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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 13.07.1937
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- 1937-07-13
- Erscheinungsdatum
- 13.07.1937
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- Deutsch
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Lage des Jugend- und Kinderbuches richtig zu erkennen, ist es gut, den Abweichungen in den einzelnen Jahrgängen zu folgen. Die Kleinen, bis zum sechsten Jahre, unterscheiden sich mit ihren Wünschen von den größeren Kindern. So wetteifert bei den . Jungen das Soldatenspiel und der Baukasten mit den Büchern. Die Soldaten siegen in diesem Kampfe und deshalb erscheinen die kleinen Jungen sonderbar lesemüde oder lesefaul, was sie in Wirklichkeit gewiß gar nicht sind. Die Märchenseligkeit der Mädchen ist größer als die der Jungen, die schon in diesem Alter nach Indianer- und Kriegsbüchern Verlangen tragen, während sie sich aus den Kinderbüchern außerhalb der Jndianerbücher weit weniger als die Mädchen machen. Die Mädchen scheinen auch die bevorstehende Einschulung wichtiger zu nehmen als die Knaben und wünschen sich Schulbücher. Die sieben- und achtjährigen Mädchen leben ganz im Märchen, das Interesse an den Kinderbüchern wird stärker, auch bei den Jungen. Deren Vorliebe für Jndianerbücher ist freilich auch größer und be stimmter geworden. Die siebenjährigen Knaben wollen mehr von Tieren und Pflanzen wissen als die gleichaltrigen Mädchen. Ganz anders ist das Bild der Neunjährigen! Bei den Mädchen fängt die Nesthäkchenzeit an, die Zahl in der Abteilung »Kinder- und Jugendbücher« geht darum in die Höhe. Die Märchen werden auch noch begehrt, aber der Liebhaber dafür sind doch schon weniger ge worden. Sagen, Geschichte, Naturbeschreibungen interessieren auch, aber sie sind nicht wichtig. Lange nicht so wichtig als die Kriegsbücher. 20°/o der Neunjährigen, der Jungen natürlich, wollen nur Kriegs bücher zum Lesen haben. Kriegsbücher, die nicht weiter als bis 1870/71 zurückreichen. Auch das Gegenwartserleben beeinflußt diese Neun jährigen, die sich deshalb schon politische Bücher wünschen. Solche, die mit den Augen der Jugend das Geschehen sehen und beschreiben. Aber auch Bücher, die eigentlich Erwachsenenbücher sind. Vergleicht man die Buchwünsche dieser Jahresklassen mit den Wünschen nach Spielzeug und mit den Berichten über das Lieblings spiel- und Beschäftigungsmaterial, so erkennt man die Einheitlichkeit des Erlebenwollens dieser Kinder, die es nicht abwarten können, er wachsen zu sein. Man könnte alle ihre Wünsche auch anders charakte risieren und davon sprechen, daß diese Kinder am liebsten ein paar Stufen überspringen, am liebsten sich in einen älteren Jahrgang hineinmogeln möchten. Wie spiegelt sich die Zeit bei den Zehnjährigen, die ja schon in Reih und Glied stehen und mitmachen dürfen? Die Liebe der Mädchen ist geteilt: diese Kinder leben noch im Märchen, aber sie stecken auch schon tief in der Trotzkopfschwärmerei: 30°/o der Mädchen dieser Altersstufe wünschen sich Nesthäkchen, Trotz kops, Professors Zwillinge und verwandte Bücher. Nur wenig wollen sie von Sagen und Geschichte, von Krieg wissen. Anders verläuft die Linie der Knaben. Märchen, Kindergeschichten sind nichts für sie, jeden falls wünschen sich nur wenige Märchen-, Bcschästigungs- und Kinder bücher. Die meisten wollen Kricgsbücher haben und fast ebenso viele träumen von Abenteuern mit Noten und Weißen. Ihre Vorliebe für Max und Moritz ist sicherlich der Abenteuerlust verwandt. Ein Jahr später hat sich das Bild wieder verwandelt. 35°/o der Mädchen denken noch immer an die Mädchenbücher der Trotzkopfserie. Aber sie melden, wenn es auch noch nicht viele sind, ihre Ansprüche an Jndianerbücher an, und die Zahl der Mädchen, die sich mit den zeit nahen politischen Büchern befassen, übersteigt die Zahl der gleichaltrigen Knaben. Noch ein Jahr weiter ist das Märchen fast verschwunden. Bei den Jungen herrschen die Wünsche nach Kriegsbüchern vor, sie sind um die Hälfte zahlreicher als nach Indianer- und Abenteuerbüchern. Die Politik interessiert weit mehr Mädchen als Jungen. Alle anderen Ge biete kommen schlecht weg. Mit dreizehn Jahren haben die Mädchen die Lust an den Mädel geschichten noch nicht verloren. Schul- und Liederbücher bleiben un wichtig. Indianer- und Kriegsgeschichten spielen schon eine größere, wenn auch keine bedeutende Rolle. Sie stehen ungefähr auf der gleichen Jnteresscnstufe wie Bücher vom Sport und Romane. Die politischen Bücher haben in diesem Jahrgang weniger Anziehungskraft als im Jahre vorher, trotzdem haben die Jungen die gleiche Höhe der Spitze noch nicht erreicht. Die Leidenschaft für Jndianerbücher ist um ein weniges, die für Kricgsbücher aber bedeutend gestiegen. Und wieder ein Jahr später, das für viele der Kinder den Abschluß der Schulzeit bringt. Das Bild ist wesentlich verändert! Zwar ist die Lage bei den Mädchen nur dadurch verändert, daß ihr Interesse an der Politik gesteigert ist und daß sie sich auch in den Buchwünschen zugleich als Kinder fühlen, die das Kinder- und Jugendbuch lieben, daß sie aber mit ihren Wünschen auch schon hineinreichen in die Welt der Großen: der Roman spielt bei diesen Vierzehnjährigen eine bedeutende Nolle. Es ist ergötzlich, wie altklug einige der Kinder die Jungmädchen geschichten abtun, wie sie beinahe blasiert ihre Wünsche vortragen. Es sind kleine Schauspielerinnen, die auch den Erwachsenen zuliebe die Wünsche formulieren, indem sie zum Beispiel hervorheben, daß sic lesen wollen, um zu lernen. Andere dagegen sind ehrlicher: sie be gründen die einzelnen Wünsche damit, daß ihnen von der Schule ein bestimmtes Pensum vorgeschrieben sei, und daß sie sich nun eben diese vorgeschriebenen Bücher wünschen, die sie sich sonst schwer beschaffen können. Bei den Jungen hat das Lesen der Abenteuer- und Jndianer- geschichten abgenommen. Kriegs- und politische Bücher beherrschen das ganze Denken. Experimenticrbücher erscheinen begehrenswert. Bei den Schulbüchern, die dieser Jahrgang wünscht, handelt es. sich um Wörter bücher und andere Nachschlagewerke, die zum Teil auch schon in der Welt der Großen eine Nolle spielen. In folgerichtiger Weise entwickelt sich die Lage nun bei den Fünf zehn- und Sechzehnjährigen. Zufälligerweise haben sich keine Knaben im Alter von fünfzehn Jahren und keine Mädchen von sechzehn Jahren beteiligt. Bei den Knaben gibt es nur drei Gruppen von Büchern: sie handeln von Krieg, von Politik, von Reisen. Und das Interesse ist gleichmäßig zwischen ihnen geteilt. Bei den Mädchen ist die kriegerische Lust nicht besonders groß, kaum größer als die Freude an den Bcschästigungs- und Mädchen büchern. Am wichtigsten sind Romane, dann kommt die Politik und schließlich Reise und Wanderung. Damit ist der Tatsachenbericht von den Wünschen der Kinder ab geschlossen. Es ist wichtig genug, zu wissen, wie die Kinder in der Welt stehen, wie sie zu unserer Welt stehen. betrachten und sestzustellen, wie viele und welche Buchtitel wiederkehren. Es ist auch aufschlußreich, den Quellen nachzugehen, d. h. zu ermitteln, woher die Kinder die Kenntnis von Buchtiteln oder von Verlegern hatten. Natürlich sind die Angaben der Kinder nicht immer genau. Aber man erfährt doch, welche Schriftsteller für die Kinder zu einem Begriff geworden sind oder welche Bücherreihen den Kindern vertraut wurden, während zuweilen wieder die Verleger wichtiger zu sein scheinen als die Angabe der Verfasser und der Titel. Man kann auch mit Hilfe eines andern Maßstabes vergleichen, man kann die alten und neuen Bücher in Beziehung zueinander setzen. Und dann ist man erstaunt, wie groß die Anhänglichkeit der Kinder an die Bücher ist, die schon die Lieblingsbücher ihrer Eltern, vor allem ihrer Mütter gewesen sind. Und man erkennt bei dieser Prüfung auch, daß neben diesen Büchern sich andere einen Platz erobert haben, Bücher nämlich, für die von den Verlagsanstalten eine das Kind erreichende Werbung betrieben wurde. Für Kinder scheinen Bücherlisten, Bücherempfehlungen einen wirklichen Wert zu haben. Denn man sieht es manchen der Wunsch zettel an, daß die Antwort auf die Frage nach den Buchwünschen ganz einfach von solchen Bücherlisten abgeschrieben wurde, wobei kaum ein Buch ausgelassen worden ist! Wer Kinder auf ihrem Schulwege oder auf Spaziergängen vor den Buchhandlungen verweilen sieht, weiß ja, mit welcher Ausdauer und Gründlichkeit die Kinder Buchtitel, Aus stattung und andere Einzelheiten sich einzuprägen suchen. Es ist sehr leicht, das Ausfallen so vieler Bücher aus der Wunsch liste der Kinder oder das Zurückdrängen anderer in eine so kleine Nebenrolle damit zu erklären, daß eben das Interesse und die Zeit der Kinder heute durch ganz andere Dinge in Anspruch genommen werden. Diese Erklärung gehört zu jenen Ausreden, die wahr sein kön nen. Und außerdem ist es ja nicht nötig, ja nicht einmal gut, sich so einfach geschlagen zu geben. Man versuche es doch, die Bücher von blei bendem Wert in der richtigen Weise an die Kinder, an die Jugend heranzubringen. Unmittelbar an die Jugend, die sich ja durch ihre eigenen Zeitschriften, durch Auslage oder durch besondere Werbeveran staltungen erreichen läßt. Gewiß entspricht es fast einem Naturgesetz, daß die Kinder in dem Alter, in dem sie sich von der Familie zu lösen beginnen, sich in die Abenteuerbücher vertiefen. Aber diese Gesetzmäßigkeit spricht uns ja nicht frei von der Verpflichtung, das Leben der Kinder gestalten zu helfen durch das Bereitstellew von Büchern, von solchen Büchern, die diese Aufgabe wirklich erfüllen können. Kinder wollen und sollen trotz ihrer Sehnsucht nach dem Er wachsensein Kinder bleiben. Auch mit ihren Büchern. Aber das bedeutet nicht, das bedeutet niemals, daß für die Kinder verkleinerte, gereinigte, verkindlichte, vereinfachte Ausgaben geschaffen werden können. Denn Nr. 158 Dienstag, den 18. Juli 1937 593
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