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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 23.06.1936
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- 1936-06-23
- Erscheinungsdatum
- 23.06.1936
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Nummer 143, 28. Juni 1»36 Leben und von ihren Erlebnissen zu singen und zu sagen, dann war die künstlerische Form so häufig mangelhaft, stand das künstlerische Können noch weit hinter dem Wollen zurück. Künstler kommt her von Können! Gewiß! Da hätten nun die Lektoren und Verleger zu den, jungen Begeisterten sagen sollen: »Du mußt noch reifen, mußt Dich noch vollenden! In dieser Form kannst Du nicht zu Deinen Volksgenossen sprechen!- Solche Worte mußten den jungen Dichtern gesagt werden, und es hat viele Einsichtige gegeben, die sie aussprachen. Ich denke heute noch mit Dankbarkeit an einen Brief, den mir !m Juni 1934 der damalige Abteilungsleiter S. der Gebietsführung Westfalen der Hitler-Jugend schrieb, und in dem es heißt: »Denke daran, wie Conrad Ferdinand Meher mit der Form seiner Dichtung gerungen hat. Nimm das Gedicht.Der römische Brunnen' in seiner ursprünglichen Form nnd in seiner endgültigen. Da kann man von Vollendung sprechen. Wenn ein Großer so um sein Werk ringt, wieviel mehr muß es da derjenige tun, der erst seinen Weg beginnt!» Auf solche Worte hört der ehr liche junge Dichter, auch wenn sie einmal sein Selbstgefühl treffen. Wenn aber in jener Zeit sich neben Konjunkturschriftstellcrn auch Konjunkturverleger auftatcn, dann ist es kein Wunder, daß die jungen Dichter ihre Werke denen auslieferten, die in hohen Lob worten davon sprachen und goldene Berge versprachen. Man glaube doch nicht, daß ein junger Dichter, der aus der Begeisterung seines Herzens heraus geschrieben hat und den es drängt, vor seine Volksgenossen zu treten, daß dieser junge Mensch immer so viel Selbstkritik besitzen kann, seine eigenen Werks-als mangelhaft zu verurteilen! Das Gefühl, aus dem seine Dichtungen kommen, ver schönt in seinen eigenen Augen den Klang, läßt ihn oft blind werden gegen die Form. Und da ist der Zauber des Gedrucktwerdens, das stolze Gefühl, seinen Namen schwarz auf weiß über dem Werk zu lesen, den Freunden davon mitzuteilen, da ist die große, tiefe Freude des ersten Erfolges, in derem Rausch die Selbstkritik so häufig erstickt. In dem oben zitierten Artikel vor über einem Jahr schrieb ich ferner: »Es soll aber leider auch Verleger geben, die im Kreise ihrer Bekannten dadurch Heiterkeit erregen, daß sie jeden Entgegenkommenden anhalten und auffordern, in allerschnellster Zeit für sie ein Jugendbuch zu schreiben«. Diese Bereitwilligkeit mancher Verleger, Manuskripte junger Dichter anzunehmen, wird heute den Dichtern häusig zum Verhängnis. Heute sehen sie sich heftig angegriffen wegen eines Werkes, das ihnen damals aus den Händen gerissen wurde, und manchmal sagen sie sich schmerzlich: Hätte ich doch damals das im Kasten liegen lassen! ... Es gibt eine Künstleranekdote, die etwa folgendes erzählt: Ein berühmter Arzt, der sich malen ließ, war entsetzt über die Höhe des von dem Künstler geforderten Preises. Der Maler aber entgegnete ihm ruhig: »Wenn Sie mal etwas »erpsuschen, dann vergräbt man es in die Erde. Was ich aber verderbe, hängt für immer an der Wand und jeder kann's sehen!« ... Nun, unsere jungen Dichter haben für ihre Werke wahrlich keine Schätze erhalten, wohl aber liegt nun für immer schwarz auf weiß das Dokument ihrer damaligen künstle rischen Unreife vor ihnen. Man werfe nun nicht auf jeden Ver leger Steine und beschuldige jeden Lektor der Konjunktur- ausnützung! Gott sei Dank kann man die Fälle der wirklich verant wortungslosen Verleger an den Fingern herzählen. Man muß ferner bedenken, daß sich damals Lektoren und Beurteiler vielfach in derselben Hochstimmung wie die Künstler befanden,^daß ihr Ge fühl mit dem des Dichters gleichging. Mit diesen Aussührungen soll beileibe nicht gesagt werden, man müsse nun großzügig über die künstlerisch unreifen Werke junger nationalsozialistischer Dichter hinwegsehen. Sie sollen auch öffentlich abgelehnt werden, und diejenigen jungen Dichter, die sich wirklich zu höherem Können entwickelten, werden es selber mit Er leichterung sehen, wenn ihre künstlerisch schwachen Erstlingswerke vom Markt verschwinden. Man kann aber über ein Werk den Stab brechen und zugleich dem Autor doch gerecht werden. Man kann darauf Hinweisen, daß es seine ersten Erzeugnisse waren, die man beanstandet, daß er inzwischen auf gutem Wege ist, und man braucht ihn vor allem nicht mit dem Makel der Konjunkturhascherei zu be schmutzen. Der Herr Reichsminister für Volksaufklärung und Propa ganda hat schon vor längerer Zeit in sehr deutlicher und beachtens werter Weise aus die Aufgaben einer gesunden Kritik hingcwiescn. Aufbauend und fördernd soll eine Kritik sein und soll vor allem nie vergessen, wie leicht man einem jungen, ausstrebenden Künstler den Weg in die Zukunft durch ungerechtfertigt harte Kritiken ver sperren kann! Der Feind im Buch und im Film Von Lauptmann (E) Zielcke, Vorstand der Wehrkreisbücherei I Leben, das heißt, sich entscheiden, unausgesetzt wählen, vor ziehen und verwerfen, ausnehmen und ausscheidcn. Das Ziel ist Selbstverwirklichung, das Gesetz lautet: »Dies aber über alles: sei dir selber treu.« Ausgabe des Bibliothekars ist es, diese Grundfunktion mit dem vollen Bewußtsein der Schwierigkeit wie der Notwendigkeit alles Wertens dem Buche gegenüber auszuüben und fern allen nur persönlichen Kriterien Wahlprinzipien auszubilden, ent schieden genug, einem zielsicheren Wollen zu dienen, aber auch hinreichend allgemein und zukunftsfreundlich, um dem unvor hersehbaren Einzelfall gerecht werden zu können. Diese Bildung und Charakter fordernde Aufgabe teilt der Bibliothekar mit all denen, deren Platz im geistigen Reiche zwischen den Gebenden und den Empfangenden ist und die gleichsam als Schleusen wärter das Einfließen von Anschauungen, Verhaltungsweisen, Denk- und Gefühlsnormen in die Öffentlichkeit überwachen. Der Mann der Presse, der Verleger, der Buchhändler, alle diese dienend Herrschenden empfinden das allgemeine Menschenlos, sich immerzu entscheiden zu müssen, da von übcrpersönlicher Verant wortung beladen, doch stärker als andere. Wer sich nicht eine gewisse Wachheit und Empfindlichkeit für die Problematik des Buches an sich, der mechanisierten Verviel fältigung des damit doch nur im äußerlichen Sinne allgemein zu gänglich gemachten Geistesprodukts, bewahrt hat, wird auch den in einer näher zu umschreibenden Kategorie von Druckwerken sich deutlicher verratenden »Feind im Buche» nicht in seiner ganzen Gefährlichkeit erkennen können. Es gibt in der Geschichte der Neu zeit keine an vieldeutigen Folgen reichere Erfindung als die Gutenbergs. Diente sie, auf das Ganze gesehen, bisher mehr der Kultur oder der Zivilisation? Die Antwort, vielmehr deren Be gründung, fordert ein Buch. Gewiß ist, daß durch das immer mehr ins Breite wirkende gedruckte Werk der allgemeine Bestand an Begriffen, Verständigungsmitteln ebenso zunahm wie das Ge schick in der Anwendung derselben. Aber: wächst nach Goethe dem jchöpserischen Menschen mit jedem neuen Begriff ein Organ, das ihn die Wirklichkeit tiefer zu erfassen befähigt, so gilt für den geistig Abhängigen mindestens dann das Gegenteil, wenn die Zahl der von ihm verwandten Begriffs ihm nicht mehr gestattet zu er werben, was er besitzt. Eine chronische geistig-seelische Verdauungs störung stellt sich ein, eine Horizontschrumpfung, das unmittel bare Verhältnis zum Ich und zur Umwelt schwindet, die Zugänge zur Wirklichkeit werden allmählich verschüttet durch das Geröll toter Wortsteine, als Ewig-Unmündiger lebt der von der selbst herrlichen Bokahel, dem Schlagwort, bald hierhin, bald dorthin gestoßene Sklave stumpf dahin. Allem Vervielfältigten eignet die schlimme Möglichkeit, daß die mittels des Druckes zum Leser ge langenden Begriffe nach und nach die Stelle einnehmen, die der Wirklichkeit, die sie zu begreifen helfen sollen, zukommt — ab gesehen von den Wortetiketten, zu denen es keine Flaschen gibt. Dem Buche eignet eine Tendenz, die seiner Sendung, des Men schen Bewußtsein zu erhöhen, ständig entgegenwirkt: es ist die SS3
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