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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 11.08.1879
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1879-08-11
- Erscheinungsdatum
- 11.08.1879
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- Deutsch
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3144 Nichtamtlicher Theil. ^ 184, 11. August. Aus welche Weise dies zur Anzeige kam, ist unbekannt. — Kurz das Resultat war eine Verweisung des Buchhändlers auf unbestimmte Zeit „nach weniger entfernten Gouvernements". Der Fall mit dem russischen Buchhändler Sserno-Ssolowjowitsch gehört wohl nicht hierher, da dieser nicht eigentlich als Buchhändler, sondern als Revolutionär und Conspirator nach Sibirien verbannt wurde, wo er auch starb. Es ist Thatsache, daß die größte Menge der verbotenen russi schen Bücher ihren Weg über Deutschland und die Preußisch-russische Grenze nahm. Das Geschäft muß recht systematisch betrieben wor den sein und war auch wohl lucrativ, denn es befanden sich dainals an der Grenze jüdische Spediteurs, die ihre Agenten in Petersburg hatten und dort in den Buchhandlungen die Uebernahme von Spe ditionen mit Umgehung von Zoll und Censur offerirten. Die Taxe war etwa 50 Rbl. Pr. Pud, doch konnte man dafür auch die Waare bei soliden Häusern in Königsberg gegen Confiscation assecuriren, so daß man wenigstens kein Risico lief. Wenn wir oben die Eigennützigkeit der russischen Beamten erwähnten, so mästen wir doch bekennen, daß wir auch Beispiele edlerer Gesinnung bei ihnen angetroffen haben. In einem Falle handelte es sich um eine größere Sendung verbotener Bücher. Die selbe sollte, wie es früher schon öfter geschehen war, unbesichtigt die Censur passiren. Unglücklicherweise war einige Tage vorher eine große Kiste voll verbotener Schristen, infolge einer Denunciation, abgefaßt und confiscirt und darauf eine verschärfte Controle an geordnet worden. Kurz, der Beamte, der beiläufig keine Ahnung davon hatte, daß er schon häufig mißbraucht worden war, bestand aus eingehender Besichtigung der Kiste. Der Empfänger war also genöthigt, ihm zu beichten. Anstatt nun entweder den Fall zur An zeige zu bringen oder wenigstens die Gelegenheit zu benutzen, um eine solide Summe für sich zu erpressen, begnügte er sich, die ver botenen Schriften Privatim zu confisciren — allerdings ist anzu nehmen, daß er sie später vortheilhaft realisirt hat. Der andere Fall fand in einer Gouvernementsstadt Rußlands statt. Es war von Petersburg aus an den Ches der Gendarmes dieser Stadt die Weisung ergangen, bei einem Buchhändler nach verbotenen Schristen zu fahnden. Doch bevor noch der Herr Obrist Zeit fand, seine Ordre auszusühren, hatte der Buchhändler schon von anderer Seite Wind bekommen und natürlich sofort seine Maßregeln getroffen, so daß die übrigens sehr oberflächliche Untersuchung nichts zu Tage förderte. Wir constatirten im Vorstehenden, daß bis etwa zum Jahre 1863 die Handhabung der Censur für im Auslande gedruckte Bücher eine sehr nachsichtige war. Es wehte damals ein Frühlings hauch über die nordischen Gefilde. Auch die innere Censur wurde damals aus milde Weise geübt. Thatsache war, daß eine entschieden liberale und zuweilen ziemlich weit nach links neigende Richtung ein bedeutendes Uebergewicht hatte. Zeitschriften mit conservativen Gesinnungen, welche alte, abgelebte Institutionen vcrtheidigten, wurden nicht etwa von oben protegirt oder gar unterstützt, sondern konnten nur durch große Opfer der betreffenden Interessenten er halten werden, fristeten aber trotzdem ein nur kümmerliches Dasein und welkten bald dahin. Mit den, Ausbruche der Polnischen Jn- surrection aber und namentlich seit dem Karakosow'schen Attentate vom 4. April (23. März) 1884 wurde Alles anders. Der gesürch- tete Murawjew war nach Petersburg berufen worden und die Haus durchsuchungen und Einkerkerungen begannen im größten Maßstabe. Wieviel verbotene Schristen damals in Asche verwandelt wurden, wissen die Götter allein. Selbstverständlich wurde die Handhabung der Censur sofort eine ganz andere. Die Buchhändler bekamen seit her kein verbotenes Blatt mehr heraus; Jedermann hütete sich, falls er aus Schmuggelwegen in Besitz von verbotenen Schristen gelangt war, solche aus der Hand zu geben. Falls jetzt irgend ein hoher Beamter oder ein Mann von Rang und Stand ein verbotenes Buch zu haben wünscht, so muß er einen Revers unterschreiben, in welchem er sich verpflichtet, dasselbe nicht weiterzugeben. Diesen Revers gibt er dem Buchhändler, der ihm die Schrift besorgen soll. Dieser hat den Revers an die Censurbehörde einzureichen, welche ihn an eine höhere Instanz befördert. Dort werden, falls der Be treffende nicht genügend bekannt ist, Recherchen angestellt und es kommt häufig vor, daß eine abschlägige Antwort ertheilt wird. Mißliebige und anstößige Stellen in erlaubten Büchern oder Zeit schriften müssen in der Kanzlei der Censurbehörde ausgeschnitten oder geschwärzt werden — der Kunstausdrnck dafür heißt „modi- ficiren". Gänzlich verbotene Bücher bleiben im Censurcomits, in welchem jeder Buchhändler zu diesem Zwecke seinen besonder» Schrank hat, und können nur von dort aus remittirt werden. Daß trotzdem in neuerer und neuester Zeit die internationale social-demokratische und nihilistische Propaganda ihre Brandschristcn massenweise in Rußland verbreitet, ist allerdings eine nicht zu leug nende Thatsache. Wir möchten aber hier mit Entschiedenheit con- statiren, daß an der Verbreitung dieser Schristen wohl kein ordent licher Buchhändler mehr theilnimmt. Abgesehen von der Gefähr lichkeit, die ein solches Treiben für einen seßhaften, aus Reputation und gesellschaftliche Stellung angewiesenen Mann jetzt haben müßte, ist der Charakter der neuern verbotenen Literatur auch ein ganz anderer geworden, und schon deshalb wird sich jeder achtbare Buch händler von solcher Propaganda fern halten. Wenn sogar das Deutsche Reich genöthigt war, dem Wühlen der Socialdemokratie Schranken entgegenzusetzen, so kann es wohl nicht Wunder nehme», daß die russische Regierung dem Treiben dieser extremen, aus ganz unmögliche Zustände hinarbeitenden Partei, die mit bluttriefenden Händen alle Bildung und Gesittung auszurotten droht, auch ihrer seits mit Tod und Verbannung entgegcntritt. Der Ausgang dieses Kampfes unterliegt keinem Zweifel. Jetzt, nachdem die Mörder- Hand sich auch nach dem Haupte des Kaisers ausgestreckt hat, wird die „kleine, aber zu jeder Schandthat fähige Partei" mit aller Energie unterdrückt werden. Daß es bei dieser Gelegenheit nicht ohne Hebelgriffe und „Mißverständnisse" abgehen und daß der Verführte und Irregeleitete häufig in eine Kategorie mit dem bewußten Verbrecher geworfen werden wird, ist leider in Zeiten der politischen und socialen Aufregung selten zu vermeiden. In jedem Falle hat Rußland eine Periode der Reaction vor sich, die der ruhigen Entwickelung entgegentreten, und demzufolge auch dem Buchhandel von empfindlichem Nachtheil sein wird. Hoffen wir, daß diese Periode von nicht zu langer Dauer sein wird, und stützen wir unsere Hoffnung aus die außerhalb Rußland noch viel zu wenig bekannte Thatsache, daß die Vergiftung des Geistes dort noch nicht tief ins Volk gedrungen ist, sondern sich nur aus eng begrenzte, an Zahl verhältnißmäßig kleine Kreise beschränkt. v. k. MiSccllcn. Infolge der Aufforderung des Vorstandes des Börsenvereins hat sich am 20. Juni d. I. ein Verein Königsberger Buch händler mit einer Betheiligung von g Firmenconstituirt. Inden Vorstand wurden gewählt die Herren: H. Matz (Hübner L Matz) zum Vorsitzenden, B. Stürtz (Gräfe L Unzer) zum Schriftführer und A. Koch (W. Koch) zum Schatzmeister. Die Wahl des Dele- girten für die am 16. Septbr. d. I. in Leipzig stattfindenden Com missionsberathungen fiel auf Herrn H. Matz. Personalnachrichten. Der König von Bayern hat Herrn Adolf Ackermann (vormals Fleischmann's Buchh.) in München den Titel eines Hos- Buch und Kunsthändlers verliehen.
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