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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.02.1907
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 12.02.1907
- Sprache
- Deutsch
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Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 1641 36, 12. Februar 1907. Die Umstände sind lehrreich. Nach und nach ging der junge Verleger kecker vor und wagte manchen Sprung mit wechselndem Glück. 1878 schreibt er: »Ich treibe von selbst mehr und mehr in den Verlag hinein und darf mich loco zunehmenden Vertrauens und im All gemeinen guten Erfolges freuen.» Hier trieb er also noch froher Hoffnungen voll auf den Ozean hinaus und setzte Segel auf Segel. Bald aber stellten sich die Seufzer ein; es sind die typischen Klagen des Ver legers, der bald hier, bald dort tastende Versuche macht und sich nicht auf bestimmte Geistesregionen einschränkt, sondern seinen Pfad noch unsicher geht. 1883 bekennt er offen: -Ich habe wieder letztlich zu viel gutes Papier mit Drucker schwärze verdorben und die Messe war abscheulich mager. Darin wird man leider nicht klüger und sündigt immer wieder darauf los.» Einmal heißt es sogar: »Der Verlegertraum ist ausgeträumt.-- »Die unausbleib liche Krisis im deutschen Verlagsgeschäft ist nun da, und wer nicht auf ganz festen Beinen steht, mag sich vorsehen. Die Sorglosigkeit, mit der die Mehrzahl kleiner und großer Verleger in den Tag hinein verlegen, rächt sich wohl überall bitter. Also zeitig einlenken, konzentrieren und auf dem bescheidenen, aber festen Fundamente langsam vorsichtig weiterbauen.« Man vergleiche mit diesen Worten einmal die Worte von Friedrich Andreas Perthes aus dem Jahre 1842: »In den letzten vier Jahren habe ich mit Verlagsunter nehmungen recht traurige Erfahrungen gemacht. Die Werke, an denen ich bedeutenden Schaden gehabt, sind als rmssen- schaftlich tüchtig und verdienstlich anerkannt, mit gutem Willen habe ich gestrebt zu fördern, aber die Opfer sind zu groß, 'ich muß Anhalten.« Auch Strauß strebte, wie es seiner zeitlebens gepflegten geistigen Durchbildung entsprach, in seinem Verlag wissen schaftlichen Tiefgang an; ehe er aber die zweite große Los nummer seines Verlags ziehen durfte, mußte er oft Nieten spielen. Man steht aus der eingehenden Übersicht seines Biographen, daß der rheinische Verleger sich auf allen Hauptgebieten der Wissenschaft versucht hat; mitunter naschte er allerdings nur, so bei der Theologie und Kirchen geschichte und auf dem Felde der Rechtswissenschaft. Seine besondere Neigung galt aber der von seinem Oheim gepflegten Region, dem Grenzland zwischen Religion und Wissenschaft, und außerdem widmete er sich mit Eifer dem Kunstverlag und rief in dem einen wie in dem andern Fall wertvolle Produkte hervor. »Ohne Strauß wären die Welträtsel' nicht geschrieben worden«, sagte Ernst Haeckel selbst, »er hat sie angebahnt und durchgesetzt.« Ebenso wären ohne Strauß' anregende Tätigkeit die Kunstblätter, die er veröffentlicht hat, nicht entstanden; reiste er doch sogar mit dem Maler radierer Ulbrich (der, ursprünglich Buchhandlungsgehilfe, durch Ernst Seemann der Kunst zugeführt wurde) nach Italien, um mit dem Künstler gemeinsam die malerisch schönsten Punkte aufzusuchen. Hier betätigte er die ihm innewohnende Wanderlust auch einmal im Dienste seines Verlags. Daß Strauß mit so vielen tüchtigen Autoren hat in Verbindung treten können und mit den besten viele Jahre im Verkehr blieb, lag in seiner Art sich zu geben, worüber er sich einmal schon im Jahre 1870 ausspricht: »Mein Prinzip- — sagt er da — »sich in allen Lebenslagen nur auf sich selbst zu stellen und dann die Leute ruhig an sich herankommen zu lassen und immer kühl zu bleiben, selbst wenn man einen Umgang sehr wünscht, hat sich mir wieder recht als probat erwiesen. DaS allein imponiert! Die sonst so exklusiven Professoren, Dozenten usw. behandeln mich mit viel Auszeich nung, ich esse mit ihnen, kneipe mit ihnen und behandle sie mit möglichster Höflichkeit wie meinesgleichen. Das gewährt Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. mir einen ansehnlichen Vorsprung vor meinen hiesigen Kon- kurrenten.- Ju einem Brief an Ernst Steiger in New Dort, der ihm die selbstverfaßten Lebenserinnerungen gewidmet hatte, zeichnet der rheinische Kollege dem selbstbewußten Auto biographen sein Selbstbildnis. Er stellt seine eigne Person, der des triumphierenden Deutsch-Amerikaners gegenüber, der stolz darauf war, in Gemeinschaft mit einigen andern NewUorker Firmen eine Menge Konkurrenten beseitigt zu haben, und der sich stark genug fühlte, jeden Versuch einer Neugründung im Keim unterdrücken zu können. Seinem Siegesruf stellt der fortgeschrittene Europäer ein andres Jdal entgegen: »Wir deutschen Buchhändler, namentlich wir Verleger, wissen nur zu wohl, warum wir alles daransetzen, um uns den zahlreichen lebensfähigen Provinzialbuchhandel zu erhalten, denn in seiner Existenz allein beruht das Geheimnis der hohen Blüte des deutschen Buchhandels. Hoffentlich wird es bei uns niemals Ereignis, daß ein paar Dutzend Leipziger und Berliner Sortimenter das deutsche Provinzialsortiment aufgesogen haben. Das Trümmerfeld des deutsch-amerikanischen Buch handels, das Sie uns schildern, sollte ein warnendes Memento sein gegen ein fahrlässiges Manchestertum, das manche ge dankenlose Kollegen unter uns predigen.- Aus dem »rücksichtslosen« Schluß des Briefs sieht man, daß Strauß eine gute Klinge schlug. Er stand seinen Mann und dachte wie Lessing: »Was ich den Leuten zu sagen habe, sage ich ihnen unter die Augen, und wenn sie darüber bersten müßten«. Und wann nur sagte Strauß so kräftige Worte? Immer nur dann, wenn es die große, die gute, die allgemeine Sache galt. Dann schnitt er mit kräftigem Hiebe in das Gestrüpp der Vorurteile und schuf dem Fortschritt Bahn; dann dämmte er den ungefügen Egoismus ein. Denn in diesem Manne waren beide Seiten des menschlichen Wesens zu echter Har monie vereinigt, die Adam Smith, der Vater der Volkswirt schaftslehre, in zwei unsterblichen Werken getrennt behandelt hat. Das eine Werk ist die Untersuchung über den Reichtum der Nationen; dort nimmt Smith an, daß die Selbstsucht die Triebkraft aller menschlichen Tätigkeit sei, und liefert eine Art Philosophie des Egoismus. In dem andern Werke aber, das siebzehn Jahre älter ist, die Theorie der sittlichen Empfindungen, erörtert er, lange vor Schopenhauer, daß das Mitgefühl die Hauptursache des menschlichen Betragens, die Grundlage der Moral sei. In dem einen Werke weist der große Schotte nach, daß der, der nur seinen Vorteil sucht und seine Lage zu verbessern trachtet, meist und unbewußt zugleich das Interesse anderer fördert; in dem zweiten Werke setzt er auseinander, daß wir keinen Begriff von Lob oder Tadel, von Verdienst oder Schande, von Wert oder Unwert hätten, wenn uns die andern Menschen diese nicht lieferten. Inwiefern also Moral und Selbstsucht im menschlichen Leben miteinander streiten, inwiefern sie ins Gleichgewicht gebracht werden müssen, das wird erst aus der Betrachtung beider Werke offenbar; denn die Nationalökonomie allein, eine einseitige Wissenschaft, lehrt uns nur deu einen Trieb kennen: die Bestie im Menschen, die unersättlich gierige Gefräßigkeit der krassen Selbstsucht. Die andre Seite des menschlichen Wesens, das Wohlwollen für unseres Gleichen, das ethische Grundprinzip, das den Vertrag, das Recht hervorbringt, ent steht erst, nachdem durch den heißen Kampf die Läuterung der Einsicht errungen ist. Der Volkswirt lehrt, daß es töricht sei, die Armen durch Almosen zu unteistützen, weil dadurch die Sorglosigkeit gefördert und die Trägheit hervor gebracht werde; die werktätige Liebe lehrt, daß man den Schwachen zu stützen habe, damit er nützen könne, wie er soll. Diese Gegensätze, die sich, wenn auch in stets ver änderter Mischung, in jedem menschlichen Wesen vereinigt finden und dort wie Ahriman und Ormuzd in steter Fehde 2l6
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