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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.02.1937
- Strukturtyp
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- 1937-02-06
- Erscheinungsdatum
- 06.02.1937
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„In echter Dramatik" / Ein bescheidenes Wort zur Verlegerwerbung Von O, E. Ä. Becker Wir veröffentlichten in Nr. 217 <1S88> einen Aufsatz, der vornehmlich gegen die verantwortungslose Anwen dung von Superlativen in der Buchwerbung und Buch besprechung gerichtet war. Wir drucken nachstehend einen weiteren Aussatz zu diesem Thema ab und verbinden da mit die Hoffnung, dah die Kritiker-Anordnung auch auf diesem Gebiet bald zu erträglichen Formen der Werbung sührt. Die Schristleitung. I. »Als eine in glühender Herbstsonne gereifte Frucht- übergibt »Verfasser- nachfolgende »absoluter Lebenswahrheit- entwachsenen Ausführungen hiermit einem mehr oder weniger geneigten Pu blikum. »Mit großer Eindringlichkeit- will der »zutiefst erschüt terte« Autor von seinen Erlebnissen im Buchstabenwald deutscher Verlegeranzeigen und Waschzettel erzählen... 1921: »Dieser erste Band erweckt die ungeheuersten Hoff nungen- — die Hoffnungen sind inzwischen ungeheuerlicherweise zu allerältestem Altpapier geworden. 1927: »Man spürt die Begegnung mit einem Erzieher der Welt-: — dieser Welterzieher ist inzwischen offensichtlich infolge seiner segensreichen Tätigkeit dem Überanstrengungstode erlegen. 1938: » . . . wird es kundtun, daß die Reihe der großen Namen von Pindar bis Hölderlin um einen neuen Namen reicher geworden ist- — vielleicht stimmt das wirklich, aber der diesen ge walttätigen Satz schrieb, müßte ein Hellseher sein, um zu wissen, ob seine Behauptung hundert Jahre später noch zutrisst. Diese Blütenlese ist groß und schön, sie zieht sich durch Jahr zehnte, eine kostbare Perlenkette schöner Sprüche. »... mit nichts zu vergleichen, es ist selbst eins von den Literaturdenkmalen, zu dessen Füßen und zu dessen Preis man spätere Schöpfungen auf reiht-, »ein Meisterwerk«, »unübertrefflich-, »einer der aufregend sten und spannendsten Romane, die je geschrieben sind.- Alles Jahrgang 1927. Er strotzte vor Meisterwerken. Welch unüber treffliche Literaturepoche unvergänglicher Namen, deren Größe so ungeheuerlich gewesen sein muß, daß sie sich inzwischen den pro fanen Blicken unserer Zeit vornehm entzogen haben. Wiederum 1936: »Ein Werk der Weltliteratur-, von »der außerordentlichen Schönheit, die an die Monumentalität mittel alterlicher Holzschnitte erinnert- — gottlob »atmet- das Buch die zitierte Monumentalität nicht, »gemahnt- auch nicht an sie, son dern »erinnert- ganz schlicht und bescheiden. »Diese große Ge schichtsschau ist ein Geschenk an das deutsche Volk, wie es nur dis einzigartige seherische Macht...'s geben konnte-, »mit reifer Mei sterschaft-, »zutiefst ergreifend« gestaltet. Aber, so sagte sich einer, müde der großen Worte, auch die Bescheidenheit hat werbliche Wirkung und sang also: »Diese Erweckung des Gefühls der Naturverbundenheit, die uns allen so bitter nottut, macht das Buch geradezu wertvoll«. II. Wir wissen, es ist oft über dieses Thema gesprochen worden, aber das hindert nicht, es noch einmal zu tun, zumal die bis herigen Äußerungen so wirkungslos gewesen sind. Die Schwierig keiten, die sich vor dem in den Herbstmonaten mit Arbeit über lasteten gehetzten Werbemann oder Verleger oder Lektor empor türmen, sind groß. Bücher liegen in Stapeln da, im ermüdeten Geist sieht man die summenden Druckmaschinen, die unaufhörlich Bogen über Bogen ausspeien — lauter goldene Hoffnungen, denen man aus ihrem ätherischen Seelenzustand zu klingender Körper lichkeit verhelfen möchte — drohend lauert die Konkurrenz. So wird die Stimme unwillkürlich lauter, die Sprache verflacht sich zur Mechanik der Sprüchemacherei und man merkt es gar nicht. Denn es sei zugestanden: Wesen und Inhalt eines Buches in wenigen Zeilen knapp und klar zu umreißen, erfordert ange strengte, verdichtete Denkarbeit. Es erfordert die sehr schwere Kunst der »Verdichtung«, der Zusammendrängung der Gesamt handlung auf eine Formel, die das Wesentliche des Inhaltes mit einer nicht kritischen, sondern geistigen Rangordnung verbinden soll. Da fruchten allgemeine Phrasen gar nichts. Sie haben einen blechernen Klang bekommen, weil sie schon lange nur noch zu Hilfsworten mechanisierter Wortmaschinerie sich entwertet haben. Man stelle sich die alte Frage nach dem Zweck jeder Werbung. Die Ware soll sich aus dem Kreis gleichzeitig angebotener Kon kurrenz-Erzeugnisse vorteilhaft heraushebcn. Schreit da jeder, so gibt es ein unterschiedsloses betäubendes Stimmengewirr, in dem nur der Zufall richtungslos waltet. Die Zeitung einer kleinen Stadt Norddeutschlands warb bei den Geschäftsleuten für Weih nachtsanzeigen und zeigte ein Blatt der Vorjahreszeit, das mit Tannenzweiglein, brennenden Lichtlein und ähnlichen nachgerade anstößig wirkenden Stimmungsschlagern vollständig bedeckt wak: Der Buchhändler ging andere Wege. Er belegte einen bestimmten, keinesfalls großen Raum und ließ — ohne »Balken-Rand-, ohne jedes »Zierleistlein- oder Bildchen — in breitem freiem Raum nur in die Mitte einen kurzen Hinweis auf sein reiches Bücher lager setzen. Die Nummer kam heraus und die Anzeige sprang dem Leser entgegen. Inmitten allgemeiner Stimmungsmacherei eine Anzeige, die nicht durch Lärm schrie, sondern durch Würde sprach. Wir wissen es ja alle: die allgemeine Buchkritik hat an Wert verloren, weil sie an Würde verloren hat; die allgemeine Schrift stellerei hat an Ruf eingebüßt, weil sie an Maß eingebüßt hat; die allgemeine Verlegerei leidet an Wertschwund, weil sie an Produktionsüberstetgerung leidet. Früher war es einmal so, daß das Anzeigengeschäft weithin den Inhalt einer Zeitschrift beeinflussen konnte, heute hat das Werbegesetz stark eindämmend gewirkt, aber ganz sind die Schatten einstiger Hemmungslosigkeit noch nicht ge wichen. Wir müssen uns die bis zur Banalität bekannte Sachlage trotzdem noch einmal vorstellen: Weihnachten ist leider noch immer für Hunderttauscnde die einzige Gelegenheit, einmal ein Buch zu erstehen. Die Produktion konzentriert sich wahrhaft »unheimlich- (auch so eines dieser verdammten Schlagworte, die wie Opinm- säckchen einschläfernd kursieren) auf den Herbst. Fahnen flattern im Lande umher, die neu entstehenden Tausende von Büchern sollen alle noch ins Weihnachtsgeschäft kommen, sie sollen alle noch Kriti ken bekommen, sie sollen alle noch in die Kataloge kommen, sie müssen alle noch gelesen werden. »Müßten- — denn dis Besprecher können das alles gar nicht lesen, gar verdauen, sie müßten denn für Wochen vierundzwanzig Stunden täglich ununterbrochen lesen. Desgleichen die Werbemänner. Und so erhebt sich denn jenes hastige Geschrei: »Meisterwerk-, »zutiefst erschütternd-, »Welt literatur-, »gemahnt an Hamsun-, »atmet Heldenmut«. Und nur einer sagt, sozusagen aus Versehen, daß sein Buch »geradezu wert voll- sei... III. Versetzen wir uns einmal in die Seele der Familie Fritzsche in der Großstadt »Keinezeitzumlesen-. Herr Fritzsche ist ein viel beschäftigter Kaufmann, seine Frau hat einen großen Haushalt und viele Freundinnen, Herr Fritzsche jun. ist Oberprimaner, Fußballer, Frl. Fritzsche ist Obersekundanerin, Sportlerin, und das Küken zeigt technische Neigungen. Weihnachten kommt, der Buchhändler, der die Schulbücher liefert, eine Wirtschaftszeit schrift, eine Frauenzeitschrift, eine Sportzeitschrift und zu Ostern vielleicht ein Konfirmationsbuch — denn die Familie ist weit ver zweigt und Einsegnungen gibt es da immer —, schickt einen dicken Weihnachtskatalog. Da lesen sie nun: »Die Wesensgeschichte eines aus der Kindheit in die Reife Heranwachsenden jungen Mannes. Das Leitmotiv der Einsamkeit eines jeglichen inmitten aller sehnsüchtig bejahten Gemeinsamkeiten klingt aus und verdichtet sich zur: Wahrheit». Oder: »Der innere Reichtum, die Fülle der Gesichte, läßt noch vieles von dem jungen Dichter erhoffen, denn er hat mit dem Buch eine künstlerische Arbeit geleistet, deren Ausführung in jeder Hinsicht als glänzend bezeichnet werden muß-. 111
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