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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 29.12.1936
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1936-12-29
- Erscheinungsdatum
- 29.12.1936
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- Deutsch
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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Folge ist, daß das Lager der Sortimenter am Ort im wesentlichen uniform bleibt, daß es sich gleicht wie ein Ei dem anderen, ohne irgendeinen eigenen Charakter zur Geltung zu bringen. Es sind eben zu viel Buchhandlungen am Ort, heißt es schließlich, wenn keiner mehr genügend Lebensraum für sich sinket. In vielen Fällen mag das auch wahr sein — aber es braucht sich nicht derart verhängnisvoll auszuwirken, und oft läßt es sich in unserer heutigen Situation auch überhaupt nicht so apodiktisch behaupten. Die Zusammensetzung des Lagers. Denn es ist stets falsch, die Zusammensetzung des Lagers von der zufälligen Nachfrage der letzten Jahre abhängig zu machen. Hier muß die Disposition aus längere Sicht einsctzen und jeder Buchhandlung einen Charakter geben, der sie von den anderen unterscheidet, bestimmte Jnteressensrich- tungen an sich zieht und dadurch auch eine Nachfrage schafft. Das Lager ist der Befähigungsnachweis des einzelnen Sortiments. Es begründet seine besondere Leistung über den Novitätenmarkt hinaus, der wenigstens zum großen Teil allen Sortimentern in der gleichen Form gemeinsam bleibt, obwohl eine vorsichtige Spezialisierung natürlich sehr bald auch in der Neuigkeitenbestellung zur Geltung kommen wird. Die drei eingangs genannten Bücher gehören in den geistigen Bereich, den wir heute als Weltliteratur bezeichnen, und es ist bei der gegenwärtigen Kaufkraft unmöglich, daß sie von allen größeren Sortimentern einer Stadt vorrätig gehalten werden. Dagegen kann eine bestimmte Buchhandlung diesen Bereich erfassen und dafür bekannt sein, daß man bei ihr stets auch Cervantes, Jere mias Gotthcls, Thomas Hardy, aber auch die Erzählungen von Kleist findet. Dann wird das Lager für jeden seinen Sinn er füllen. Von dem vor Jahren geschriebenen »Oblomow» zu behaupten, er sei »in seiner Tendenz dem heutigen Deutschland entgegen«, wie es ein Buchhändler tat, bedeutet ein typisches Mißverständnis. Ja, wir lehnen allerdings ausnahmslos jedes Werk ab, das seiner ausgesprochenen oder unausgesprochenen Richtung nach dem deutschen Denken zuwiderläuft. Im »Oblo- mow« wird jedoch ein bestimmter russischer Menschentypus fixiert, die spezifisch nationale Abwandlung eines Charakters, der jeweils in anderen Formen auch die meisten übrigen Völker gefährdet: der faule, träumende, ewig redende Russe, der schließlich im Nichtstun untergeht. Vielleicht könnte man das für veraltet und gegenwartsfern halten — in Wahrheit gehört dies Buch zu den Romanen, die wie der Don Quixote oder Eichendorffs Tauge nichts bei aller nationalen Gebundenheit überzeitlich Gültiges vom Menschen aussagen —, keinesfalls dürfen wir jedoch in solch eine hellsichtige Menschenkritik Gedanken Hineinlesen, die uns erst die Nächstliegende Tagespolitik eingibt. Sonst wird der gesamten älteren Dichtung, besonders auch der deutschen, ein falscher Sinn untergelegt — wie damals, als man den Weither für eine Förderung des Selbstmordes hielt! Natürlich wird sich die Spezialisierung im allgemeinen nicht so scharf ausprägen, wie es etwa im Antiquariat der Fall ist. In einer Mittelstadt mit mehreren Buchhandlungen sprechen wir wohl besser von einem Ausbau bestimmter Gebiete, die neben der Vielfältigkeit der Neuerscheinungen besonders ge pflegt werden. Außer der Literatur im eben angegebenen Sinne kommt beispielsweise als kleineres Sondergebiet auch die aus landdeutsche Dichtung in Betracht; ferner Reissbeschreibungen, das Jugendbuch, Gedichtsammlungen nsw. Das Lager kann nicht beanspruchen, eine Enzyklopädie all der Bücher darzustellen, die vielleicht einmal von einem Kunden verlangt werden und Förde rung verdienen. Aber es kann auf einem umgrenzten Gebiet den Bücherkäuser nicht nur durch Zuverlässigkeit überraschen und an sich fesseln, sondern zugleich. Interessen erwecken und Vernach lässigtes an den gebührenden Platz stellen. So viel beispielsweise heute von sudetendeutscher Dichtung gesprochen wird — jeder von uns weiß im voraus, was er von ihr in Buchhandlun gen vorrätig findet, und wenn darüber hinaus einer etwa das letzte Heft des »Ackermann in Böhmen« oder gar die Werke von Wilhelm Leutelt sucht, dann wird er auch in Berlin auf große Schwierigkeiten stoßen, falls er überhaupt Erfolg hat. Dabei gehört beides zum ABC der sudetendeutschen Dichtung, und beim auslanddeutschen Schrifttum sieht die Situation noch hoff nungsloser aus. Die eigene Note in der Schaufenstergestaltung. Für Berlin mag das ein Mangel sein — könnte man ein wenden —, wann wird aber in einer Mittelstadt Leutelt oder Jmmermanns Münchhausen verlangt? Wie oft wird ein Lager umgesetzt, das auf dieser Literatur ausgebaut ist —; läßt sich da noch von Rentabilität sprechen? Richtig überlegt, bleibt es aber im Grunde viel erstaunlicher, daß der größte Teil der Buchhand lungen von dem gleichen, schmalen Ausschnitt aus der vorhan denen Literatur leben kann, wie es heute der Fall ist. Wir brau chen nur einmal die Schaufenster miteinander zu ver gleichen! Wenn zu Weihnachten überall die gleichen Neuerschei nungen im Vordergründe stehen, läßt sich das vielleicht noch rechtfertigen, obwohl auch das nicht so gleichförmig in Erscheinung treten müßte, wie es tatsächlich geschieht. Aber auch zur Kon firmation, zu Ostern, in der Reisezeit, mit dem Herbstbeginn sehen wir überall fast gleichzeitig das alljährlich wiederkehrende Einheits-Schaufenster, das oft nicht einmal in der Anordnung beträchtliche Unterschiede zeigt. Und Berlin bedeutet in dieser Hinsicht auch nur ein Nebeneinander von mehreren Kleinstädten. Bleiben wir bei der Literatur, die das mcistbearbeitcte Arbeits gebiet darstellt. »Deutsche Dichtung in Neuausgaben» könnte beispielsweise das Thema eines Weihnachtsschausensters sein, das den Verkauf aus dem Lager aktiv beeinflußt. Und wenn eine Buchhandlung ein Jahr hindurch dies als Sondergebiet ausgebaut hat, wird sie auch mit Ausstellungen wie »Die großen Erzähler» (wobei eine Reihe die deutsche Geschichte im historischen Roman umfaßt), »Die Goethe-Zeit« usw. Erfolg haben. Ist das »zu literarisch«, wie es manchmal heißt? Man muß dagegen nur die Menschen vor dem Schaufenster an- sehen: viel größer ist die Gefahr, daß sie durch die zufällige An häufung der Neuerscheinungen verwirrt werden. Wenn sie Be kanntes darunter finden, fühlen sie sich eher angerusen als durch die Menge fremder Namen, die das übliche Novitäten-Schau- senster enthält. Selbstverständlich ist mit dem Thema allein, auch dem besten, noch keineswegs die Schaufenstersrage gelöst. Wer über den Leit ideen den wirkungsvollen, psychologisch richtigen Aufbau, den »Blickfänger« und die Gliederung vernachlässigt, der würde wirk lich »literarisch« im falschen Sinne an diese Aufgabe Herangehen. Und auch dies wird heute gern vernachlässigt zugunsten einer ästhetischen Wirkung, die viel mehr an das Aussehen im Bücher schrank denkt als an den Menschen aus der Straße, der doch im Vorbeigehen haltmachen soll. Der Buchhändler darf sich nicht scheuen, die führenden Zeitschriften über Werbung durchzusehen, um daraus Anregungen für seine Auslage (auch innerhalb der Geschäftsräume) zu ziehen, obwohl er für seine besondere Situa tion nicht immer gleich etwas Brauchbares finden wird. Aber es gibt heute einzelne, erlernbare Regeln, die sich nicht nur auf unsere Arbeit übertragen lassen, sondern unter allen Umständen beobachtet werden müssen, wenn die bestmögliche Wirkung — vollends bei beschränkten Raumverhältnissen, wie es doch meist der Fall ist — Zustandekommen soll. Und diese Regeln lehrt nur sehr selten die praktische Erfahrung des einzelnen, sondern erst die planmäßige Verarbeitung von Massenbeobachtungen und -ver suchen, wie es in der Werbekunde geschieht. Das ist gleichsam die Technik des Schaufensters (die leider noch nie speziell für den Buchhandel ausgearbeitet wurde) — für ihre praktische Anwendung ist jedoch die »literarische» Idee nötig, da der Buch handel nun einmal Literatur verkauft. In den letzten Wochen wäre manchmal Gelegenheit für ein Fenster »Das bleibende Ruß land- gewesen, und wenn das Lager auf Weltliteratur aus gerichtet ist, wird weder ein Erfolg für den Augenblick noch einer für längere Sicht ausbleiben. Denn Bücherkäuser Pflegen bei all ihren Mängeln doch wenigstens ein gutes Gedächtnis zu haben ... Und wer im rechten Augenblick in den Mittelpunkt des Fensters eine Ausstellung »Das ewige Spanien« stellt, der wird das Ergebnis nicht nur am Verkauf einzelner Spanien bücher merken, sondern an den neuen Gesichtern, die er als Ge schenkkäufer bei sich sieht, weil er sie für sein Sortiment inter essiert hat. (Schluß folgt.) 112S
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