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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 05.10.1940
- Strukturtyp
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- Band
- 1940-10-05
- Erscheinungsdatum
- 05.10.1940
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- Deutsch
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Vom deutlckcn koman der öegenwart gehende Linie des Entwicklungsromans überwiegend fort geführt wird — eine seltsame Beobachtung machen. Das deutsche Volk, das, nach seinen Leistungen gemessen, so sicher in der Realität zu Hause scheint, ist — wenn überhaupt die Stimme seines Schrifttums für es verbindlich ist — weiter hin unaufhörlich auf der Suche, von einem seelischen Bereich her zunächst einmal in der engeren Wirklichkeit Fuß zu fassen. Der Leser sieht daher oft ein wenig mit Ne-id beispielsweise auf die Bücher der Amerikaner, in denen ein riesiger Stoff der Umwelt angepackt und in seiner Art bewältigt wird, so daß ganze farbige Länder vor uns auf steigen, fremde große Schicksale und ein bedeutendes unall. tägliches Geschehen, und so ist er geneigt zu fragen, warum denn bei uns wiederum und immer von neuem ein Menschenleben unseres Alltags von der Wiege bis zur Reife ausgezeichnet wird, das sich doch in seinem äußeren Verlauf in nichts von dem unterscheidet, was uns allen widerfuhr. Ls scheint, als würde in diesen Romanen der ewige Zug eines Volkes sichtbar, dem nichts geschenkt wird, und das sich sogar das scheinbar Selbstverständlichste im Kampf erringen muß. Denn wenn man in diesen Büchern spürt, wie sich alles Suchen schließlich doch mit einer Scheu vor dem Realen verbindet und wie die Umwelt doch eben auf einer überhöhten Ebene entschlackt, entrückt wird und nur durch einen idealisierenden Glanz für den Verfasser die rechte Gültigkeit bekommt, als „Wirklichkeit* angesehen zu werden, dann ist man überzeugt, daß dieser deutsche Weg ein unendlicher Weg ist und sein Ziel ein wandernder Punkt, der immer wieder entgleitet, auch wenn der ein zelne ihn schon beinahe mit Händen greift. Selten hat di As Nebelbrauen des Selbstgefühls in einem Ducy unserer Zeii so deutlichen Ausdruck mit einer' feinen witternden selbstkritischen Ahnung gefunden wie in Walther Georg Hartmanns Roman' ..Friedrich Brekow*'.' Was in verwandten Romunen dieser Tage nur die unbH wußie Trie bkrast 'ist, das wicd^hler in die Bewußtseins. Helle geruckt/sa zum eigenslichen Them'ch des "Buches er hoben. Dieser Friedrich Brekow, der aus einer norddeutschen Stadt stammt, kriegsfreiwillig und dann als Offizier den Großen Krieg mitmachte, empfindet an der Schwelle zum vierten Lebensjahrzehnt mit klarer Deutlichkeit diese Spal- tung zwischen „Ich* und „Welt*, die schon bisher sein Leben bestimmt hatte, und die nur kurze Zeit in der sol- datischen Gemeinschaft des Krieges aufgehoben schien. Er erlebt den Konflikt zwischen dem „Wirklichen* und dem „Unwirklichen*, und zwar in einem tieferen als dem üblichen Sinne. Denn Friedrich Brekow weiß, daß man diese Begriffe zwar leicht auszutauschen vermag, also ebensogut ,priese unfaßbare Strömung des Lebens*, die er selber ist, nämlich den seelischen Bereich des Ich als das „Wirkliche*, die Umwelt aber als das „Unwirkliche* an sprechen kann. Er kommt jedoch zur Erkenntnis, daß dieses Ich deshalb das „Unwirkliche* ist, weil eine uneingelöste Sehnsucht in ihm verlangt, nach außen zu wirken. Man vermag an diesem wenigen schon zu sehen, daß es ein nichl alltäglicher Moman ist, von dem wir hierUrlch- len. Hart mann laßt im ersten Teil seinen Friedrich "Drecköw gewissermaßen an der Begegnung mit verschiedenen ewigen Phänomenen sichtbar werden. Die Mutter, das Gewitter, die Singstunde, die Heimat, das Wagnis, der Mitmensch, die Schlacht sind die Kapitelüberschriften und zugleich Erlebnisstufen, die dem jungen Menschen zuteil werden. Die Umwelt hat dabei auch in der Darstellung nur insoweit Gewicht, als sie sich im seelischen Erlebnis der Hauptfigur spiegelt, und Hartmann verzichtet hier wie auch im Fol- genden weitgehend auf das äußerlich charakterisierende der Gestalten, als lohne es nicht, sich bei diesen nebensächlichen Dingen aufzuhalten. So erfährt man auch nichts über Dre- kows Beruf, der ihn unbefriedigt läßt, und die folgende, lange entscheidende Liebesbegegnung mit Hildegard Fride- rici, die später nach schweren Kämpfen und Qualen ein tragisches Ende nimmt, hat gleichfalls als Schauplatz einen imaginären, gelegentlich von Landschaftsmusik begleiteten Raum, in dem das Seelische unmittelbar und fast gestaltlos spricht. Ls ist vom Standpunkt des Romans her gesehen Gefahr wie'bestes Wesen^ieses "DuUe's7'5ak'sich'unter.,der Hand des Verfassers alles Gegenständliche auflöst in einem beinahe abstrakten Klima, wenn auch das Gedankliche stets sinnlich und gefühlvoll erfüllt ist. Gestalt, das heißt äußere Lebensrealität, Handlung und Geschehen, werden erst in dem Augenblick sichtbar, wenn Brekow selbst „der Boden geschenkt* wird. Das heißt, wenn er zum Schluß von einer Holzhandelsgesellschaft zu den deutschen Arbeitern auf einen einsamen Auslandsposten ge schickt wird, und wenn er hier in der Einordnung in die Gemeinschaft — um mit den Worten des Verfassers zu sprechen — das „Wir* erlebt, das 'km später auch zum „Du* führen wird. In der Tat trifft dieses Buch eine geistige Situation vieler Menschen unserer Jert^ wenn auch dieser Friedrich Brekow in manchem recht besonders geartete Luge zeigt, so daß man nicht fehlzugehen glaubt, Mß hier wirklich einmal die „große Erzählung vom Ichüchiernen^Menschen* geschrieben 'worden ist/ von der ein in diesem Roman auf- tretender Schriftsteller wünscht, daß sie einmal geschrieben würde: Der Dichter, der sie aufzeichnet, „werde nicht nur leise und umwegige Kapitel erzählen, über die wir lächeln dürfen, sondern es wird oft genug ein heroisches Buch sein, voll vom Doppelkampf gegen die innere und äußere Belage rung. in denen der scheue Mensch 'steht*. Aber ist dieser scheue Mensch, nämlich der. der den Zwiespalt zwischen Ich und Welt empfindet, wirklich so selten, tritt er nicht viel mehr häufig in Erscheinung, wenn auch, je älter er wird, überdeckt und verhüllt vom Lärm fremder Worte und ange nommener Formen, unter denen er eine gewisse Schwäche versteckt? Dies aber ist es vielleicht guade, was der Ge stalt dieses Romans ihren dichterischen und zugleich er zieherischen Wert gibt, daß dieser Friedrich Brekow die Lauterkeit seines Wesens erhält, indem er mit der zähen Strenge, ja dem seelischen Mut, wie sie oft gerade zarten Menschen eigen sind, seiner eigenen Art treu bleibt und gerade dadurch den Weg findet zur Einordnung in die menschliche Gemeinschaft. Es liegt am Wesen dieses Buches, daß der Referent der Gefahr nicht entging,'mehr vom Thema als von der Gestal- tunqssorm des Verfassers"^s"re8en. So sei zum Schluß nur erwähnt. d^ es in emer schonen und. ressen. Sprach^ geschrieben ist, die gebrägen wird von einer außerordent- lrchen'Witterung für die Worte, ihre Hintergründigkeit und ihr Gewicht. ^ 6 r u n ern er cic>5 in cier näckstsn Carl Schünemann Äerlag Bremen Merlin
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