Und so ist es für uns Dichter eine Ehre, in den Zeitungen zu schreiben, auch wenn wir nicht unmittelbar im Zeitungsdienst stehen. 899
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