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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 16.04.1940
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Band
- 1940-04-16
- Erscheinungsdatum
- 16.04.1940
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- Deutsch
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- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1940
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Kurt Kluge: Die Zauberaeiue Z. Fortsetzung: Das hübscheste dieser freundlichen Kinder hieß Hasel, war schlank, schwarzhaarig, meist sehr guterDinge und liebte leise, weiche Melodien. Die Kunst des Andreas bestand nun darin, solche Melodien — natürlich nicht für Hasel, sondern zu gunsten der zahlenden Besucher — auf dem sehr schlechten Klavier des Herrn Schmalfuß zum Erklingen zu bringen. Bis zur Polizeistunde und gelegentlich nach ihr machte An dreas in der Grotte leise Musik und bekam dafür neben an erkennenswert guten Getränken ein so vorzügliches Abend essen, daß er der Sorge um dieLeibesnahrung zur Not auch für den anderen Tag noch überhoben war. Was er nämlich nicht vertilgen konnte, wickelte Hasel in eine Papierserviette und steckte es ihm in die Rocktasche. Vielleicht stahl Hasel auch in der Küche für Andreas, was sie kriegen konnte — jedenfalls drückte Schmalfuß in diesem Falle seine beiden sonst sehr flink hin und her gehenden Äuglein zu. Er hätte nämlich diesen Musikanten am liebsten für alle sieben Nächte der Woche gegen gutes Essen in seine Dienste ge nommen : Andreas verstand lockeren Handgelenkes die zärt lichsten Melodien aus dem klapprigen Klavier zu zaubern. Mochte er Hasel auch zuweilen einmal von der sonstigen Bedienung abhalten — seine Kunst wog diesen Schaden auf. „Nichts hat der Mensch umsonst", murmelte Schmal fuß, „und eines Tages habe ich ihn, denn Liebe ist nicht nur ein fester Kitt, sondern auch, für den unbeteiligten Dritten, ein sehr billiger Kitt." Noch waren die etwas dürftig erhellten Stuben der Grotte leer. Andreas hatte gespeist, saß am Klavier. Träumend ließ er musikalische Gedanken aufklingen, wolken- haft hinziehn über das unverrückbare Bild tief in ihm: über jene wunderbare Geige Stradivaris zogen seine Melodien ihre Schatten. Nicht der magere Ton des alten Klaviers störte ihn. Auch Hasel nicht, die ihren Kopf an seinen lehnte und ihr schwarzes Haar in seine aschblonde Mähne drückte. Sie zeigte auf eine Taste: „Nicht da drauf kommen, die klappert". Andreas schüttelte den Kopf: „Ist nicht schlimm, Hasel" — er spielte leise weiter — „ein Klavier, zur Not, kann auch schlecht sein. Auch der herrlichste Flügel bedeutet bloß den Ton, der gemeint ist. Vor ein paar hundert Jahren hat jemand Klaviermusik geschrieben ohne eine Ahnung von dem, was ein großer Konzertflügel ist" — Andreas seufzte und ließ die Hände aufs Knie fallen — „Aber die Geige, Ha e. eigenmusik hat erst geschrieben werden können, ncu >c em die vollkommene Geige gebaut war. Das ist's ja. ie Geige bedeutet nichts: die ist, was sie ist. Die kann nur durch die Ohren hineinklingen in dich und nur den Ton, den sie eben hergibt. Die ist immer nur sie selber. Sieh den ^zammerkasten hier an: der kann alles bedeuten, ein ganzes Orchester. Aber eine Geige muß gut sein. Wie du, Hasel" er umfaßt sie „was du nicht bist, das bedeutest du auch nicht." . . . Herr Schmalfuß war schon zweimal am Klavier vorbei- gegangen. Aber er trug aus Geschäftsgründen Schuhe mit Gummisohlen. Keiner hörte ihn. Nicht ohne Sorge be trachtete der Inhaber der Grotte den zweifellos überlasteten Klavierstuhl. Gewiß, sachlich hatte er nichts einzuwenden gegen eine möglichst enge Verbindung des Andreas mit der Grotte — aber da kamen schon wieder zwei Gäste. Der Wirt hustete. Andreas fuhr zusammen, und Hasel glitt von seinen Knien herab, strich ihr Haar glatt. Der Klavier spieler rückte sieb zureckt: „Was wollte ich dock hier?... ja, Musik" ... er sah die Elfenbeintasten an: „Wie die?" er sah Hasel an, die ihm durch den Spiegel an der Wand zu lächelte . .. „Oder Musik wie die?" murmelte er und griff den erwartungsträchtigen ck-Mollakord, schlug das Stimni-^. an und sah durch das gläserne Spiegelbild Hasels hindurch in einem gläsern spiegelnden Kasten seine Geliebte ruhen: die Stradivari... „Oh, wie die", sagte er lächelnd, „auf italienischem Sammet ruht sie, nackt und schön und keusch. In einem gläsernen Kristall. Ein geflügeltes Lebe wesen, eingeschlossen in Bernstein, unberührbar" — eine wilde Freude durchzuckte ihn: „Und ich habe sie doch! Ich, Andreas, Zweiter Geiger zu Kranichstedt, ich höre sie, wenn ich will." Hören, freilich. Nur spielen konnte er sie nicht, wenn er wollte, diese seine Geliebte im Kristall. Dies sein wahres Du im Bernstein, denn vor dem Glaskasten im Museum steht ein Wächter. Und vor dem Wächter ein Oberwächter. Vor dem Oberwächter ein Kustode. Diesem vorgesetzt ein Unterdirektor. Und über alles gesetzt ein Oberdirektor... schwer zu tragen, so ein wahres Geigertum ohne wahre Oi^r^itere Fortsetzung bitte ich im Buche selbst zu lesen, das I. Engelhorns Nach f. Adolf Gpe mann Stuttgart 268 Börsenblatt f. L. Deutschen Buchhandel. 107. Jahrgang. Nr. 88 Dienstag, den 16. April 1910
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