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Börsenblatt für den deutschen Buchhandel : 06.09.1906
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- Erscheinungsdatum
- 06.09.1906
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- Deutsch
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wählt worden seien, die der Angeklagte Vanselow veröffentlicht habe. — Buchhändler Borchardt, der die Stellung eines Geschäfts führers in dem Vanselowschen Verlag bekleidet, bestätigte auf Be fragen, daß die »Schönheit« von vielen hochgestellten Beamten, Richtern, Staatsanwälten, Künstlern, aber auch von fürstlichen Persönlichkeiten gehalten und mit Interesse gelesen werde. Zu den Abonnenten hätten unter andern die verstorbene Großherzogin von Sachsen-Weimar gehört, auch Prinz Karl von Hohenzollern und andre fürstliche Personen. Ein bekannter Kammergerichtsrat habe die Bilder zum Teil mit ausgewählt, hochgestellte Beamte hätten sich sehr sympathisch über die Zeitschrift ausgedrückt und gesagt, daß man sie mit ruhigem Gewissen auch Kindern zeigen könne. — Der als Zeuge vernommene Kunstmaler Karl Höckner hat in den Bildern nichts Unanständiges und Unzüchtiges gefunden und bestritt, daß sie irgendwie sinnlichen Reiz ausübten. — Als Sachverständiger führte Or. msä. Magnus Hirschfeld aus, daß die inkriminierten Zeitschriften in dem Kampfe für die Regene rationsidee an erster Stelle ständen. Der beanstandete Artikel verfolge, auch vom medizinischen Standpunkte betrachtet, eine ab solut sittliche Tendenz. Dasselbe gelte auch von den andern Ar tikeln. Was die künstlerischen Abbildungen betreffe, so wirke die Dar stellung der reinen Nacktheit nicht besonders erotisch, wenn man nicht von vornherein mit unreinen Gedanken an sie herantrete. Genau solche nackten weiblichen Figuren mit entblößten Busen fänden sich in der Eingangshalle zum neuen Kriminalgerichts gebäude. Die Zeitschrift sei bestrebt, die Sittlichkeit zu erhöhen, und es liege nichts vor, was das Scham- und Sittlichkeitsgefühl verletzen könnte. Man sollte doch auch an das Wort des sitten strengen Cato erinnern: dlaturalis, von sunt turpia! — Geheimer Sanitätsrat vr. Konrad Küst er: Er kenne die Zeitschrift »Schönheit« von Anfang an und wisse, daß sie mit Ernst den Gedanken verfechte, daß Gesundheit, Schönheit und Sittlichkeit eng in einander greifen, und daß sie durch Hebung der Schönheit auch die Sittlichkeit heben wolle. Gerade die inkriminierten Bilder und Artikel zeugten für diese Tendenz. Die Nacktheit an und für sich sei durchaus nicht strafbar, denn sonst müßten auch die Figuren auf der Schloßbrücks entfernt werden, sie könne nur strafbar sein, wenn die Absicht erkennbar sei, unzüchtig zu wirken. Hier aber sei das gerade Gegenteil der Fall. Die Artikel seien durchaus keusch geschrieben, auch formell sei darin kein einziges Wort, was irgendwie anstößig sei. Die ganze Tendenz gehe zweifellos dahin, die Sittlichkeit zu heben, und keines der Bilder oder Artikel verstoße gegen diese Tendenz. — Recht scharf gegen die in der Anklage vertretene Anschauung sprach sich der letzte Sachverständige, Geheime Medizinalrat Professor Or. Fritsch, aus. Was die Kreise der Antragsteller bezweckten, könne nicht zweifelhaft sein: die Darstellung des Nackten überhaupt solle ver hindert werden. Dagegen müsse entschieden Stellung genommen werden. Es wäre ein äußerstes Unglück für die Menschheit, wenn das Anschauen und das Studium des Nackten verpönt sein sollte. Die Menschheit könne nur gewinnen, wenn sie zur Natur zurück kehre, und es gebe kein bessres Mittel, die krankhafte Perversität zu bekämpfen, als das Natürliche. Diese Zeitschriften bezweckten, die Natur wieder in ihr Recht zu setzen. Jetzt seien wir schon dahin gekommen, daß das nackte Christuskind auf dem Schoße der Maria bei gewissen Leuten Anstoß errege, ja, daß auch ein Bild der Kaiserin und der Königin Luise von einer Seite als anstößig erachtet worden sei! Wir sollten dafür kämpfen, daß solche Anschauungen zurückgedrängt werden. Die in Frage stehenden Bilder seien in einer Weise ausgeführt, daß sie durchaus dezent wirken. Cr hoffe, daß man das Studium der Nacktheit noch weiter fortsetzen und läuternd auf die große Menge wirken dürfe und nicht gezwungen werde, das Schönste, was wir haben, das Studium des menschlichen Körpers, aufzu geben. Die Aufsätze hätten eine entschieden sittliche Tendenz und seien berechtigt und nützlich für die menschliche Gesellschaft. Speziell den Artikel »Geschlechtliche Zuchtwahl» habe er mit großem In teresse gelesen und unterschreibe jedes Wort. Es werde darin ein wichtiges Problem berührt, das er selbst als Universitätslehrer in seinen Vorlesungen vor männlichen und weiblichen Hörern behandle. Der Vorsitzende stellte im Anschluß hieran fest, daß der Kölner Männerverein lediglich den auch mit nackten Gestalten illustrierten Prospekt zum Gegenstand einer Anzeige gemacht habe. Darauf sei keine Anklage erfolgt; der Staatsanwalt habe aber Veran lassung genommen, nun einige Exemplare der Zeitschriften selbst einzufordern, und daraufhin erst habe er das Verfahren eingeleitet. Nach Schluß der Beweisaufnahme hielt der Staatsanwalt die Anklage aufrecht und vertrat die Ansicht, daß die inkriminierten Artikel und Bilder trotz alledem unzüchtig seien, zumal sie nicht in einem wissenschaftlichen, nur eng umgrenzte Kreise interessieren den Werk, sondern in Allen zugänglichen Zeitschriften erschienen seien. Er beantragte gegen die drei Angeklagten je SO Geld strafe und Einziehung der Zeitschriften. — Als Verteidiger führte Or. Werthauer die von den Sachverständigen vertretenen ästhetischen Gedanken noch weiter aus, erörterte den Begriff der Unzüchtigkeit an der Hand vorliegender Reichsgerichtsentscheidungen und kam zu dem Schluß, daß objektiv weder Artikel noch Bilder irgendwie zu beanstanden seien, daß vom allgemeinen sittlichen Standpunkt aus gegen beide nichts einzuwenden sei, wie die aus vier verschiedenen Gebieten hergeholten Sachverständigen dargetan hätten, und daß subjektiv von einer strafbaren Absicht der An geklagten nicht die Rede sein könne. Sie ständen in vorderster Reihe in dem heißen Kampf, der über die Berechtigung der Dar stellung des Nackten entbrannt sei, und es sei zu hoffen, daß in diesem Kampf die Natur und nicht der Schneider den Sieg davon tragen werde. Die Angeklagten müßten freigesprochen werden. Der Gerichtshof erkannte nach kurzer Beratung auf Frei sprechung. Die bloße Darstellung des Nackten sei noch nicht un züchtig, wenn nicht aus damit etwa verbundenen Beziehungen zum Geschlechtsleben oder aus textlichen Zutaten der Zweck, unzüchtig zu wirken, erkennbar sei. Davon sei hier keine Rede. Es komme hinzu, daß es sich bei den Bildern um künstlerische Produktionen handle, denn die Photographie müsse als Kunst angesehen werden. Der An geklagte Vanselow kämpfe zweifellos für eine ganz bestimmte ästhetisch-ethische Idee, deren Richtigkeit dahingestellt bleiben könne: er wolle das Publikum daran gewöhnen, Nacktheit an zusehen, ohne sinnlich erregt zu werden, und in dem Verhältnis beider Geschlechter zu einander gesunde Grundlagen schaffen und die Unnatur bekämpfen. In den Artikeln würden heikle und delikate Themata behandelt, die Abhandlungen seien für für den begrenzten Kreis gebildeter Leser bestimmt und ver rieten keine unzüchtige Absicht. Etwas bedenklich könnte der Artikel »Zwei Arten geschlechtlicher Anziehung« sein; aber auch hier sei die Tendenz des Artikels und der Zeitschrift so überwiegend, daß für den Leser das etwa Bedenkliche in den Hintergrund gedrängt werde. Aus diesen Gründen habe der Gerichtshof die Angeklagten freigesprochen und die Kosten der Staatskasse auferlegt. (Vossische Zeitung.) Zur Geschichte der Flugschrift »Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung 1806». (Vergl. Nr. 197 d. Bl.) — Die Redaktion d. Bl. empfing folgende Anfrage: Von dem ersten Originaldruck sind anscheinend ziemlich viel Exemplare erhalten. Mir sind nur gebundene bekannt geworden. Ist irgendwo ein broschiertes Exemplar in dem alten Umschlag aufbewahrt und ist dieses unbeschnitten? In einem in meinem Besitz befindlichen Exemplar, das noch im alten Einband steckt (Höhe der Seite 16R/g mm), das in der denkbar besten Verfassung ist, sind am unteren Rande des Titelblatts Spuren, die auf das einstige Vorhandensein einer gedruckten Fußnote schließen lassen. Ist diese in irgend einem Exemplar erhalten? Berlin, 29. August 1906. Max Harrwitz. Vom Schwäbischen Schillerverein und dem Schiller museum in Marbach. — Der Schwäbische Schillerverein hat seinen zehnten Rechenschaftsbericht ausgegeben und ihm einen illustrierten Führer durch das Schillermuseum in Marbach bei gefügt, der die Geschichte dieser Gründung und mit dem Gang durch die Ausstellung zugleich ein Gesamtbild von Schwabens dichterischem und literarischem Leben seit der klassischen Zeit des vorigen Jahrhunderts bietet. Aus der Geschichte des Museums sei in Ergänzung und teilweiser Wiederholung unserer früheren Mitteilung das Folgende hervorgehoben: Dem 1835 gegründeten Marbacher Schillerverein brachte die große Bewegung der Schillerfeier des Jahres 1859 die Mittel zur Ausführung des längst gehegten Planes, das Geburtshaus des Dichters den Zufälligkeiten des Privatbesitzes zu entziehen und es zu einer seinem Andenken gewidmeten Stätte zu weihen. In die bescheidnen Räumlichkeiten des kleinen Hauses stifteten
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