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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.12.1879
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1879-12-15
- Erscheinungsdatum
- 15.12.1879
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18791215
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
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zutage alles Anzeigen auf! Neben den politischen Zeitungen (den Tages- und Wochenblättern), Localanzeigern und Unterhaltungs blättern treten Kalender, wissenschaftliche Zeitschriften, periodische Literaturerscheinungen jeder Art, Lieferungswerke, Fahrpläne (Cursbücher), Reisebücher, Theaterzettel und Pferdebahnbillette, Festprogramme, Litfaßsäulen und Häuserwände nebst zahllosen Gegenständen eigentümlichster Art als Vermittlungswerkzeuge öffentlicher Anzeigen auf, nicht zu gedenken der vielen für einen speciellen Zweck geschaffenen Kataloge und Anzeiger, an denen namentlich der Buchhandel überreich ist. Wie schon gesagt, läßt sich die Summe, welche den Umsatz an Anzeigengeldern reprä- sentirt, nicht wohl berechnen. Angenommen aber, daß etwa 5000 Tagesblätter in Deutschland erscheinen (ich rechne hierbei die täglich zwei und dreimal ansgegebenen gegen die weniger als siebenmal wöchentlich erscheinenden in Bausch und Bogen auf), welche nur je l)/z Seiten mit Anzeigen füllen, so ergeben sich täglich 7500 Zeitungsseiten mit Inseraten. Rechnet man auf jede Seite mittelgroßen Formats zu je vier Spalten nur 400 bezahlte Zeilen und diese nur zu je 15 Pfennig, so ergibt das einen täglichen Umsatz von 450,000 oder von jährlich 164^ Millionen Mark. Diese Summe wird durch den Ertrag von ca. 1000 Wochen schriften, die zum größten Theile Anzeigen aufnehmen, um ein Bedeutendes vermehrt. Flüchtig beziffere ich den sich hier ergeben den Betrag gleichfalls auf über 100 Millionen Mark; über das Einkommen aus andern Jnseratenquellen läßt sich noch weniger Zuverlässiges sagen, indessen ist sicher, daß die Gesammtsumme des jährlichen Anzeigenverkehrs nicht hinter 300 Millionen Mark zurückbleibt, eher dieselben um ein Namhaftes übersteigt. Das sind allerdings sehr nennbare Geldwerthe, über welche leider keinerlei Statistik eine einigermaßen zuverlässige Auskunft gibt. Woher nun diese gewaltigen Summen fließen, lehrt Jeden der Einblick in irgend ein viel gelesenes Blatt. Der größte Theil resultirt allerdings zweifelsohne aus dem wirklichen Bedürfniß der Bekanntmachung, aus Anzeigen über Verkäufe, Vermiethungen, Dienstangebote und -Gesuche und was damit zusammenhängt. Aber Hunderttausende von Mark bilden den Ertrag ans allerhand schmutzigen Speculationen auf die Dummheit und Gemeinheit des Menschen. Jnsolge einer unverzeihlichen Mißwirtschaft ist all und jedem feilen Laster, jeder rohen Schwindelei in mehr oder minder verblümter Weise gestattet, sich vor der Oeffentlichkeit breit zu machen und seine Opfer zu suchen. Gut rubricirte Anzeigeblätter besitzen gewisse Ecken, an welchen der Blick des Lesers nur mit Ekel Vorbeigehen kann. Hier drängt sich die ganze unsaubere Sippe der modernen Gesellschaft zusammen: die Specialärzte*), die Gummijuden, die Kuppler und öffentlichen Dirnen, die Wucherer und Händler mit pikanter Literatur — der ganze gemeine Schwarm der Verschworenen gegen Recht und gute Sitte. Und dergleichen Rendez-vous vollziehen sich in der Gesellschaft und vor den Augen anständiger Leute; sonderbar — die vollbrachte That ahndet das Strafgesetzbuch, die Aufforderung zu allen möglichen strafwürdigen Vergehungen geschieht vor der ganzen Oeffentlichkeit unbehelligt. Wer von Europens übertünchter Höflichkeit abstrahirt, sollte meinen, daß sich die anständige Ge sellschaft dieser Schmarotzer erwehren könnte; dem ist aber nicht so. Alle Gegensätze in den Anzeigespalten der Zeitungen löst scheinbar harmonisch ein gewichtiger Factor: der brutale Eigen nutz des Zeitungsbesitzers. Unbekümmert um die wohlgesetzten *) In dem an Anzeigen nicht reichhaltigen Blatte vom 5. October der Köln. Zeitung, welches mir gerade vorliegt, sind allein zehn (sage zehn) Anzeigen von Aerzten gegen Syphilis und dergl. enthalten, nicht zu gedenken der Privatentbindungsinstitute, der Gummiwaarenhändler uns ivnstiger Patrone. l langen Perioden, in welchen eine achtungswürdige Mitarbeiter schaft die sittliche Menschenerziehung, die Ehrlichkeit, den inneren Frieden und alles mögliche Gute und Schöne Preist, sammelt — um mich eines Fritz Reuter'schen Ausdrucks zu bedienen — der Besitzer des Blattes auch aus dem Koth seine Louisd'ore, und auch er beweist sein Recht dazu in gleicher Weise wie David leben seinem würdigen Vater Moses Löwenthal mit den Worten: „Vatterleben, sie stinken nicht". Gegen diese Vergewaltigung der guten Sitte gibt es natürlich kein Mittel; die anständige Gesellschaft besitzt keines, auch die Leiter der betreffenden Blätter nicht, eingestandenermaßen nicht einmal die Verleger. Von den Redactionen, an welche als die sichtbaren Personen sich das Publicum mit seinen Klagen wendet, erhält der sich Beschwerende die Antwort: wir haben nichts mit solchen Sachen zu thun und waschen unsere Hände in Unschuld. Man lese nur die Aeuße- rungen im Briefkasten des Kladderadatsch und andere. Aehnliche Bemerkungen hat meines Wissens der Herausgeber eines sehr weit verbreiteten illustrirten Journals von sich gegeben, dessen Namen ich nach dem Spruche „Os mortuis rc." nicht nennen mag, der aber mit Tiraden über Menschenwürde und ähnliche Herrlich keiten von jeher den Mund recht voll genommen hat. „Die Redaction steht in absolut keiner Beziehung zu derlei Angelegen heiten", muß sich das Publicum sagen lassen; auf seine Frage, „aber wer denn" oder „kommen denn solche Klagen dem Ver leger des Blattes nie zu Ohren", erhält es keine Antwort. Und doch gäbe es vielleicht ein recht einfaches, wenn auch nicht so ganz billiges, jedenfalls aber durchgreifendes Mittel, die sämmt- lichen Syphilismeyer, Gummihirsche, die Geheimmittelkrämer und ihre schmutzigen Genossen mit einem Schlage zu verjagen. Wo Pachtverträge existiren, nehme man darin den Paragraphen auf: „Inserate unsauberer oder auch zweifelhafter Natur sind ein für allemal ausgeschlossen. Zuwiderhandlungen werden in jedem einzelnen Falle mit 100 Mark Strafe geahndet". Wo der An zeigenannehmer einen Pachtvertrag nicht haben sollte, kann er, falls sein eigener Tact nicht soweit reicht, unsittliche Motive in eingehenden Inseraten zu erkennen, immerhin andere Leute, z. B. etwa seine eigene Gattin fragen und deren Verbot als maßgebend zu seiner Richtschnur machen. Ich glaube wohl, daß das wirkte, um unsere und zwar gerade unsere am schwersten getroffene deutsche Presse zu reinigen. „Doch, aus Gemeinem ist der Mensch gemacht, und die Gewohnheit nennt er seine Amme." Alle Ansätze zum Bessern haben diesem Spruche gemäß auch nichts gefruchtet. Anno 1874 tagte in Nordhausen i. Th. der Verein von Zeitungsbesitzern aus den thüringischen Landen. Dort wurde auch über den Antrag, Anzeigen unsauberer Tendenz zurückzuweisen, ein Beschluß gefaßt. Sittlich gehoben verließen die „versammelten" Herren ihre Conferenz und sündigten wieder, wie zuvor. Es gibt also, da der persönliche Anstand der maß gebenden Leute kein Verhalten dictirt, kein anderes Mittel gegen die immer schamloser austretende Unsitte als ein staatliches Ver bot. Immer und immer wieder zeigt sich, daß der letzte Appell und zwar der einzig wirksame Appell nicht derjenige an den guten Anstand der sog. Gesellschaft, sondern an das Machtwort der Regierung, in speciellen Fällen der Polizei ist. Traurig, aber wahr. Für die ganze Mißwirtschaft in dem Anzeigentheil unserer Tagesblätter bringt Hr. Schmölder in seiner vorerwähnten Schrift specielle Belege bei. Sie illustriren zur Genüge die Frech heit im Auftreten der bezeichneten Kumpane.*) Angesichts so *) Eine der mitgetheilten unverschämtesten Leistungen ist das Inserat einer Frau „Director" Schwarz über ein in London befinoliches Oküos kor nmrriags — ebenfalls in der Kölnischen Zeitung! —. Diese —
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