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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 01.06.1921
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- 1921-06-01
- Erscheinungsdatum
- 01.06.1921
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Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. M 125, 1. Juni 1921. alsdann je nach Bedarf in wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Umläufen den Vorstandsmitgliedern zur Meinungsäußerung mit geteilt. Eine Stellungnahme des Ersten Vorstehers erfolgte zu nächst noch nicht. Im allgemeinen fügte sich Brockhaus dem Mehrheitsbeschlüsse, nur in ganz besonderen Fällen gab er seine abweichende Meinung kund und ließ die Sache noch einmal um laufen. Ganz anders war nun der Verlauf der Sitzungen. Alle Punkte der Tagesordnung waren von ihm sorgfältig vorbereitet. In seinen Personalakten herrschte eine musterhafte Ordnung. Zu jedem Punkte der Tagesordnung Pflegte er einige einleitende Worte zu sprechen. In ganz schwierigen, verwickelten Ange legenheiten gab er auch Wohl zu Anfang seine Meinung mit ausführlichen Gründen bekannt, indem er hinzufügte: »Hier ha ben Sie meine Meinung, nun kritisieren Sie und setzen Sie etwas Besseres an die Stelle; mir soll es recht sein!« Er be tonte immer, daß er nur priinus tutsr pures sei. Dadurch blieben die Verhandlungen stets fruchtbar. Die Sitzungen waren unser aller Freude; Brockhaus wußte auch dem gleichgültigsten Gegen stand durch die Art seiner Behandlung Interesse einzuflößen. Empfindlichkeit über zu scharfe Kritik kannte er nicht. Als bei einer solchen Gelegenheit, da Brockhaus gegen eine Mehrheit noch Widerspruch erhob, einer von uns im Redeeifer in die Worte ausbcach: »Brockhaus, Sie sind doch sonst nicht begriffsstutzig!« und wir alle entsetzt über die Ausdrucksweise waren, antwortete er ganz gelassen: »Im allgemeinen habe ich mich immer bemüht, es nicht zu sein«, und ging dann auf die Sache selbst ein. Sein Hauptbestreben war stets, die Debatten sachlich zu beschränken und das Aneinandervorbeireden zu verhindern. So kam der Oktober 1905 heran und mit ihm das hundert jährige Jubiläum der Firma F. A. Brockhaus, das er gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder Fritz begehen konnte. Dem eigentlichen Jubiläumstage ging ein Fest der Angestellten voraus. Am Morgen des Jubiläumstages kamen unzählige De putationen, die in den Räumen der Firma empfangen und deren Ansprachen in der Hauptsache von Albert Brockhaus selbst be antwortet wurden. Die Vielseitigkeit seiner Rede, die Färbung in den Erwiderungen, die Herzlichkeit und Dankbarkeit, die immer neuen Ausdruck fand, war selbst für uns Vorstandsmitglieder, die wir an solche Leistungen gewöhnt waren, überraschend. Da stand nun der Mann in der vierten Generation des Grün ders Friedrich Arnold Brockhaus als eben Fünfzigjähriger, in der Fülle geistiger und körperlicher Kraft, an der Spitze eines Aelthauses, in keiner Faser feines Wesens hochmütig, sondern in gewinnender Liebenswürdigkeit und Güte. Tags darauf fuhren wir Vorstandsmitglieder nach Weimar zur Herbstversammlung des Verbandes der Kreis- und Orts vereine. Der erste Punkt der Tagesordnung machte Brockhaus große Sorge. Ein gewisser Frenkel hatte den Plan einer alles Bisherige weit übertreffenden Lotterie entworfen, die sich über ganz Deutschland erstrecken und deren Gewinne nur aus Büchern bestehen sollten. Die Größe des Unternehmens mag schon daraus Herborgehen, daß Frenkel mit der Firma Brockhaus wegen Über nahme von 1000 Exemplaren des großen Konversationslexikons verhandelt hatte. Der eigene Vorteil war aber für Brockhaus nicht maßgebend, wo es sich um das Wohl und Wehe der ganzen mühsam aufgebauten buchhändlerischen Organisation handelte. So begann er denn im Gegensatz zu der großen Versammlung, die für den Plan der Lotterie begeistert war, seine Rede, die «in Meisterwerk der Dialektik und kluger Erwägung zu nennen ist. Er sprach fast eine Stunde. Er beleuchtete die Vorteile und Nachteile, und in kühnem Aufbau kam er endlich zu dem Schluß, daß die Idee der Verlosung unmöglich wäre in der Organi sation des modernen Buchhandels. Er beantragte, daß Herr Frenkel, der schon im Hause weilte, nicht zur Versammlung zu gelassen würde und der von ihm angekllndigte Vortrag unter bleiben sollte. Seine Rede hatte den gewünschten Erfolg. Der zwin genden Kraft seiner Gründe konnte keiner widerstehen; das Unheil war abgewcndet. Tags darauf fuhren wir Vorstands mitglieder wieder nach Leipzig zurück zu einer dreitägigen Sitzung. Das war eine Kraftleistung von Albert Brockhaus, die ihm nicht so leicht einer nachmacht. 758 Das Jahr 1906 brachte den internationalen Verlegerkongreß in Mailand, den ersten seit jenem glänzend verlaufenen Leipziger Kongreß, mit dem die Vorsteherschafl Brockhaus' begonnen hatte. Blockhaus hatte den begreiflichen Wunsch, daß dieser neue Kon. greß von möglichst vielen deutschen Verlegern besucht würde; der Börsenverein sollte in seinen verschiedenen Organen ver treten sein, und dazu zählte er vor allem den ganzen Börsen vereinsvorstand. Hiergegen wendete ich ein, daß ich meine An wesenheit in Mailand für höchst überflüssig hielte, ich wüßte nicht, was ich als Sortimenter unter den Verlegern aller Nationen zu tun hätte. Darauf Brockhaus: »Sie sollen den deutschen Sorti menter repräsentieren, den der Buchhandel anderer Nationen nicht hat«. Und damit ich mich nicht als stillstes Rad am Wagen fühlte, beantragte er beim Präsidium in Mailand, daß ich zum Vorsitzenden der Sektion für Kunst gewählt würde. Da hatte ich denn genug zu tun. Aus Veranlassung von Fritz Schwartz (F. Bruckmann, München) hatte der Börsenverein die Schaffung einer internationalen Kunstbibliographie beantragt. Die Ver handlungen waren recht lebhaft; Schwartz begründete seinen An trag, daß zunächst der Buchhandel der verschiedenen Nationen, jede für sich eine Bibliographie schaffen solle. Diese verschiedenen Bibliographien sollten nach einem gleichmäßigen System ange- fertigt und später durch ein zusammenfassendes Register dem Kunsthandel der gesamten Welt nutzbar gemacht werden. Der Antrag wurde angenommen und auch in der Vollversammlung des Kongresses bestätigt. Hier anschließend will ich gleich be- merken, daß der Börsenverein diesen Beschluß sofort in die Tat umsetzte und vom 1. Januar 1907 ab die Bibliographie für den deutschen Kunsthandel erscheinen ließ. Auf dem folgenden Kon greß 1908 in Madrid konnte ich den vollständigen ersten Jahr gang auf den Verhandlungstisch legen. Im ganzen sind zehn Jahrgänge erschienen, da während des Krieges wegen zu hoher Kosten das Erscheinen einge stellt weiden mußte. Von den übrigen Kulturnationen ist keine buchhändlerische Organisation dem Beispiel des Börsen vereins der Deutschen Buchhändler gefolgt. Beide Kongresse, die ich besucht habe, hinterließen mir den Eindruck, daß wir Deut schen auf diesen Versammlungen mehr die Gebenden als die Nehmenden waren. Auch die führenden Persönlichkeiten machten nicht immer einen vorteilhaften Eindruck; im Gegensatz zu diesen waren wir Deutschen glänzend vertreten, in erster Linie durch Albert Brockhaus, der sich als Weltmann im glänzendsten Lichte zeigte. Als Leiter des voraufgegangenen Leipziger Kongresses war er in Mailand und Madrid ja nur Alterspräsident; aber dies erhöhte nur die Würde, mit der er im gegebenen Augenblick hervortrat. Von großer Wichtigkeit war sein Eintreten in Ma drid, als wir, durch einen nicht auf der Tagesordnung stehenden Antrag Ricordis über die Revision der Berner Konvention un willig überrascht, den Verhandlungen fernbleiben wollten. Brock- Haus bekämpfte diesen Entschluß, riet vielmehr, in die Verhand lungen einzugreifen und vor allem gegen die beantragte allge meine Erweiterung der Schutzfrist auf 50 Jahre Einspruch zu erheben. So geschah es denn auch. Artur Seemann hielt eine glänzende Rede, in der er u. a. ausführte, daß die in Deutsch land geltende 30jährige Schutzfrist vom deutschen Buchhandel als ein Kulturfortschritt gegenüber der beantragten fünfzigjährigen angesehen würde. Blockhaus' Rat war um so wichtiger, als nun mehr der Börsenberein in seinem dem Reichskanzler erstatteten Bericht über den Madrider Kongreß die Ablehnung der fünfzig jährigen Schutzfrist durch die sämtlichen Vertreter des deutschen' Buchhandels feststellen konnte. Bei der bald darauf erfolgten Re vision der Berner Konvention blieb es infolgedessen durch festes Eintreten der deutschen Regierung bei der bisherigen Bestim mung, daß jede Nation ihre bestehende Schutzfrist behielt, Deutsch land also die dreißigjährige. Unvergeßlich bleibt mir der letzte Abend in Mailand. Die meisten Teilnehmer waren schon abgereist. Als Brockhaus hörte, daß ich erst am darauffolgenden Tag fahren würde, rief er: »Tann seien Sie heute abend mein Gast!« Wir trafen uns in einem kleinen Weinrestaurant in der Nähe des Domes. Zugegen war außer Brockhaus und mir nur noch sein Bruder Fritz. Der Zauber, der über diesen Stunden lag, ist kaum zu beschreiben.
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