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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.05.1936
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- 1936-05-05
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- 05.05.1936
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Nummer 103, 8. Mat 1936 geht, die ihm die Feinde stellen; der von seinen Helfern — bis auf einen ganz kleinen Kreis — verlassen wird und einsam stirbt — stirbt an dem Zusammenbruche seines Vertrauens auf diese Welt und auf die eigene Kraft. Aber was wollen alle dis elenden Gesellen bedeuten, mit denen er sich herumschlagen muß, gegenüber dem Ideal, dem er nachjagt und gegenüber den ge schichtlichen Mächten, mit denen er den Kampf ausgenommen hat! Goethes Götz verficht das alte Rittertum, das in ihm viel leicht seinen spätesten idealen Vertreter hat. Ist er doch in viel höherem Sinne wie Kaiser Max »der letzte Ritter», der letzte Vor kämpfer für die Rechte des Standes, mit dessen Pflichten er es heilig ernst nimmt, in dessen Diensten er cs sich sauer werden läßt. Rittertum ist für ihn die reinste Verbindung von Freiheit und Zügelung; beides der Ausfluß eines hochgezüchteten Men schentums, in dem wir Heutigen wieder eine der reinsten Aus prägungen unserer nationalen Art sehen. Denn hier steht nicht die hohe Lebensform und der verfeinerte Lebensgenuß, hier steht nicht das Ringen um Ruhm oder Besitz im Vordergründe — das alles gehört viel mehr in die Kreise des bischöflichen Hofes und seiner Gäste; hier geht es um den natürlichen Adel des heldi schen Menschen, der sich in hoher Natürlichkeit und »Biederkeit», in einem sehr zarten Gewissen und einem sehr starken unerschüt terlichen Herzen ausprägt: vor allem in einer steten Bereitschaft zum Einsatz des Letzten für jene menschlichen Werte, die gerade nur dieser Stand festzuhalten und zu bewahren scheint. lind um diese Werte, um diese Lebensform mit ihrer vor bildlichen Bedeutung für deutsches Menschentum geht es recht eigentlich in unserm Drama. Goethe fühlte sie bedroht oder ver deckt durch die Zeit, die hinter ihm und seinen Jugendgenossen lag; durch eben dieselbe Zeit, die für Götz die »Zukunft», die dunkle Zeit des untergehenden Rittertums und der neu aufkom menden europäischen Gesellschaft bedeutet! Goethe wußte sich glücklicher als der alte Kämpe, weil er im »Sturm und Drang» das Morgenrot einer neuen, einer deutschen Zukunft aufleuchten sah, wo jener von einem trüben Abendlicht geängstigt wurde; um so besser konnte er den alten »Vorkämpfer» verstehen und würdigen, wie er das Schwindende festzuhalten suchte auf Kosten seiner ganzen Existenz, ja seines Glaubens. So erschien ihm das Ringen des Ritters als wahrhaft tragisch, als innerlich not wendig und im tiefsten Grunde, im ideellen und dauernden Sinne berechtigt, verständlich und rühmlich; und dennoch als von Grund auf verfehlt und zum Untergänge verurteilt, weil Götz jene hohen, an sich ewigen Werte in einer überwundenen Gestalt, eben in der des Rittertums festhalten will zu einer Zeit, die gebieterisch nach neuen Formen hindrängt. Im Grunde hat der Kaiser mit seiner Forderung des »Landfriedens« ebenso recht wie Götz mit seinem Preisen des alten Rittertums. Götzens Standesgenossen haben aber die alten Formen so wenig in ihrer Würde und Schönheit behaupten können wie die neue Zeit ihre eigenen Ideale wirklich darlebt und zum Siege oder zur inneren Vollendung führt. Bruch aus beiden Seiten! Aber in der neuen Zeit läßt sich die alte nicht wicderherstellen. »Was gewesen ist, das kehrt nicht wieder!» Hier mutz gewartet werden, bis im Laufe der Geschichte die groze Läuterung aus deutschem Geist eintritt. Aber Götz von Berlichingen ist nicht der Mann, der das mähliche Werden des geschichtlichen »Prozesses» swie Goethe ihn ansieht) geduldig abwarten könnte. Er greift in die Speichen des mächtigen Rades ein und wird von ihm erfaßt und zerschmettert. Das eben ist seine »tragische Schuld»: die Schuld, die nur ein großer, von seiner Idee ganz erfüllter Mensch aus sich laden kann; Dr. Arthur Luther vr. Arthur Luther, Bibliothekar anberDeutschenBücherei in Leipzig, feierte am Sonntag seinen sechzigsten Geburtstag, ge ehrt von seinen zahlreichen Kollegen, Freunden und Schülern. Er wurde am 8. Mai 187S in Orel in Mittelrußland als Sohn deut scher Eltern geboren, deren Vorfahren auf Hans Luther, den Nord hausener Bürgermeister zu Martin Luthers Zeiten, zurückgehen, studierte germanische und slawische Philologie in Moskau, Berlin und Heidelberg und wirkte von 1SW an als Professor für germanische Philologie an der Krauenhochschule in Moskau und von IglO an auch im Grunde die »Schuld» eines jeden, der irgendeiner Lebensform in seinem eigenen Dasein und in einem bestimmten Zeitalter oder in einer Umgebung, die ihr ohne Verständnis gegenübersteht, zum Siege verhelfen will. Bei Goethes Tasso-Gestalt haben wir den Eindruck, als wollte der Dichter sagen: »Wenn schon Dichter, dann sollte man es so sein, aber freilich würde damit das Leben zerbrechen, denn die Welt, wie wir sie kennen, verträgt der gleichen nicht.« In dem gleichen tragischen Sinne vertritt Götz die Idee des Rittertums, in einer schon ganz veränderten Zeit: leben doch in dieser Idee menschliche Hochwerte, die über den Stand und über einen geschichtlichen Zeitabschnitt Hinausweisen, vor allem das Wunschbild des freien, jeden Augenblick sür sich und für seine Sache einstehenden, immer einsatzbereiten Menschen. Aber diese tiefsten Werte seines Lebens kommen erst so recht zum Vorschein, als dieses Leben verflackert. Es ist, als ob sie Götz der Nachwelt als Erbe hinterließe; als ob sie sich, über alles ge schichtlich und räumlich Gegebene hinweg in den freien Äther des deutschen Lebensraumes erhöben und einer besseren Zukunft entgegenflögen, die ihnen auf anderen Gebieten, mit anderen Waffen wieder zum Siege helfen soll. So etwa ist sein letzter Ruf zu verstehen: »Himmlische Luft — Freiheit! Freiheit!» und so die Schlußworte des Dramas: »Edler Mann! Wehe dem Jahr hundert, das dich von sich stieß! Wehe der Nachkommenschaft, die dich verkennt.» Damit aber ist auch die Bedeutung des Dramas sür unsre Tage bereits bezeichnet. Die Zeitgenossen waren befangen in den nächsten Wirkungen, die von der Lebensdarstellung und von dem Kunstwerk ausgingen. Sie hörten, soweit sie überhaupt mit Ver ständnis an das Werk herantraten — und das tat vor allem die Jugend — ähnlich wie bei Schillers Erstling, vor allem das »In tznanuos« heraus, den Kampfruf gegen alles, was ihren freien Lebensatem einschnürte und die Verachtung gegen alle Gewalt, die ein hohes Dasein zum Ersticken brachte. Sie konnte sich weder über sich selbst und ihren Kampf gegen die eigene Zeit erheben, noch die tief tragischen Töne der Dichtung vernehmen. Es kamen dann Zeiten, wo das »Ritterdrama» rein stofflich wirkte und eine Unzahl von Nachahmungen auf den Plan rief. Ein schwaches Geschlecht schwärmte spielerisch genug für altdeutsche Treuherzigkeit und für den Glanz, den bunten Flitter des »ritter lichen Zeitalters» oder berauschte sich an einer verträumten »Deutschtümelei», die dem bürgerlichen Ehrgeiz schmeichelte und zu nichts verpflichtete. Spätere Zeiten haben sich vor allem um das wissenschaftliche Verständnis des Werkes bemüht, ohne seinen heißen Lebensatem zu spüren, oder haben sich bemüht, aus der Urfassung und aus Goethes späteren Bearbeitungen des Dramas für die deutsche Bühne zu retten, was an «Theater» darin ent halten war. Nun aber — wir wollen es hoffen — schlagen Darsteller und Zuschauer, die deutsche Volksgemeinschaft im Theater und ihre Jugend im Kampf des Lebens ihre Hände zusammen und nehmen von diesem einzigen Werke die große Verpflichtung mit, ein deutsches Menschentum der Kraft und der Milde, der Weis heit und der Unbedenklichkeit, des hohen Selbstbewußtseins und der unbedingten Einsatzbereitschaft unter andern, nicht weniger schwierigen, aber würdigeren Lebcnsverhältnissen zur Geltung zu bringen. Ist das der Fall, so greifen Kunst und Leben, Bühne und Welt unmittelbar und vorbildlich ineinander — und viel leicht wird damit erfüllt, was dem Dichter des »Götz» in seinen jungen Tagen im Tiefsten seines Herzens vorschweben mochte. Hamburg. Robert Petsch. zum 60. Geburtstag als Lektor fiir deutsche Sprache an der dortigen Universität. Der Kriegsausbruch überraschte ihn und seine Familie auf einer Ferien reise in Deutschland und die russische Revolution nahm ihm Heim und Besitz. Aber es gelang seinem Fleiß und der Gewandtheit seiner Feder, die schweren Jahre glücklich zu überwinden und im letzten Kriegsjahr in Leipzig festen Fuß zu fassen, wo er seitdem als ältester Bibliothekar an der Deutschen Bücherei und kenntnisreicher Leiter des S a chka t a l o g es, Lessen Personal ihn durch Überreichung einer nur in einem Exemplar erschienenen, die Begebenheiten dieser 411
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