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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 22.10.1897
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- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 22.10.1897
- Sprache
- Deutsch
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Der Sortimenter mutz lesen! Der Sommer ist vergangen, der Herbst hat seinen Ein zug gehalten, und wenn wir in den meist recht trüben Himmel, schauen, da gemahnen uns Regen und kühle Lüfte an den nahenden Winter. Eine ähnliche Stimmung hat auch wohl unseren unvergleichlichen Sänger Eichendorff erfüllt in einem schönen Herbstlied, dessen erste Strophe also lautet: »Der Wald wird falb, die Blätter fallen, Wie öd' und still der RaumI Die Bächlein nur gehn durch die Buchenhallen, Lind rauschend wie im Traum, Und Abendglocken schallen Fern von des Waldes Saum.» Wie in der Natur aber kein Stillstand, sondern ewiger Wechsel herrscht, so auch im menschlichen Leben — mithin auch im deutschen Buchhandel! Der vor der Thür stehende Winter stellt in seinem Anfang die »Hoffnung« dar, denn er bringt uns die fröhliche, selige und gnadenbringende Weih nacht! Wer sollte und wollte da nicht hoffen! Sind dann die frohen Hoffnungen erfüllt worden, so folgt noch eine ziveite schöne Zeit — die Zeit der Rechnungen! Hiermit hat aber die schöne Eigenschaft des Winters für den Buchhändler ihr Ende erreicht, denn was nun folgt — die Zeit der Krebse — dürfte weder hüben noch drüben als schön bezeichnet werden. Der Sortimenter seufzt über das Einpacken, und der Verleger über das Auspacken. Wer trägt aber die Schuld, daß die Nemittenden-Pakcte nie mand gefallen? — Ich werde mich wohlweislich hüten, in die Beantwortung dieser Frage einzutreten, denn ich möchte es weder mit meinen Kollegen im Verlag, noch mit denen vom Sortiment verderben Da Liebe bekanntlich blind macht, so verdenke ich keinem Verleger die Liebe für seine Kinder, selbst awenn sie sich auf ungeratene Exemplare erstreckt. Noch weniger kann ich es aber meinen Kollegen im Sortiment ver denken, wenn sie sich sträuben, solchen auf die Wanderschaft gebrachten Verlagskindern eine freundliche Aufnahme zu be reiten, wohingegen ich mich ganz und gar auf die Seite des Verlags schlagen müßte, wenn dessen gut geartete Kinder nicht mit der ihnen gebührenden Liebe vom Sortiment be handelt werden. Da dies aber thatsächlich und leider recht oft geschieht, so möchte ich auf Grund meiner fast dreißig jährigen Praxis hiermit ein offenes Wort ausfprcchen, das die Pflichten erörtern soll, die nach meiner Ueberzeugung das Sortiment gegen den Verlag und hiermit zugleich gegen die Litteratur zu erfüllen hat. Meine Betrachtung soll ganz bewußt den wissenschaft lichen Verlag ausschließen, weil dessen Wert oder Unwert nicht durch den Sortimentsbuchhandel entschieden wird und dessen Vertrieb durch den letzteren sich ungleich einfacher ge staltet, als es der Fall ist, wo das Publikum von seinem Buchhändler einen Rat, ja vielfach sogar ein selbständiges Urteil begehrt Das Publikum setzt dabei wohl mit Recht voraus, daß der gebildete Buchhändler die bedeutenderen Er scheinungen auf dem Gebiete der Schönen Wissenschaften, Ge schichte, Länder- und Völkerkunde rc. rc. sich auch inhaltlich zu eigen mache. Für das Schicksal dieser Litteraturerzeugnisse erscheint mir das Sortiment — zum Teil wenigstens — mitverant wortlich. Wer das nicht zugebcn wollte, müßte die selbständige Thätigkeit des Sortimentsbuchhändlers überhaupt in Abrede stellen. Meine älteren und erfahrenen Kollegen im Sortiment werden mir gewiß beipflichten, wenn ich sage: Der Sortimen ter muß lesen und zwar möglichst viel lesen, damit er ein persönliches Urteil gewinnen und bei Empfehlung eines Buches auch ein überzeugendes Wort reden kann. — Schon gut, wird mancher da wohl ausrufen; aber woher denn die Zen nehmen, um alle guten Bücher zu lesen!? Darauf möchte ich ent- VierunirjechMter Jcchrgü-.iz. gegnen: alle guten Bücher, die jährlich erscheinen, vermag ein Einzelner allerdings nicht zu bewältigen, aber lesen muß der Sortimenter dennoch und zwar, wie gesagt, möglichst viel. Ich trage auch kein Bedenken, offen zu sagen, daß ich hier und da sogar ein schlechtes Buch lese — allerdings nicht zur Erbauung, sondern zu meiner Belehrung. Selbstver- tändlich vermag nur ein gutes Buch den Geist zu fördern und anzuregen; ich habe aber auch erfahren, daß eine gute Lektüre außerdem noch in materieller Beziehung von großem Wert ist. Für alle Erscheinungen, die ich mir zu eigen ge macht habe, vermochte ich nämlich fast immer mit Leichtigkeit einen Absatz zu erreichen, an den ich sonst nicht hätte denken dürfen. Aber noch einmal: die Zeit! Nun, da meine ich: wozu der Mensch Lust hat, dazu findet er stets auch die Zeit. Es handelt sich nur darum, wie man seine Zeit einteilt und benutzt, und wenn man erst erkannt hat, daß zur Ausübung des buchhändlerischen Berufes das Lesen unbedingt erforderlich ist, so wird man darin nicht nur eine leidige Pflichterfüllung erblicken, sondern man wird die Erweiterung seines geistigen Horizontes mit Frohgefühl empfinden ppd dadurch auch die Fähigkeit erlangen, das zu sein, was der Buchhändler in Wahrheit doch sein soll — ein ehrlicher Makler auf dem weiten Gebiete des menschlichen Geistes. — Krg<>. meine verehrten Kollegen: es muß gelesen werden, und zwar möglichst viel! Um an einigen Beispielen die Bedeutung des Lesens in materieller Hinsicht nachzuweisen, möchte ich zunächst einige Schriftsteller nennen, deren Werke ich mir seit Jahren zur eigenen Freude sowie zu meinem materiellen Vorteil zu eigen gemacht habe. Es sind: Rosegger, C. F. Meyer, Gottfried Keller, Storm, Baumbach, Ganghofer. Seidel, Laufs, Heden- tjerna. — Daß einige Namen von sehr beliebten sogenannten Mode-Autoren unerwähnt bleiben, soll nicht besagen, daß ich mich mit diesen gar nicht abgegeben hätte; indessen, ganz offen gestanden, hat mir deren Lektüre mit den Jahren immer weniger Freude bereiter, und ich habe mich damit beruhigt, daß diese der Nachhilfe des Sortimenters am wenigsten bedürfen. Ich kann dabei allerdings ein Gefühl des Bedauerns nicht unterdrücken, weil das große Publikum mehr nach dem Namen des Autors fragt und nur schwer, öfters aber gar nicht in Stimmung zu bringen ist für das ungleich bessere Buch eines noch unbekannten Autors. Aber deshalb hat meines Erachtens gerade hier der Sortimenter mit seiner subjektiven Thätigkeit einzusetzen. Zum Beweise, daß man auch mit guten Büchern von weniger bekannten Schriftstellern in der That einen schönen Erfolg zu erzielen vermag, wenn man deren Wert durch eigene Lektüre kennen gelernt hat, könnte ich ein ziemlich langes Register vorführen. Ein paar Namen mögen genügen! Da wohnt z. B. in einem kleinen Ort Mecklenburgs ein Pastor C Beyer, der u. a. einige historische Romane aus deutscher Vorzeit geschrieben hat — (»Anastasia« — »Um Pflicht und Recht« — »Ein Neubau unter Trümmern«) — Werke, die nach meinem Dafürhalten so gehaltvoll und dabei so interessant sind, daß sie die weiteste Verbreitung verdienen. Wie mag es aber in Wirklichkeit mit deren Verbreitung stehen? Der gute Absatz, den ein einzelner Sortimenter zu erzielen vermochte, kann natürlich den Ausschlag nicht geben, und daher möchte ich meine Kollegen im Sortiment bitten, sich mit den Beyer'schen Romanen bekannt zu machen — der Erfolg wird nicht ausbleiben und mir alsdann Recht geben, wenn ich immer wieder sage: der Sortimenter muß lesen! Neben Beyer, um im Gebiete des historischen Romans zu bleiben, nenne ich Sperl, den Verfasser von: »Die Fahrt nach der alten Urkunde« und »Die Söhne des Herrn Budiwoj«. — 1025
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