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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 12.11.1936
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1936-11-12
- Erscheinungsdatum
- 12.11.1936
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- Deutsch
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Nummer 284, 12. November 1936 Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Suchen nach dem Volksgrund.« Bismarcks Werk, »ein Kompromiß zwischen preußischem Soldatentum und Bürgertum, mußte zerfallen, als die außenpolitischen (militärischen) Erfolge fortfielen. Wie wäh rend des Zweiten Reiches die Frau mit zunehmender Verstädterung von ihrer sozialen Stellung als Mitverwalterin des Vermögens zur bloßen Dienerin des Mannes herabsinkt (Ibsen, Nora), so verliert gleichzeitig das Leben des Industriearbeiters mit fortschreitender Mechanisierung der Arbeit seinen Sinn.« — »Der Krieg spielte in den Vorträgen von Günther eine Hauptrolle. Wir Teilnehmer der Freizeit haben den Krieg nur in schwacher Kindheitserinnerung und doch haben wir es auch schon manchmal empfunden, daß der Krieg die Umwertung aller Werte brachte, den Willen zum Reich, Erkenntnis von Nasse und Volk und die Ausrichtung jedes einzelnen auf das Politische überhaupt. Günther hat es uns aus eigenem Er lebnis heraus erklärt.« »Der Weltkrieg läßt wieder erkennen, wie stark das Schicksal des Einzelnen an das der Nation gebunden ist. Die erste Flut der Kriegsliteratur nach Friedensschluß fragte nach der Schuld am Kriege, dem Sinn des Krieges und des Lebens über haupt.« Spenglers Antwort (Untergang des Abendlandes) wurde sehr beachtet. »Eine der bedeutsamsten Antworten gab Jünger mit »Stahlgewittern' und .Arbeiter', die den Krieg als positives Erleb nis werten. Ten Abschluß bildete eine Betrachtung über Emzel- mensch, Masse, Nation. Als ein Merkmal erkannten wir: Wer sich dem Buche stellt, kann nicht mehr Masse sein!«, »Die Forderung Günthers, ,Masse' nicht als ,die Andern' anzusehen, sondern als den Zustand, in den es für uns selbst nicht zu verfallen gilt, war sein letzter Appell an unseren Arbeitskreis«. »Von besonderem Wert blieb natürlich die totale Anwesenheit Günthers unter uns (größter Vorteil einer Freizeit!). Er erschien also nicht nur, um seine Schuldigkeit in zwei bis drei Stunden zu tun, sondern lebte mit uns Stunde für Stunde und war in der Lage, die Wirkung seines Vortrages abzufangen, das Thema auf die all mählich mehr und mehr bekannte Hörerschaft abzustimmen, klärend in die Aussprache einzugreisen. In gleicher Weise wirkte natürlich unser Hans Köster, der obendrein noch als Leiter die Aufgabe hatte, das ganze Völkchen über alle Klippen hinweg harmonisch zusammen zuhalten.« »Bei der Hauptaufgabe der Freizeit, den Anteil des Buches an der politischen Bildung und Gestaltung des 19. Jahrhunderts fest- zustellen, machte sich bei den Teilnehmern das Bedürfnis geltend, auch die Fragen zu behandeln, die sich über den eigentlichen Fragen komplex des Hauptthemas hinaus in bezug auf unser heutiges Ge schehen ergaben.« »In den Nachmittagsstunden behandelten wir in Arbeitsgemeinschaften die Themen: Wie komme ich zum Urteil über ein Buch? Gesprochenes und Geschriebenes Wort, Buchhändlerisches Brachland. In den Arbeitsgemeinschaften, die unter Leitung von Hans Köster standen, werden in ganz freizeitgemäßer Arbeitsweise Fragestellung und Antwort allein aus dem Kreise heraus gefunden.« »Der Leiter muß den Weg des Gespräches von Anfang an übersehen und muß dafür sorgen, daß nicht zu viel vom Thema abgewichen wird und daß das Ganze einem einheitlichen Ziele zustrebt.« Für die Urteilsgewinnung fanden wir einige Richtpunkte, die beim Lesen zu beachten sind und auch bei jeder Kennzeichnung von Büchern mit erwähnt werden sollten: I. Das Inhaltliche: Zeit, Raum, Träger der Handlung, die Fabel. II. Das Formale: Aufbau, Rhythmus, Ord nung, Stil. III. Die Haltung: Wahrheit,Natürlichkeit,Verantwortlichkeit. — In der zweiten Arbeitsgemeinschaft sprachen wir darüber, daß »in der letzten Zeit neben das Buch als Verbreiter politischer Meinungen und Anschauungen in steigendem Maße die Presse, der Rundfunk und der Film treten. Doch diese sind nur für eine schlagartig wirk same Propaganda von kürzerer Dauer geeignet, während das Buch die Probleme erschöpfend und in die Tiefe eindringend entwickelt und den Leser zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung zwingt (Hitler, Mein Kampf). Deshalb hat das Buch heute eine große Be deutung für die politische Bildung.« — »Interessant war auch die dritte Arbeitsgemeinschaft. In lebendiger Aussprache behandelten wir vor allem die Frage der Erfassung aller Schichten und Stände für das Buch. Wir lauschten den Berichten der Kameraden, die aus den verschiedensten Gegenden kamen, und denen wir entnahmen, wie ver schiedenartig die Arbeitsmethoden je nach Gegend und Zusammen setzung der Kundschaft sein müssen.« »Und nun waren es in Sarkau noch drei Dinge, die zwar von Hans Köster genau berechnet, aber doch nicht so vollkommen erwartet worden waren: zwei Dichter und die Rossittener Segelbootfahrt! — Graf Fi ncken stein las uns eine Erzählung, die im Anschluß an seine Männer am Brunnen' (Deutsche Reihe) zu denken ist, dann einige Gedichte und abschließend ,Die Steinklopfer', eine kurze, packende, erschütternde Geschichte. Am Spätnachmittag des Freitags (ein Teil von uns sagte schon im stillen sein Verslein für den Ab schiedsabend her) las der ostpreußische Erzähler Hansgeor>g Buchho ltz eine seiner Novellen. Sicher und schön lesend riß Buch- holtz mit seiner herrlichen Erzählung ,Anuschka' uns alle, die wir schon ein wenig den Abschied spürten, durch ein dichterisches Erlebnis wieder zusammen. Beide, Finckenstein und Buchholtz, schenkten uns ein paar unvergeßliche Stunden.« »Das größte Ereignis war die Segelfahrt in einem Keitel-Kahn des Haffs, die auf etwa fünf Stunden berechnet war, aber zu einer Fahrt von fünfzehn Stunden wurde. Uns Landratten spielte falscher Wind' und »Flaute' einen Streich, der uns allerdings eine Nacht auf dem primitiven Boot bescherte, wie sie eben nur Glücksumstände in eine solche Gemeinschaft wie uns dreißig Passagiere Hineinzaubern kann. Was bei dieser Segelfahrt gelacht, gesungen und gescherzt worden ist, was in jener Nacht ersonnen und geträumt wurde, das legt durch seine Fülle der Erzählung an dieser Stelle Schranken vor. Dieser Tag, diese Nacht auf dem Wasser! Immer wird in uns eine Sehnsucht danach hängen bleiben.« »Natürlich kam auch Besuch zu uns. Nicht die Eltern, sondern offizieller Besuch: Erstmal Edgar Diehl von der Reichsschrift tumsstelle, der uns den Aufbau der Reichskulturkammer klipp und klar machte. Dann Herr Mertens vom Gauschulungsamt in Kö nigsberg, der sich so wohl unter uns fühlte, daß er länger als vor gesehen blieb und zu uns in längerer, freier, markanter Rede über Ostpreußen, Landschaft, Menschen, Volk, Politik, Sinn und Kultur und die Sonderstellung des Grenzlandes sprach.« »Wir waren hier in diesem deutschen »Land auf Vorposten' im Osten zusammen gekommen und haben alle etwas von dem stillen Kampf, der hier geführt werden muß, gespürt. Wir haben es aber auch lieben gelernt, mit seinen Wäldern und weiten Feldern und dem Meere.« »Auch der ostpreußische Gauobmann des Buchhandels beehrte uns mit einem kurzen Besuch. Von der Firma Gräfe und Unzer besuchten uns am Freitag Herr Konsul Koch, der Verlagsprokurist Dikreiter und unser ostpreußischer Gaufachschaftsberater Nasilowski, dem für das Zu standekommen der Freizeit zu danken ist. Alle Gäste wurden mit dem alten, Diederichsschen und jungbuchhändlerischen Gruß »Gut Runnst!' empfangen und verabschiedet.« »Ein Mann soll nicht totgeschwiegen werden: Gräfchen, unser Musikus, der ohne Instrument (nicht einmal Stimmgabel!) unser Völkchen mit einem richtigen Kanon, mit Liedern, vor allem aber mit dem nötigen Rhythmus bekannt machte. Eine besondere, begabte Kraft, sagen wir ruhig ein Singmeister, sollte immer unter Frei zeitlern sein. Nun, am Ende waren mir zwar keine Opernsänger, wollten es auch nicht sein, aber das gemeinschaftsbildende Erlebnis des Gesanges durchdrang uns ebenso stark als die anfängliche Schüch ternheit, aus uns herauszugehen, bald völlig verschwunden war.« »Davon legte auch der Abschiedsabend Zeugnis ab. Im Hinblick auf die kurzen Stunden der Vorbereitung bot unsere Stegreistruppe von der Bühne aus mit Ansprache, Gedicht, Lied, Spiel, Tanz und Scherz eine geschlossene Leistung. Der Dank wurde nicht nur an Hans Köster und A. E. Günther abgestattet, sondern galt im Grund allen und damit dem glücklichen Umstand, Arbeit und Spiel, gemeinsames Leben in kurzer Zeit so erfolgreich und mit Gewinn durchgeführt, vollendet zu sehen.« »Zusammenfassend kann ich sagen, daß die Freizeit mir wieder aufs Neue hat inne werden lassen, daß wir nicht irgendeine Ware verkaufen, sondern das Buch, und daß wir somit am kulturellen Aufbau und der Erziehung unseres Volkes Mitarbeiten. Und alle, die da waren, haben gezeigt, daß es ihnen wirklich ernst damit ist. Und so wird wohl jeder den Eindruck mitgenommen haben, daß er nicht allein steht, sondern daß er ein Glied der Gemeinschaft der Buchhändler ist.« »Mancher schloß noch eine Ostpreußenfahrt an die Woche an, andere zog es nach Danzig, der »freien' Stadt. Das letzte Erlebnis war dann die Marienburg. Diese deutsche Burg im Osten bedeutet auch uns Verpflichtung und der Gedanke daran erweckt in uns wieder das Abschiedswort Albrecht Erich Günthers: Wir nehmen Abschied von einer freundschaftlichen Gegenwart, sie ist das Vergehende. Was bleibt ist die Kameradschaft, diese ist nicht an die Person gebunden, sondern sie gilt der Sache, der die Person dient. Unsere Sache ist Deutschland!« Hans Köster. 994
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