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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.01.1936
- Strukturtyp
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- Band
- 1936-01-23
- Erscheinungsdatum
- 23.01.1936
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- Deutsch
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Wie soll der Buchtitel aussehen? Ter Titel eines Buches ist seine Visitenkarte. Von ihm hängt es mehr noch als von der äußeren Aufmachung, von Einband und Umschlag, die in einer Besprechung, einer Anzeige oder einem Prospekt meist nicht zur Geltung kommen, ab, ob ein Buch gelesen und ge kauft wird. So ist die Wahl des Titels durchaus kein« leichte Sache, denn er drückt dem Buch den Stempel auf, und es ist kein Zufall, wenn sehr junge Leute, die dichterischen Ehrgeiz haben, zuerst einen Titel für ihr Werk finden, während das Werk selbst nie zur Aus führung kommt: der Titel enthält eben zunächst einmal alles, was der werdende Dichter sagen wollte. Natürlich ist von vornherein zu unterscheiden, welcher Art das Buch ist, das einen Titel braucht. Die Bedinguugeu sind bei schöner und wissenschaftlicher Literatur erheblich verschieden. Das wissen schaftliche Buch braucht seine Leser nicht anzurufen, denn es wendet sich an einen bestimmten Fachkreis, der von vornherein allen Ver öffentlichungen auf seinem Arbeitsgebiet Aufmerksamkeit schenkt. Es muh im Titel angeben, was im Buch zu finden ist, damit jeder wissenschaftlich Tätige weih, ob es gerade für ihn in Betracht kommt. Dabei schadet es durchaus nichts, wenn der Titel einmal etwas lang atmig ist, wenn er nur dann auch wirklich den Inhalt deutlich be zeichnet. So etwa »Die Kunst der deutschen Kaiserzeit bis zum Ei de der staufischen Klassik«, »Friedrich Lienhard und sein Anteil am Kampf um die deutsche Erneuerung«, »Das Erbe des Liberalismus im Kampf um Kirche und Schule«, »Die Sehnsucht nach dem Dritten Reich in deutscher Sage und Dichtung«. Aber natürlich sind auch hier einfachere Titel nicht vom Übel und durchaus möglich. So genügt bei Biographien meist schon der Name »Goethe«, »Schiller«. Titel wie »Altgermanische Kultur«, »Gegenwartsdichtnng in Öster reich«, »Musik des Barocks«, »Das internationale Zeitungswesen« sind zwar kurz und prägnant, geben aber doch eindeutig Auskunft über den Inhalt des Buches. Das politische Buch wird seinen werbenden oder kämpferischen Eharakter bereits im Titel vermitteln. Was ist deutlicher und ein dringlicher als der einfache Titel »Mein Kamps«? Und welche zum Lesen fast zwingende Kraft liegt doch in dem sachlichen »Der Mythus des 20. Jahrhunderts«! — »Kampf um Berlin«, »Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei«, »Ncuadel aus Blut und Boden« sind Titel politischer Bücher, die zwar programmatisch sind, den eigentlichen Inhalt aber - genau gesehen — nur andeuten und gerade dadurch das Interesse des Lesers erregen. Aber ist es im wissenschaftlichen oder politischen Buch meist schon der Name des Verfassers, der einen festen Begriff gibt und dem der Titel fast nur als Ergänzung zur Seite tritt, so bedarf die schöne Literatur des Titels als einer notwendigen Aussage. Gewiß sind auch hier Namen der Verfasser bekannt, nicht aber immer, welches Thema sie sich in einem bestimmten Buch gewählt haben. Hierüber soll der Titel Auskunft geben. Am deutlichsten ist das wohl auf dem Gebiete des reinen Unter- haltungs- und Kriminalromans. Hier ist die Wahl eines gnten Titels ausschlaggebend für den Verkaufserfolg. Man denke an die Titel, mit denen sich die Romane von Edgar Wallace durchgesetzt haben: »Der.Frosch mit der Maske«, »Der Herer«, »Der grüne Bogen schütze-. »Das Geheimnis der gelben Narzissen« usw. Hier sollte der Titel bewußt verschleiern, sollte Geheimnisvolles nur abnen lassen, das auch im Buch selbst erst auf den letzten Seiten seine Auf- klärnng fand. Und Titel von Nnterbaltungsromanen, die in großen illustrierten Zeitungen erschienen, sind ob ihrer Eigenart zu geflügelten Redensarten geworden — die beste Werbung, die man sich für ein Buch denken kann: »Und so verbringst Du Deine kurzen Taac«, »Die Sache mit Sckiorrsiegel«. »Einer zuviel an Bord«, »Ein Mann will nach Dentschlanö«. Solche Titel haben mit denen des Films starke Ver wandtschaft — sie sind bezeichnenderiveise auch bei Verfilmungen fast stets als zugkräftig beibebalten worden. Natürlich muß von seiten des Verlegers daraus geachtet werden, daß der Titel auch wirklich dem Inhalt des Buches entspricht, daß nicht ein vielver sprechender Titel das Hilfsmittel ist. ein langweiliges und nichts sagendes Buch an den Mann zu bringen. Denn nichts ist gefähr licher. als das Mißfallen des Lesers zu erregen — er wird sich den Namen des Verlages merken, der auf seine Kosten Reklame macht, und in Zukunft keines seiner Bücher mehr kaufen. Ohne Zweifel ist es die verantwortungsvollste Ausgabe, einem Bnch, das mit literarischen Ansprüchen erscheint, das als Dichtung gewertet sein will, den richtigen Titel zu geben. Er kann viel helfen und viel verderben. Der einfachste Titel ist der, der einen Namen benutzt. Aber er sagt im Grunde nichts, denn unter einem Namen, vor allem einem Vornamen, bat jeder Leser eine andere Vorstellung, und nur ein bekannter Autor sollte diese Art des Titels wählen. Vir nennen als Beispiele etwa »Inge Holm-, »Nathanael Maechler«, »Peter Brunnkant«, »Scharffenberg«, »Krüfemann«. Ost helfen hier Untertitel wie »Roman eines Schauspielers- oder »Roman aus der Zeit nach dem Kriege« den Namen verdeutlichen. Besser sind Titel, die mit dem Namen noch einen Zusatz verbinden, aus dem danu eine Beziehung deutlich wird, so »Dor und der September«, »bira und der Gefangene«, »Ehler Wittkopp und sein Geheimnis«, »Folkert der Schöffe«. Diese Titel erfüllen bereits zwei Aufgaben: sie erregen das Interesse des Lesers und geben doch zugleich eine annähernde Vorstellung von dem, was im Buch zu erwarten ist. Geographische Begriffe verleihen einem Titel ein gutes Rückgrat, da die Orts bezeichnung ein wesentliches Merkmal bedeutet. Mau denke an »Lüdc- ritzbucht«, »Quartier an der Mosel«, »Die letzten Vier von St. Pauli«, »Das Kollegium von .Kleckerfeld«, »Die Witwe von Husum«. Von ähnlicher Unbestimmtheit wie reine Namenstitel sind solclze, die mit abstrakten Begriffen den Bereich des Buches zu umreißen suchen. So etwa »Irrtum und Wandlung«, »Glück und Erfüllung«, »Treue und Freundschaft«. Hier wird zweifellos mit ganz be stimmten Gefühlswerten gerechnet, die beim Lesen des Titels wach werden und zum Lesen veranlassen sollen. Andererseits liegt in der Verschwommenheit des Titels wieder die Gesabr, daß sich keine deut liche Beziehung zu einem Buche ergibt, von dessen Wesen man keinen Begriff erhält. Besser sind hier wieder die Titel, die das abstrakte Wort mit irgendwelchen näheren Ergänzungen, etwa Namen, ver sehen. Das ergibt dann »Die Freundschaft von Kockclburg«, Abschied vom Gestern«, »Das Glück des Hauses Sassetti«. Nicht nur in der ausgesprochenen Unterhaltungsliteratur, sondern auch in ernster gemeinten Werken läßt sich ein Einfluß des Films deutlich erkennen. Er zeigt sich einmal in der ausfälligen Neigung. Titel um das Wort »Liebe« zu verwenden. Noch stärker macht es sich aber in der Formulierung der Titel überhaupt bemerkbar, die gern ausfällig, anreizend und in irgendeiner Weise originell sein wollen. Ein früher Ausdruck dieser Tendenz ist in dem zur Redensart ge wordenen »Kleiner Mann — was nun?« zu sehen. Ähnlicher Art sind »Felix contra U.S.A.«, »Ein Menschenherz — was weiter?«, »Morath verwirklicht einen Traum«, »Löwen hungern in Neapel«. Es liegt die Gefahr nahe, daß zghlreiche solche Titel allmählich ab stumpfend auf die Aufmerksamkeit des Leserpublikums wirken, wie es im Film ja bereits geschehen ist. Das Schrifttum, das aus der Gestaltung des Wortes lebt, sollte sich davor hüten, Mißbrauch mit ihm zu treiben, und man muß. ohne damit eine eigenwillige Titel- Prägung von vornherein zu verurteilen, die gewollte Originalitäts hascherei im Titel als dem Wesen des Buches fremd ablehnen. Wie soll, nachdem wir einige besonders bezeichnende Fälle bei spielhaft berausgegrifsen haben, der gute Buchtitel also aussehen? Er hat den Bereich des Buches zu umgrenzen, soll ebenso Veranschau lichung des Inhalts wie Verheißung sein, muß ein eigenes Gesicht haben, dark aber in seiner Prägung nicht dem Stil des Werkes wider sprechen. Diese Forderungen sind nicht immer in Einklang zu bringen. Aber wenn wir an Titel wie »Das Wunschkind«. »Volk obne Raum«, Umstrittene Erde«. »Ein Deutscher ohne Deutschland«. »Der Heiligen hof«, »Das .Kinderschiff«, »Volk auf dem Wege«, »Herz im Osten« und eine Anzahl andere denken, so scheinen uns hier die wesent lichsten Forderungen an einen guten Titel erfüllt. Allgemeine Ge setze lassen sich freilich nicht aufstellen, letzten Endes ist es immer entscheidend, daß Titel und Buchinhalt so in Einklang stehen, daß sie nicht voneinander zu trenneu sind. Denn in einer Zeit, wo es mehr als je daraus ankommt, das Schrifttum der Gesamtheit des Volkes nahezubringen, darf die Titelaestaltung auf keinen Fall vernachlässigt werden oder gar un berücksichtigt bleiben. Schon mancher eifrige Leser bat es erlebt, daß er ein Buch mit Bedenken und einer inneren Abneigung in die Hand nahm, weil ihm der Titel wenig zu versprechen schien. Nicht selten kam es dann vor. daß er das Buch doch befriedigt und bereichert ans der Hand leate. Wieviel mehr aber hat die Fraae des Titels dort einen Einfluß, wo nur wenige Bücher im Iabr gelesen werden, wo man erst allmählich mit der Dichtung vertraut zu werden beginnt. Diesen Menschen muß bereits der Titel ein Führer sein. Und da? schließt zugleich die Verpflichtung für da? Buch in sich, niemals mehr scheinen zu wollen, als es wirklich ist. Denn wenn wir anfangs von dem Titel des Buches als seiner Visitenkarte sprachen, so läßt sich der Veraleich auch bier durchführen: ebensowenig wie unser Urteil über einen Menschen endgültig von seiner Visitenkarte be stimmt wird, ebensowenig hilft die glänzende Fassade eines präch tigen Titels über die innere Hoblbeit eines Buches hinweg. So ist die oberste und immer gültig« Forderung an den Buchtitel allein die nach Wahrheit! Gerd Eckert. 77
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