Mit der Übertragung von A. H. Tammsaares „Wargamäe" erscheint zum ersten mal in deutscher Sprache das epische Monumentalwerk eines estnischen Dichters. Es ist aber nicht nur der große nationale Volksroman der Esten und das bedeutendste Buch der jungen estnischen Literatur, sondern es gehört, außerhalb von literarischen Moden und Zeitströmungen stehend, in die Reihe großer Werke der Weltliteratur. Tammsaares Werk wurzelt tief in der nordischen Landschaft, in der besonderen und ein maligen Wesensart estnischen Volkstums. Das eigentliche Thema ist das Ringen um die Scholle. Gegen diesen riesigen Hintergrund stehen die Menschen, klein, im Rahmen ewigen Naturgeschehens. Geburt und Tod, Lugend und Alter, Säen und Ernten, Sommer und Winter — die Stationen des Lebens — zeichnet altmeisterlich der Dichter. A. H. Tammsaare wurde am 30. Januar 1878 in Nordestland auf dem Bauernhöfe seines Vaters geboren. Nach Abschluß seiner Schulbildung am Gymnasium zu Narva wurde der zukünftige Dichter fürs erste Journalist, da die Mittel zum juristischen Studium nicht ausreichten. Erst 1907 bezog er die Hochschule in Dorpat, war aber gezwungen, unmittel bar nach Abschluß seiner Studien, für längere Zeit in einem Höhenort des Kaukasus Aufenthalt zu nehmen, da ein schweres Lungenleiden ihn befallen hatte. Nach der Rück kehr in die Heimat verbrachte Tammsaare wieder mehrere Lahre, bis zu seiner völligen Genesung, in der Stille auf dem Lande. Heute lebt der Dichter abwechselnd in Reval und auf dem Bauernhof seines Bruders. Die ersten schriftstellerischen Arbeiten Tammsaares reichen bis in seine Schulzeit und den Anfang seiner Lournalistenjahre zurück. Darunter gibt es einige Novellen, die schon viel versprechend sind. Aus dem Novellisten, der er bis dahin vorzugsweise war, wird der große Epiker, den jeder Este liebt und verehrt. soeben inr Ho^e A (?o. ^e/^aF / öe/^in Als Auftakt einer neuen Schaffensepoche erscheint 1922 die wundervolle Geschichte „Der Bauer von Körboja". Es ist die Liebe zwischen einer gebildeten Erbhoftochter und einem einfachen Bauernburschen, der die Wechselfälle dieser Liebe nicht zu meistern weiß und tragisch zugrunde geht. Der Dichter hatte kaum die Schule beendet, als bei ihm schon die Ldee eines großen Romanwerkes austauchte. Dieser Zyklus sollte das Ergehen zweier Generationen schildern. Über zwanzig Lahre vergehen, bis das Werk ausreist, Form gewinnt und dann in fünf Bänden binnen weniger Lahre erscheint: „Wargamäe" (lüde öiZus). Leder Teil bildet ein in sich abgeschlossenes Ganzes. Der erste Band von Tammsaares Monumental werk liegt hier vor. Wir wollen, was Art und Lnhalt des ersten Bandes von „Wargamäe" anbetrifft, nichts vorwegnehmen. Verglichen mit Bauernromanen der Weltliteratur wird es schwerlich ein anderes Werk geben, wo neben tiefernsten, gleichsam holzgeschnitzten Bildern — etwa der Tod der Bäuerin, das Kindersterben — Szenen eines so überlebensgroßen Humors stehen. Der zweite Band berichtet von höchst sonderbarem Schulleben in einer estnischen Kleinstadt, während der dritte Teil die weitreichenden Auswirkungen der russischen Revolution des Lahres 1905 innerhalb des estnischen Volkes, insbesondere seiner führenden Schicht, schil dert. 3m letzten Teil schließt sich der Kreis. Der Sohn des inzwischen gestorbenen Alt bauern kehrt, enttäuscht von der Stadt, auf den väterlichen Hof zurück, wo er in körper licher Arbeit seinen Seelenfrieden wiederfindet. Der Romanzyklus erschien in den Lahren 1916 bis 1933. Seitdem ist der Dichter mit noch zwei bedeutenden Prosawerken hervorgetreten. Werke Tammsaares wurden bis jetzt — vor allem „Wargamäe" — ins Schwedische, Finnische, Polnische, Lettische und Russische übertragen. Arthur Knüpffer rn Freden erse/rienen ist/ 34«<i Nr. IIS Donner- >en so. Juni IMS 34«?