Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 21.05.1883
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- 21.05.1883
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- Deutsch
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Ich folgte dem Strome zu „Schatz"; winkten mir Armen danach noch ganz andere Strapazen, die nur Derjenige gerecht be- urtheilen kann, der einen Ausstellungsbericht zu schreiben unter nommen hat. Statt nach dem Krystallpalast zum fröhlichen Mahl mußte ich meine Schritte nach der Börse zurücklenken, um mir das Ausstellungslocal aufschließen zu lassen. Ich nahm auf einem der zwei vorhandenen harten Stühle Platz und legte mein Papier zurecht. Hoch über meinem Kopf lehnte ein imponirender Quartband „Freydal, oder die Tourniere und Mummereien des Kaisers Maximilian l", dieses mächtigsten, aber nicht immer freigebigsten der deutschen Kunstverleger, und fesselte fortwährend meine Aufmerksamkeit. Da erschien der zum Staatspensiouär designirte Castellan Bogen, begreiflicherweise heute noch freundlicher schmunzelnd denn je. Aus seiner, jedem Leipziger wohlbekannten Mappe, die ihn in seinem bewegnngsreichen Leben nie verläßt, langte er zwölf Halbsiaschen Sect, eine nach der andern, heraus, die sich alle durch Wappenschilder als Abkömmlinge der edelsten Weinhäuser legiti- mirten; daneben stellte er, wie er sagte für alle Fälle, ein 13. Fläschchen mit Bittern hin. Zu meinen: Staunen wurde ich darüber aufgeklärt, daß dies auf Anordnung des Vereinssenats geschehe. War dies bereits ein erster kleiner Versuch, dem gestellten Antrag auf Mobilmachung des Vermögens gerecht zu werden? Als solcher schien mir der Gedanke so gar übel nicht und mit einem gewissen Behagen hörte ich, wie Bogen den Schlüssel umdrehte. Ich befand mich also mit meinen Flaschen allein. Die erste leerte ich auf das Wohl des Vereinsvorstands, die zweite widmete ich dem Vermögensmobilmachungsantragsteller und so kostete und toastete ich im Stillen immer weiter, bis-sich meine ungehaltenen Reden der Zahl nach mit den im Krystallpalast gehaltenen wohl messen konnten. Da fand ich mich auf einmal in ganz andere Umgebungen versetzt. Die schweren hemmenden Säulen des Ausstellungssaales waren verschwunden, dieser selbst bis auf den doppelten Umfang extendirt und zwei Stock hoch gehoben. Statt des fahlen, falschen Doppellichts fiel durch die Decke von Glas und eleganter Eisen- construction ein treffliches, gedämpftes Oberlicht hinein, wodurch die volle Ausnutzung der vier Wände möglich geworden war. Jetzt merkte ich erst, was geschehen. Ich bckfand mich in dem neuen groß artigen Börsenvereinsgebäude hinter der Johanniskirche, welches außer dem großen Abrechuungs-, Versammlungs- und Banquetsaal mit kleinen Gesellschaftsräumen im ersten Stock (vorsichtiger als die Alten hatten die Epigonen Küchen- und Kellereinrichtnng nicht vergessen) noch die Buchhandlungs- und graphische Akademie, die Redaction und Expedition des Börsenblattes und der übrigen Artikel des Vereinsverlags, das Secretariat, die Bcstellanstalt, die Packetbefördernngsanstalt und die sonstigen Institutionen des Ver eins umfaßte, in deren erster Reihe die vortreffliche Bibliothek und das mit derselben verbundene höchst interessante graphische Museum zählten. In dem Saale der beiden letzteren im zweiten Stock saß ich eben. Die Bücherschränke und die Schaustücke des Museums waren ringsum an den vier Wänden angebracht. In der Mitte des Saales breiteten sich geschmackvoll decorirte Tafeln aus und waren Scheerwände nnt grünem Tuch beschlagen und von einfach noblen eichenen Rahmen umfaßt, aufgestellt; auf ersteren lagen, an letzteren hingen die vielen Ausstellungsobjecte. Die fremden Länder waren nicht weniger vortrefflich reprä- sentirt, als es mit dem Inland der Fall war; ein Land suchte das andere in der Leipziger Meß-Ausstellung zu überbieten. Es war eine ebenso interessante als lehrreiche Aufgabe, die verschiedenen Productionsweisen der Länder vergleichend benrtheilen und dabei constatiren zu können, wie dieser Vergleich fast durchweg zu Gunsten Deutschlands ausfiel. Infolge davon und auch weil Deutschland zugleich billiger producirte, strömten ihm Aufträge aller Art zu. Meine kühnsten Phantasien waren hiermit nicht allein er reicht, sondern weit übertroffen. Eine Herzensfreude gewährte mir namentlich ein wahres Bijou von einem Ausstellungskatalog (die angesehensten Buchdruckereien Leipzigs hatten sich es als Ehren sache ausgebeten, der Reihe nach denselben liefern zu dürfen) mit eingestreuten belehrenden und aufklärenden Bemerkungen, während die für den Buchhandel allein bestimmten geschäftlichen Notizen in einem Appendix zu dem nochnichtsterbenkönnenden Meßhilfsbuch enthalten waren. Ju der That, es war ganz erstaunlich, was alles in kürzester Zeit infolge des Nachsinnens des Vereinsvorstandes über seine „dankenswerthe Sommeraufgabe" und der „Vorschläge der Journa listen des Börsenblattes in der Sauergurkenzeit" in Betreff der „Verwendungszwecke für die gewaltige Vermögenssumme des Ver eins" geleistet ward. Und doch war der Sprung von dem Nikolai kirchhofe nach dem Johannisplatz anno 1886 lange nicht so groß gewesen, als der 50 Jahre vorher, von dem Paulinum nach der Lorsa Uavarioa. Als mau seiner Zeit zum ersten Mal es wagte, das Wort Hausbau in den Mund zu nehmen, hatte der Verein ein Capital von 151 Thlr. 11 Gr. 6 Pf.; im Jahre 1883, als man den Umzug ins Auge faßte, rechnete man mit einem Vermögen von gerade so vielen Tausend-Mark Scheinen als das Jahr Tage hat. Mit innigem Behagen blätterte ich in dem Katalog nach, um unter „Holzhausen in Wien" etwas Näheres über den „Freydal" zu erfahren, der immer noch, wenn auch etwas vornehm, so doch ein ladend ihn herunter zu nehmen, auf mich herabschaute. Länger konnte ich nicht widerstehen und eben war ich im Begriffe, das Herunternehmen zu bewerkstelligen, als die barschen Worte des Petrus-Wilfferodt, die diesem Artikel vorangedruckt sind, meine Ohren trafen. Indem ich ein wenig verdutzt meine ebenfalls ab gedruckte Antwort möglichst herzhaft herauspreßte, erlahmten mir jedoch die gehobenen Arme und mit großem Gepolter stürzte der corpulente „Freydal" aus meinen Händen auf die Flaschen herunter, die klirrend in Stücke splitterten; nur die von mir nicht angerührte kleine mit dem Bittern war unversehrt geblieben. Da erwachte ich — denn ich hatte geschlafen und phantasirt wie mein Vorgänger im Bremer Rathskeller bei seinen geleerten Flaschen. Meine ersten Gefühle waren Beschämung darüber, daß ich zu viel getrunken, und Aerger über die angerichtete Unordnung. Bald wurde ich jedoch inne, daß in meinen Phantasien auch die vom Senat gewährten Probe-Flaschen nur geträumte waren, und daß ich mich in vollkommen nüchternem Berichterstatter-Zustande be fand und nur aus Müdigkeit ein wenig eingenickt war. Ich konnte ja auch nöthigenfalls mehr als zwölf unbescholtene Collegen als Zeugen stellen, daß ich nur Eins und einen Schnitt „Helles" ge trunken, ja daß ich sogar ausdrücklich den Schnitt „möglichst klein" bestellt hatte, obwohl dies, namentlich in der Messe, eigentlich eine ganz unnöthige Vorsicht gewesen. Ich fand mich also auch bald in der alten Situation wieder zu recht, und als nun der Staatspensionär, diesmal aber wirklich, ein trat mit der Frage: „Wollen Sie denn nicht wenigstens eine Tasse Kaffee haben hier ist es abscheulich kalt"?; ward ich mir schnell meiner, bis jetzt verschlafenen Pflichten vollständig bewußt und ging mit erheucheltem Muth, den zur Schau zu tragen ja nicht so schwer ist, wenn man einmal nicht mehr davon laufen kann, ins Feuer. Möge der Leser, der in dieser Stunde an der Festtafel im Krystallpalast fichs wohlschmecken ließ, nicht den ihm hier ge reichten einfachen Cantate-Nachtisch als vollständig ungenießbar
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