Suche löschen...
Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 15.01.1879
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Erscheinungsdatum
- 15.01.1879
- Sprache
- Deutsch
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id39946221X-18790115
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id39946221X-187901155
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-39946221X-18790115
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungBörsenblatt für den deutschen Buchhandel
- Jahr1879
- Monat1879-01
- Tag1879-01-15
- Monat1879-01
- Jahr1879
- Links
-
Downloads
- PDF herunterladen
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
164 Nichtamtlicher Theil. 11, 15. Januar. rung von 25"/o, 83VsVo und mehr suchen, z. B. aus theure architektonische Werke, und solche Reisende dann natürlich das ganze betreffende Publicum: Maurermeister, Baumeister rc. re. abklappern und dadurch dem Sortimenter der Stadt, der das Nachsehen hat, sein Brot schmälern— dies ist auch eine der großen Miseren unserer heutigen Zeit! Wir kommen jetzt zu einer anderen Misüre, zu einem Ge schäftszweige, der sich in neuester Zeit sehr groß und breit ge macht hat, den unsere Vorgänger aber, ich darf wohl jagen glück licherweise, gar nicht, oder wenigstens nicht so, wie er jetzt zum Unheil fast aller Sortimentsbuchhändler betrieben wird, gekannt haben: zu der sogenannten Colportage. Ein schon an und für sich unangenehm klingendes Wort, bezeichnet dasselbe auch gleich das Unangenehme, was in seinem Geschäftsbetriebe selbst liegt, vr. Heyse erklärt uns in seinem vortrefflichen großen Fremdwörter buche das Wort „colportiren" folgendermaßen: „Französisch (ool- portor), eigentlich (Maaren) auf dem Rücken herumtragcn, von col (Hals, Nacken) und portor (tragen), hausiren, von Haus zu Haus tragen; Colportage die Stoffkrämerei, Kleinkrämerei, das Herumtragcn der Maaren; Colporteur ein Stofsträgcr, wandern der Kleinkrämer, Hausirer." Herr oder Frau Colportagebuch- händler aber sich anreden, resp, auf Briefen sich so tituliren zu lassen, das mag wohl denjenigen Herren und deren resp. Frauen, welchen das Gesühl für das Schöne noch nicht ganz entschwunden ist, oder deren Geschäft srüher ganz anders betrieben wurde, wie jetzt, recht unangenehm sein und nicht recht Passen; vielleicht mögen aber gerade diejenigen Herren, welche erst selbst Kolpor teure gewesen sind, dann sich aber in den Buchhandel und in Schulz' Adreßbuch hineingeschwungen haben, sich mit Selbstgefühl Colportagebuchhändler nennen, — ich weiß dies nicht so genau anzugeben. Wenn nun auch jetzt ein Colportagebuchhändler nicht immer selbst hernmwandert, ein Ränzel aus dem Rücken oder ein Packet unter dem Arme, und seine Maare anbietct, sondern behuss dessen die hinlänglich bekannten Colportenre ausschickt, und wenn es auch unter beiden eben genannten Menschenclassen recht ehrenwerthe Leute gibt, so ist doch größtentheils schon seit langer Zeit unter dem Publi cum eine gewisse Abneigung gegen den Stand Derjenigen, welche sich mit der Colportage abgeben, eingetreten. Und das kann man den Leu ten eigentlich auch gar nicht verdenken, denn wie viele Tausende und aber Tausende sind durch Colporteure nicht schon beschwindelt und betrogen worden?! — Gewöhnlich ist der Colporteur ein sehr zudringlicher Mensch, den man so leicht nicht und nicht ans seine Art los wird, wenn man auch von seinem Kram nichts mag. Ucberall, in Tors und Stadt, macht er, ohne cingeladen zu sein, seine Visiten bei Männlein und Weiblein, hängt sich klettenartig fest, wird hier mit zweifelhaften Schmeicheleien be grüßt, dort auf eine etwas unsanfte Art zur Bordcrthür des Hauses hinausgeworsen, was alles ihn aber nicht im geringsten genirt: er sucht alsbald durch eine Hinterthür wieder hereinzu schleichen und auss neue für seinen Kram zu wirken. — Ja, es gehört in der That ein sehr guter, ein hartgesottener Magen dazu, um ein ordentlicher, moderner Colportagebuchhändler, resp. Colporteur zu sein; für einen Buchhändler, der noch aus der guten alten Schule herstammt, für einen Träger der Wissen schaft, wie er sich seiner Zeit so gern nennen hörte, Paßt dieses Geschäft nach neumodiger Art ganz und gar nicht; sein Ehr gefühl würde sich gewiß dagegen sträuben, alle Augenblicke hier hinansgewiesen, dort hinausgeworsen zu werde». — — — Und woraus besteht der neumodige Kram, der unter die Leute gebracht werden soll, meistentheils? Aus unsittlichen, schlüpfrigen, oder aus Grauen erregenden, das Laster preisenden Romanen und Erzählungen, aus den sogenannten Sensations- Romanen, so nebenher auch noch ans socialistischen Blättern und Broschüren und aus verschiedenem anderen unnützen Zeuge. — Zu den schönen (?) Werken, die der Colporteur vertreibt, wurden, um sie anziehend zu machen, Bilder-Prämien gratis oder gegen eine geringe Nachzahlung gegeben, und man konnte sich dies allen falls auch noch gesallen lassen, weil Kupfer ja mit zum Fache des Buch- und Kunsthändlers gehören; — später aber als der artige Kunstbeilagen nicht mehr recht ziehen wollten, weil die Leute damit schon übersättigt waren, da kamen andere speculative Männer aus ganz eigenthümliche Ideen. Sie offerirtcn nämlich denjenigen Personen, welche auf ihre Verlagswcrke subscribiren wollten, nach deren Wahl, entweder ganz umsonst oder gegen eine geringe Nachzahlung, Röcke, Hosen, Westen, oder aber Stoffe zu schönen Damenklcidern, zu Damenmänteln, zu Unterröcken — nein, zu Unterröcken hat doch noch kein Colportagebuchhändler, Ivie ich mich eben entsinne, Stoff ausgeboten, aber es wird dies wohl noch nächstens geschehen, und wenn dann noch Stiesel und Schuhe und Strümpfe und Hemden als Buchhändler-Prämien ausgeboten würden, dann wäre die glückliche Zeit ja da, wo der Mensch nur alle die schönen Colportage-Romane mitzuhalten brauchte, um säst mit allem Uebrigen, was er gebraucht — ex clusive Speise und Trank — vom Colportagebuchhändler gratis oder gegen ein ganz Geringes versorgt zu werden, denn auch goldene Taschenuhren incl. Ketten, Stutzuhren, Lampen, Tassen, Töpfe, Kannen rc. rc. — alles Derartige wird schon seit einiger Zeit gratis oder gegen einen geringen Betrag vom Colportage buchhändler seinen schönen Werken beigegeben. Da überhaupt zu viel gedruckt wird, so ist es beinahe schon dahin gekommen, daß von manchem Buchhändler jetzt fast ein jedes Buch oder Büchelchen als Colportageartikel angesehen und dem Colporteur angepriesen oder zum Verkauf mitgegebcn wird; selbst höchst unbedeutende Schriften zu 20 oder 10 Pfennig werden von manchen Verlegern ganz ernsthaft als ausgezeichnete Colportageartikel ausgeboten, von denen viele Tausende abzusetzen sein werden. Und der somit geköderte Colporteur greift zu und nimmt jetzt schon Alles mit, was er bekommen kann, sogar Volks-, Haus- und Wandkalender, Kochbücher, Briefsteller, An leitungen sich selbst von allen möglichen Krankheiten heilen zu können rc. rc., und er sucht Alles zu verkaufen, was und wo er es nur irgend kann, unbekümmert darum, ob er auch die Be rechtigung resp. die Erlanbniß zum Verkaufe solcher Bücher hat oder nicht, denn er weiß ja, daß die Polizei heutzutage seinen Kram gar nicht mehr ordentlich controliren kann und daß, wenn er auch einmal von einem Buchhändler, der sich sein Absatzfeld nicht verderben lassen will, denuncirt wird, dieser erst immer Be weise beibringen muß, daß der Colporteur wirklich einen un berechtigten Buchhandel betrieben habe, und diese Beweise bci- zubringen, hält oft recht schwer, und gewöhnlich ist inzwischen auch der Patron aus der betreffenden Stadt verschwunden. „Er lügt wie ein Colporteur", hört man jetzt schon an manchen Orten als stehende Redensart. Und leider ist dies nicht so unberechtigt, denn der Colporteur lügt den Leuten, die auf seine schönen Romane rc. subscribiren sollen, so vieles dumme Zeug vor, daß man oft staunen muß, wie dieselben nur das alles haben glauben können. Aber dem Colporteur kommt es aus ein paar Lügen mehr oder weniger gar nicht an, wenn er nur da durch zu seinem Ziele gelangt: die ersten und zweiten Hefte seiner schönen Literatur zu verkaufen, die ihm gewöhnlich, als seine Provision, gehören; ob dann aber die Leute, die er zum Sub scribiren Preßt, auch die Fortsetzungsheste nehmen, kümmert ihn sehr wenig, wenn er nicht etwa selbst die Fortsetzung liefern will.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder