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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 26.08.1876
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- Erscheinungsdatum
- 26.08.1876
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- Deutsch
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so hat ihn Krüger aus seinem Oelbild „Die große Parade" mit vielen berühmten und bekannten Berliner Persönlichkeiten da maliger Zeit unter den Zuschauern trefflich dargestellt. Frack, Handschuhe, Mantel oder Ueberzieher waren ihm durchaus ent behrliche Kleidungsstücke; ich kann mich wenigstens nicht entsinnen, Winter oder Sommer dergleichen an ihm bemerkt zu haben. Diese eigenartige äußere Erscheinung entsprach eben ganz seinem innern Wesen. Offen, einfach und bieder, dabei aber doch von einer rechten bürgerlichen Vornehmheit; denn „die böse Vor nehmheit, welche swie Enslin, Frommann und Rost dies treffend sagen*)), wo sie sich einnistet, so leicht den reinen Stahl der Bürger lichkeit ansrißt und ihren Glanz verdunkelt, war ihm gänzlich fremd." Reimer konnte ungemein freundlich, ja herzgewinnend liebenswürdig sein. Im täglichen Geschäftsverkehr war er in der Regel wortkarg, und kümmerte sich um Einzelnheiten wenig. Nicht selten kam es vor, daß er durch Heftigkeit verletzte; meist aber folgte gelegentlich ein begütigendes oder aufmunterndes Wort oder ein freundlicher Blick. Beim täglichen Mittagsmahl, an dem Gehilfen wie Lehrlinge im zahlreichen Familienkreise theilnahmen, dessen Mittelpunkt jene edle Hausfrau war, welche Arndt „die Krone der Frauen" nennt, war Reimer meist liebenswürdig und gesprächig, stets aber ein gü tiger Hausvater. Unvergeßlich bleiben mir die Weihnachtsabende, welche ich das Glück hatte während meines fast achtjährigen Aufent haltes imReimcr'schen Hause in seinem Familienkreise zu verleben. Beim reichen Ausbau strahlte dann sein Auge in reinster Freude: Alle bis auf den geringsten Dienstboten zu beschenken, und gern entzog er sich jeglichem Dank. Von seiner verborgenen Mildthätigkeit ward mir versichert, daß er namentlich seine bedürftigen pommerschen Landsleute, vor allem aber seine alten Kriegskameraden stets willig bedachte, selbst wenn diese Mildthätigkeit gemißbraucht wurde. „Und aus welcher Gesinnung",so äußert sich sein und Schleiermacher's Freund, Jonas**), „ist geflossen, was er in der großen Mannigsaltigkeit seiner Lcbens- kreise that? Das lebendige Christenthum im Herzen, ist er thätig gewesen Tag und Nacht. Nur aus diesem Mittelpunkte eines geseg neten und gottgefälligen Schaffens heraus hat er gewirkt." — Wenn einer unserer Zeitgenossen kürzlich ausrust: „Was uns fehlt, was wir vor allem brauchen und zwar in großer Fülle, das sind mora lische Kräfte, machtvolle Tugenden, sittliche Persönlichkeiten, gedie gene Charaktere, welche die große Aufgabe, die der mächtige Um schwung unsres öffentlichen Lebens dem Volke stellt, erfüllen mit jener selbstlosen Hingabe, die auf dem Grund heiliger Ueberzcugung ruht; Männer, die jenes schöne Fichte'sche Wort zur Wahrheit machen: Deutsch sein und Charakter haben ist Wohl eins!" — von unserm Reimer darf es getrost gesagt werden: er war ein solcher Mann in seiner Zeit. Er hat, ohne je nach äußerer Ehre zu trachten, oder aus Dank und Anerkennung weder der Mächtigen noch der Geringen zu rech nen, in aller Stille und Bescheidenheit seine großen Ziele verfolgt. „Wer hat je gehört (sagt Jonas weiterhin), daß Georg Andreas Reimer der Macht geschmeichelt hätte? Ein freier Mann, hat er zu allen Zeiten seine Gesinnung, seine innerste Ueberzcugung offen an den Tag gelegt uud stets geradeaus seine Bahn verfolgt." Seine Hin gabe fürs Vaterland, sein festes Gottvertrauen in jener trübesten Zeit, wo alles in Zweifel stand, kennzeichnet vortrefflich eine Stelle in einem seiner Briefe an Fr. Perthes.***) „Hier in Berlin (so schreibt er im März 1813) ist jetzt alles Leben und Thätigkcit und Jedermann ist aus seine Weise bemüht, dem Ausruf für Vaterland *) Publicationen des Börsen-Vereins Bd. 3. S. 66. **> Jonas, Worte, gesprochen am Sarge Reimer's am LS. April 1842. ***) Fr. Perthes' Leben. 8. Ausl. Bd. 1. S. 1S8 u. ff. und König nach Kräften zu entsprechen. In schöner Regung und Bewegung erfreut sich jedes Gemüth, und der innere Mensch wird neu geboren, und der Einzelne verschwindet sich selbst und geht auf in seinen Beziehungen zur Gesammtheit. Durch die sichtbar gewor dene Gegenwart Gottes auf Erden ist das Vertrauen bis zum höch sten Grade gesteigert, und die Hoffnung aus einen glücklichen Aus gang ist fast zur Gewißheit geworden. So steht es bei uns, lieber Freund, und ich hoffe, ganz Deutschland wird unsre Erhebung thei- len und kräftig dazu thun, daß der neue Tag hercinbreche und Friede und Freudigkeit wieder aus Erden wohnen mögen immer dar!" — „Wer hat", ruft Jonas aus, „tiefer die allgemeine Schmach gefühlt, die auf dem Volke lastete, wer hat gewaltiger gerungen, sie abzuwälzen? Den Edelsten unter Denen, die auch in der Zeit der entsetzlichsten Noth nicht am Vaterlande verzweifelten, hat er sich angeschlossen und sie an ihn. Sein Haus war der Sam melplatz für sie, und selbst für Diejenigen unter ihnen, welche, vom Eroberer geächtet und verfolgt, nur unter den größten Gefahren konnten beherbergt werden." Wir schwer mußte solch einen Mann die Verdächtigung krän ken, die nach jener großen Zeit der Erhebung, einige Jahre später, ihn und andere ehrenwerthe Patrioten durch eine elende Demagogen riecherei ganz ohne Grund traf! „Ais Besser (so schreibt Perthes am 17. Juli 1819) vor einigen Tagen nach Berlin kam, wurden gerade Reimer's Papiere versiegelt, und die Polizei durchsuchte (in seiner Abwesenheit) zwei Tage sein Haus..." Es ist charakteristisch für Reimer und soll deshalb hier nicht unerwähnt bleiben, daß die damals an seine Thüren gelegten Siegel aus sein Geheiß später nicht getilgt werden dursten. Ich habe die Spuren davon noch viele Jahre später selbst gesehen. Ucber Reimer's Jugendzeit und erste buchhändlerische Ent wickelung ist leider sehr wenig bekannt, da er, bei der ihn kennzeich nende» Bescheidenheit, von sich und namentlich von seiner Ver gangenheit selbst zu den nächsten Angehörigen ivenig sprach. Mit dem 14. Jahre, das wissen wir, verließ er das mütterliche Haus. Den Vater hatte er schon früh verloren. Er erlernte den Buch handel in der Lange'schen Buchhandlung, und zwar wahrscheinlich nicht im Stralsunder Hauptgeschäft, sondern in der Greifswalder Filiale. „Bei seinen trefflichen Anlagen", schreibt Jonas, „sehlten dem Heranwachsenden Jüngling die Mittel, seinen Drang nach wissenschaftlicher Ausbildung zu befriedigen. Dennoch gelang es ihm, sich mannigfache Kenntnisse anzueignen und einen klaren Ucberblick zu gewinnen über das Ganze der menschlichen Be strebungen, und besonders einen so feinen Tact in sich auszubilden für wahrhaft gediegene Leistungen auf dem Gebiete der Literatur, daß er auch als Buchhändler sicher sein konnte, für die Sache der Wahrheit und des Rechts zu wirken." Nach vollendeter Lehrzeit blieb Reimer, wie es scheint, noch einige Zeit im Greifswalder Geschäft als Gehilfe und ging dann als Geschäftsführer der Lange'sche Buchhandlung nach Berlin. Das ist alles, was wir über seine Wanderschaft wissen. Mit dem Beginn dieses Jahrhunderts begann Reimer seine selbständige buchhändlerische Thätigkcit durch Uebernahme der um 1750 gegründeten Realschulbuchhandlung, zuerst in Erbpacht, spä ter als Eigenthum. Reimer verheirathete sich am 28. December 1800. Schon bald daraus scheint sein Haus der Sammelplatz der guten Gesellschaft geworden zu sein. Adolph Müller, ein leider früh verstorbener talentvoller junger Mediciner, der damals das Reimer'sche Haus oft besuchte, schreibt an, 15. Juni 1807*): „Täglich möchte ich in dieser Familie sein. Es versammeln sich dort die lieblichsten und gescheidtesten Leute und so wird das Leben ihrer *) Briese von der Universität in die Hcimath. Leipzig 1874, Brockhaus. 416*
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