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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 20.02.1936
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- 1936-02-20
- Erscheinungsdatum
- 20.02.1936
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Börsenblatt für Len Deutschen Buchhandel Der Lektor Seine Tätigkeit im Lichte neuer Forderungen 0r. kl.ll. — Der Lektorberus gehört zu den meist verzweigten und wichtigsten von allen Berufen, die im Dienste des Schrift tums stehen. Wenn im folgenden ganz allgemein vom Lektor die Rede ist, dann meine ich damit den Berlagsleltor im engeren Sinne; in die Betrachtung nicht einbezogen find also — von Einzelheiten abgesehen — jene Gruppen von Lektoren, die mit besonderen Aufträgen für die entsprechenden Dienststellen des Staates und der Partei arbeiten, die also etwa, um nur ein Bei spiel herauszugreifen, darüber zu urteilen haben, ob Neuerschei nungen, die für die Schule bestimmt find, sich tatsächlich dafür eignen und für diesen Zweck zugelasfen oder empfohlen werden können. Zu diesen Gruppen gehören die Lektoren der Partei amtlichen Prüfungskommission, der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums, der Rcichsschristtumsstellc usw. Auch im Hinblick auf die Verlagslektoren selbst müssen da und dort gewisse Einschränkungen gemacht werden, da z. B. die Tätigkeit des Lektors eines wissenschaftlichen Verlages auf anderen Vor aussetzungen beruht als die des Lektors eines allgemein schön geistigen oder eines politischen oder eines Jugcndschriften-Ver- lags. Noch innerhalb dieser Verlagssparten ist es nicht einfach, die Tätigkeit des Lektors immer auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit sei im folgenden vornehm lich an den schöngeistigen Verlag gedacht. Vom Lektor dieses Ver lages läßt sich — oum gr-mo salis natürlich — sagen, daß er der ungekrönte König des schöngeistigen Schrifttums sei. In seiner Hand liegt weitgehend die Entscheidung darüber, was von den eingehenden Manuskripten das Licht der Welt erblicken oder was mit freundlichem Dank für die Einsendung wieder an den Autor zurückgehen wird. Darin liegt die große Verantwor tung, aber auch der hohe Reiz dieser Tätigkeit. Beide — Ver antwortung und Reiz — unterliegen mitunter nicht geringen Einschränkungen bei solchen Verlagen, die einen einigermaßen festen und gleichbleibenden Bestand an Hausautoren ihr eigen nennen dürfen, besonders dort, wo es sich bei diesen Hausautoren um Persönlichkeiten handelt, deren Bedeutung bereits unum stritten seststeht. Der Lektor des Verlages von Hermann Stehr oder Kolbenheyer z. B. wird kaum mehr darüber zu befinden haben, ob ein neues Manuskript, das von diesen Dichtern ein geht, gedruckt wird oder nicht; denn es ist selbstverständlich, daß cs gedruckt wird. Entscheidungen, die über etwaige geringfügige Änderungsvorschläge u. ä. hinausgehen, hängen in solchen Fällen von der Tätigkeit des Lektors nicht inehr ab. Etwas anders ver hält sich die Angelegenheit dort, wo es sich zwar auch um einen schon eingesührten Autor handelt, wo dessen Geltung aber noch nicht so sicher und eindeutig feststeht, daß sein literarischer Ruf durch ein neues Werk, das gegenüber den bisher von der Öffentlichkeit gut aufgenommenen und von der Kritik gerühmten stark abfällt, nicht gefährdet werden könnte. Die Aufgabe des Lektors ist hier ganz besonders schwierig, denn es ist nun einmal eine Tatsache, daß die wenigsten Schriftsteller ihren eigenen Werken gegenüber so frei sind, daß sie die Berechtigung der Bedenken des Lektors immer ohne weiteres einzusehen ver möchten. Ich selbst habe mir während meiner Berlagsarbeit ein mal die bittere Feindschaft eines Dichters zugezogen, weil ich ein von ihm neu eingereichtes Werk mit guten Gründen scharf ab- lehnte und vor einer Drucklegung dringend warnte — um seinet willen. Er setzte die Veröffentlichung durch, die Ausnahme bei der Kritik und beim Publikum gab mir nachträglich recht; es zeigte sich, daß der betreffende Autor tatsächlich besser getan hätte, den Rat des Lektors zu befolgen und auf die Veröffent lichung dieses so stark aus dem Rahmen seines übrigen Schaffens heraussallcnden Werkes zu verzichten. Ich habe dieses aus der eigenen Erfahrung gewonnene Beispiel angeführt, weil es eine 158 Lage veranschaulicht, in die sicher jeder Verlagslektor immer wieder einmal hineingerät. Er meint es gut, und es wird ihm, wenn dieses Gutmeinen nicht verstanden wird, mitunter übel dafür vergolten. Ich gehe einen Schritt weiter und komme auf die Tätigkeit des Lektors zu sprechen, die dort einsetzt, wo er es mit jenen zahl losen Einsendungen wenig bekannter oder völlig unbekannter Verfasser zu tun hat, mit denen die Verlage, besonders die größeren, tag täglich überschüttet werden. Einige Zahlen seien zum besseren Verständnis vorausgeschickt*). Nehmen wir an: Ein größerer Ver lag bringt im Jahr etwa sechzig Neuerscheinungen heraus. Die Hälfte davon (diese Zahl dürfte eher zu niedrig als zu hoch ge griffen sein) wird bestritten durch die Hausautoren des Verlages. Im allergünstigsten Falle (ich nehme mit Absicht ein mal diesen allergünstigsten Fall an, auch wenn er praktisch kaum eintreten dürfte) gelangen im Laufe eines Jahres also dreißig Manuskripte zur Annahme von Autoren, die bisher nicht zum Verlagsstamm gehörten. Unter diesen dreißig Manuskripten stammen sicher fünfzehn von Verfassern, die sonst schon mehr oder weniger gut in der Öffentlichkeit eingesührt sind, entweder durch Buchverösfentlichungen oder durch eine Tätigkeit, die ein ge wisses Bekanntsein mit sich bringt und einen einigermaßen abzu schätzenden Grad von Interesse erwarten läßt. In diesem günstig sten Falle also bleiben fünfzehn Manuskripte für eine Annahme frei, die von unbekannten oder wenig bekannten Verfassern stam men und die aus der Flut der Einsendungen herausgefunden wer den müssen. Halten wir diese Zahl fünfzehn einmal fest (in der Verlagspraxis dürste sie sehr, sehr feiten sein, denn welcher Verlag hat schon die Büttel, in einem Jahr fünfzehn neue Autoren einzufllhren!) und stellen wir dagegen dis Zahl der Manuskripteinsendungen, die in einem Jahr bei einem Verlag von dieser ausgedehnten Produktion mit etwa 3000 angenommen werden darf, so bedeutet das, daß von allen eingesandtenLlkaml- skripten unbekannter Verfasser nur jedes zweihunderlste vielleicht Aussicht hat, angenommen zu werden, jeweils hundertneunund neunzig von zweihundert verfallen der sicheren Ablehnung. Leider sind diese ernüchternden Zahlen nicht allen denen be kannt, die sich jahraus jahrein in unserem Vaterland zum Schrei ben berufen fühlen. Wenn das der Fall wäre, wäre doch anzu nehmen, daß manch einer von ihnen es sich lieber drei- als zwei mal überlegen würde, ob es wirklich Zweck und Sinn hat, die Feder einzutauchen oder die Schreibmaschine hcrvorzuholen, um das entscheidende, noch fehlende große Werk zu schreiben. Allzu viel soll man sich von dieser Überlegung aber nicht versprechen, — die Lektorate der Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums und der Reichsschrifttumsstelle wissen ein viclstrophi- ges Lied von dem Glauben an die eigene Berufung dieser schrei benden Menschen zu singen, von einem Glauben, der in den Be gleitbriefen zu den eingesandten Manuskripten flammt, glüht und knistert, und der in so vielen Fällen, ja in der weitaus größten Zahl der Fälle, nicht die geringsten realen Voraus setzungen hat. Unter den Manuskripten, die mir persönlich zu gehen, finde ich z. B. immer wieder solche, deren Schreiber von Orthographie keine Ahnung haben, bei denen das Wort Stil gefühl nur zu denken verantwortungslosen Optimismus bedeuten würde, Menschen, die sich nie überlegt haben, was das heißt und bedeutet: ein Buch zu schreiben, das anderen Menschen etwas sein und geben soll, ganz einfach: Pathologen. Diese Dinge müssen einmal mit rücksichtsloser Ossenheit ausgesprochen werden, da Natürlich kann es sich hier nur um ungefähre Ziffer» handeln, Ich lasse mich gegebenenfalls gern belehren. Auch wenn die Zahle» etwas zu hoch gegriffen sind, ändert sich ja kaum etwas am Grund sätzlichen. D. Vers.
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