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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 08.11.1940
- Strukturtyp
- Ausgabe
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- 1940-11-08
- Erscheinungsdatum
- 08.11.1940
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- Deutsch
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M MM LkM/IMM « ^ r « ^ « 1 e^ Sie speisten zu dritt im zweithöchsten Geschoß des Schlosses, unterhalb ber Sternwarte, die dem Kurfüiften zugleich als Bibliothek und ge- lehrter Arbeitsraum diente. Der Tisch war rund, wie es der Form des Turmzimmers entsprach. Es gab kein Oben und Unten, denn es gefiel dem Kurfürsten, in diesen Räumen an eine Republik der Geister zu glauben, die keiner äußeren Rangordnung zugänglich war. Carion hatte Joachim zur Linken, Katharina Lornung zur Rechten. Um die un höfische Vertraulichkeit dieses späten Abendessens zu erhalten, war die Bedienung, als die Schüsseln auf dem Tische standen, fortgeschickt worden, und nun war es an Katharina, für die beiden Männer zu sorgen. Sie tat das mit ihrer sicheren, ein wenig lässigen Anmut. treffens, denn es ging von ihr ein Reiz aus wie der eines schönen in sich vollendeten und arglos begehrlichen Tieres oder eines hohen, in seiner reifen Süßigkeit unerschöpflich scheinenden Sommertages. Und doch konnte ihn ein Frösteln ankoinmen, wenn er daran dachte, wie wehrlos diese Frau dem Verhängnis des Älterwerdens überant wortet sein müsse. Schon neigte ihre Gestalt ein wenig zur Füfle, und vielleicht würde es sie bereits nach der ersten Geburt Mühe kosten, sich schön zu machen und begehrens wert zu erhalten. Sie trug ein perlmuttergraues Seidenkleid, mit Silber und Rot durchwirkt; der Gürtel war mit Steinen besetzt, und Steine schimmerten auch auf dem Fächer, der vor ihr auf dem Tische lag und den sie manchmal gewohnheitlich spielend zur Land nahm. Von ihrem dunklen Laar ging der Lauch eines italienischen Schönheitswassers aus, und der Kerzenschein belebte ihre Helle und rosige Laut mit einem warmen Ton. Canon verstand, daß Joachim nicht von ihr loskam, denn hier war jener Lebens überfluß, den er im eigenen Dasein nicht zu verwirk lichen wußte. And doch wußte Canon von den Spannungen, die immer wieder zwischen den beiden aufkamen. Er wußte von allem Anrecht und aller Gewalttätigkeit, die das Entstehen dieses Verhält- niffes begleitet und gefördert hatten. Joachim fragte sie aufgeräumt nach ihren Katzen und Gartenpflanzen. Mit dem Eifer eines Kindes begann sie zu erzählen, und die Zungenspitze tän- zelte dabei unablässig auf den fülligen, ein wenig großen Lippen. Sie lächelte, bald zu Joachim gewandt, bald zu Carion, dem sie von jeher eine freundliche Gesinnung gezeigt hatte, und ihr volles, warmes ^ Lächeln verriet ein Wesen, das ohne vorbedachte Absicht von Natur aus bemüht ist, den Männern, ^ dem Spiegel und sich selber zu gefallen, und dem H ^ sriVs darum zur Erwiderung die ganze Schöpfung bis hinab zum letzten Grashälmchen zu gefallen trachtet. „» Während sie erzählte, ließ Joachim kein Äuge von ihr. Endlich sagte er: „Ich weiß ja, Katharina, alles Lebendige gedeiht nun einmal unter deinen Länden." Nach einer kleinen Weile setzte er hinzu: „And allem, was von dir kommt, gibst du diese Willigkeit des Gedeihens mit. Es blüht fort, auch wenn es deiner Gegenwart entzogen ist. Ich habe die besten Nachrichten aus Küstrin." In Küstrin, im Lause des dortigen Schloßhauptmanns, wurden die drei Kinder erzogen, die Katharina dem Kurfürsten geboren hatte. Trotz der düsteren Peinlichkeit, die über Katharinas Verhältnis zu ihrer Familie lag, redete Joachim unbefangen von dem Kommen ihres Bruders, des livländischen Erzbischofs, und Katharina stimmte ein. „Ich freue mich. Erzbischöflichen Gnaden zu begegnen", sagte Carion und verneigte sich leicht gegen Katharina. „Ich habe Euren Bruder als einen Mann von hohen Kenntnissen und Einsichten schätzen gelernt." Es war ein wenig förmlicher herausgekommen, als er beabsichtigt hatte. Man war schon beim süßen Wein, bei der Zuckerbäckerei und dem Obst, als ein Edelknabe erschien und im Auftrag des Kanzlers meldete, es sei ein Botenreiter des Kardinalerzbischofs aus Mainz eingetroffen. Joachim stand augenblicklich auf. Sein Schatten wuchs riesenhaft an der weiß- gekalkten Wand des Turmzimmers. Er nickte seinen beiden Tisch genossen, die sich geschwind erhoben hatten, wie mit einer flüchtigen Entschuldigung zu und ging hinaus. "^*r7s"auf der Wendeltreppe. Die Zurückgebliebenen > Aber das Gespräch kam ins Stocken, denn Ca^^nlu^te die Wahrnehmung machen, daß Katharinas Aufmerksamkeit rasch verfiel. Sie antwortete einsilbig, sie bog den Fächer in den beiden Länden, als wolle sie den äußersten Grad seiner Biegsamkeit erproben und als sei es ihr einerlei, wenn er bei diesem Versuch zu Stücken bräche. Ihre Züge hatten eine vollkommene Verwandlung erfahren Carion verstummte und sah sie betroffen an. Sie wich seinem Blick aus und richtete den ihren in den Schoß. Er erkannte, daß hinter all der blühenden kreatürlichen Sommer- Herrlichkeit ein zitternder und leidender Mensch gefangenlag. So war denn all dies Gehaben vorhin, in der Gegenwart des Kurfürsten, eine Maske gewesen? Oder gab sich die Frau so sehr und so gefäßhaft dem Augenblick hin, daß jede Rolle, die sie spielte, ihr flugs zur Wirklich- keit wurde? Carion hatte seine erste Äefremdung überwunden und wollte jetzt mit einer behutsamen Anteilnahme ihrer offenkundigen Verstörung zu Lilfe kommen. Ällein sie beugte sich mit einer jähen Bewegung vor, packte seine Land und rief: „Ihr müßt mir helfen, Lerr Doktor!" ^ Dieser Ruf war der Ausbruch einer lang ange- L stauten Verzweiflung. Carion blickte sie überrascht - an, aber er kam nicht dazu, eine Frage zu stellen, ^ denn wie ein Sturzbach strömten ihre leidenschaft- " lichen Bekenntnisse ungeordnet auf ihn ein. „Ich erwarte ein Kind. Es soll mir gehören und nicht dem Kurfürsten! Ich will fort, noch ehe es auf der Welt ist. Er läßt es mir nicht. Er nimmt es mir weg, wie er mir die anderen drei weggenom men hat. Er sagt, hier seien sie nicht sicher, die Kurfürstin könnte ihnen etwas antun, darum hat er sie nach Küstrin gegeben. Vielleicht stören sie ihn auch, sie sollen nicht so sichtbar sein, ich weiß das nicht. Ich weiß überhaupt nur, das dies alles ein Ende haben muß. Das Kind, nein, das ist es nicht! Meine Familie tut nichts. Meine Mutter hat sich gegen mich gestellt. Vielleicht ist sie zu alt. Sie versteht nicht mehr, was für eine Not das alles ist! Ich will meinen Frieden mit Lornung machen. Ich habe mich vergangen, aber ich war ja in der Land des Kurfürsten. Mein Mann weiß das, er denkt jetzt anders als damals. Er nimmt mich wieder auf, wenn ich nur komme. Aber nun höre ich nichts von ihm. Ich kann ihm keine Nachricht geben. Ich werde bewacht. Schreibt ihm. Denkt nach, wie Ihr mir helfen könnt!" Carion hatte erschrocken diesem Ausbruch zugehört. Im ersten Augenblick war es ihm, als müßte er zurückweichen vor dem Abgrund, der sich so plötzlich vor ihm öffnete. Er suchte ihr beschwichtigend zuzu- WA reden und fühlte selber, daß er es nur tat, um ein wenig Zeit zu gewinnen und sich in dies Neue hineinzufinden Katharina sah ihn flehentlich an und schüttelte den Kopf. Er verwies auf ihren Bruder, den Erzbischof. In kurzem werde er am Ort sein, Katharina könne sich mit ihm aus sprechen, er werde Rat wissen, und er habe ja auch Einfluß auf Joachim. „Diesen Einfluß wird er um meinetwillen nicht abnuyen mögen", sagte Katharina bitter. „Er braucht den Kurfürsten und das gute Einver nehmen mit ihm zu seinen Staatsgeschäfken." Carions weitere Worte schnitt sie leidenschaftlich ab: „Ihr kennt die Zusammenhänge nicht. Ich muß Euch erzählen, wie es gewesen ist und wie es heute steht. Er liebt mich nicht mehr. Aber er will mich nicht freigeben. Er ist ungroßmütig. Er —" „Still", sagte Carion hastig. „Sind das nicht Schritte?" Sie horchten. Carions Wahrnehmung be stätigte sich. Der Kurfürst kam die Wendeltreppe hinauf. Kalharina griff in ihr Mieder und riß ein verschnürtes Päckchen heraus. „Da, nehmt das",flüsterte sie. „Lest das. Ihr werdet daraus alles ersehen. Er hat bei mir schon einmal nach Briefen suchen lassen. Bewahrt sie gut. Ihr werdet mich nicht preisgeben, das weiß ich!" Carion schob das Bündel in seine Tasche. Katharina hatte einen kleinen runden Spiegel in der Land und fand ihr Lächeln wieder. Carion dünkte diese Fähigkeit der Selbstverwandlung unheimlich. Gleich danach trat der Kurfürst ein. 7SO Bdrs-Udlall s. d. Deutsch!» Buchhandel. lI7. Jahr,a»,. Nr. SW Freitag, den 8. Nauember Iglo
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