4658 X- 2S6, 10. Oktober 1935. Fertige Bücher. Ein Stück Leben von Suse von Hoerner-Heintze Broschiert RM 5.20, Leinen NM 6.80 Was sagt die Presse? Wer dies Buch gelesen, wird den Namen derjenigen, die es schrieb, nicht mehr vergessen. Er wird auch nicht mehr aus dem Gedächtnis verlieren, was er hier von einem Stück Leben erfahren. Es ist kein Roman, dieses erste Buch einer heute etwa vierzigjährigen Frau, aber Hunderte von Romanen werden vor diesem Bericht zu literarischem Plunder. And die mühsam aus Draht konstruierte „Spannung" dieser Romane erweist sich als billigster, dummer Kitzel gegen die atembeklemmende, die nervenerregende Wirkung dieses Tatsachenberichts ... Ernst Jünger, Franz Schauwecker, Werner Beumelburg, I- M. Wehner und andere Frontsoldaten haben ihr Erlebnis in bedeutenden, dokumentarischen Büchern gestaltet. Der Krieg in der vordersten Linie, die Wirklichkeit und Wahrheit dieses mörderischen Materialkrieges, wie ihn diese tapferen Männer an sich selber erfahren — soweit das Anbeschreibliche beschrieben werden konnte, ist es in ihren Büchern geschehen. Nun aber kommt aus der zweiten Zone der Front das erste Buch, das in seinem menschlichen Gehalt, in seinem formale» Können, in seiner thematischen und dokumentarischen Bedeutung wert ist, in die zweite Reihe großer Zeugnisse einer der gewaltigsten Zeiten und Ereignisse der Nation zu treten. Junge deutsche Mädels melden sich zum Roten Kreuz; als Pflegerinnen, Lilfsschwestern, Schwestern machen sie im Hinterland, in den Lazaretten oder unmittelbar hinter der Front, in den Feldspitälem Kriegsdienst. Grauenhaft, was die Männer vom Kampf an der West front berichten. Grauenhafter, was diese ehemalige Kriegsschwester, die ebenfalls jahrelang im Dienst stand, von dem Finale des Kampfes berichtet. Ist das Buch nur Grauen, Schrecken, Leid und Tod? Ist es nur die Kölle an Marter, Qual, Gebrüll, Schmutz, zersägten Knochen, spritzendem Blut und stinkenden Eiterungen, Vergiftung, Verrecken und Verzweiflung? Ist es nur Verneinung, Pessimismus, Ausweglosigkeit? Nein, denn ein Mensch stand inmitten dieser Lölle, der das ursprüngliche, gesunde, nicht zu ertötende starke Leben vertrat, den alle guten Eigenschaften der deutschen Raffe, des Preußentums, aufrecht erhielten, ein so echt weiblicher Mensch, daß das fühlende Lerz, der gerade Charakter die Herrschaft behielten über alle Schwächen der Nerven. Die Frau, die dieses Buch auf Grund ihrer Kriegstagebücher und Briefe schrieb, ist eine seltene Erscheinung: eine ganz moderne Frau, eine grunddeutsche Frau, eine kultivierte Frau: gebunden werden diese Grundzüge ihres Wesens von einer Hellen, klaren Intelligenz. Eine Gestalt also, wie sie heute nicht eben häufig ist, der aber die Zukunft gehört. Daher ist das Buch lebendig wie beinahe das Erlebnis selbst. Der Leser kann sich nicht bequem verschanzen in seinen Stuhl, weit vom Schuß, vom Operationstisch, er kann sich nicht zurückhalten — er wird mit hinein gerissen in die Feuerzone am Isonzo, in die elenden Baracken in den Karpathen, in die fürchterlichen Dinge, die hier am Menschen geschehen, von allem Versagen, von aller Anzulänglichkeit fortgeriffen. Nichts Mensch liches und nichts Anmenschliches bleibt verschwiegen oder unerlebt. So viel Licht aus der Tapferkeit dieser Ärzte, Schwestern, Wärter leuchtet, so viel Schatten ist da aus dem menschlichen Gegensatz. Das Buch ist groß um H! seiner Wahrheit willen. Groß ist die Kraft, die diese Wirklichkeit gestaltete, mit all der schwankenden Stimmung, Verlag Hermann A. Wiechmann, München 19